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Jagd auf die Völkermörder

In seinem Film "The International Criminal Court" verfolgt Marcus Vetters den Prozess des Den Haager Strafgerichtshofs gegen den kongolesischen Warlod Thomas Lubanga Dyilo. Es ist ein Film wie ein Flugblatt, der aber zeigt, dass es sich lohnt, genau hinzuschauen.

Von Josef Schnelle | 02.05.2013
    "Chefankläger Ocampo, ich fühle mich geehrt, dass ich mich heute den vielen Menschen anschließen darf, die Ihnen für ihre außergewöhnliche Arbeit danken möchten. In dieser Welt gibt es so viel Ungerechtigkeit und Gewalt, dass wir Sie nun mehr denn je brauchen."

    Die Hollywoodschauspielerin Angelina Jolie bei der Verabschiedung des Argentiniers Luis Moreno Ocampo, als er nach neun Jahren als Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshofes zurücktrat. 2003 war er zum ersten Chefankläger am Gericht in Den Haag, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt, vereidigt worden. Einen Namen hatte er sich vorher gemacht im Prozess gegen die argentinische Militärjunta 1984. Doch die Mühlen dieser politischen Justiz mahlen sehr langsam.

    In Markus Vetters Film verfolgen wir das Verfahren gegen den kongolesischen Warlord Thomas Lubanga, der schließlich zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Dieser Prozess steht im Zentrum des Dokumentarfilms von Marcus Vetter über die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofes, der nicht verwechselt werden darf mit dem älteren Internationalen Gerichtshof, der seit 1945 für die UN vorwiegend Gutachtertätigkeiten ausübt und Streitigkeiten zwischen Staaten schlichten soll. Die Arbeit ist ein zähes Ringen um Ansehen, Beweise und Kompetenzen. Das entscheidende Manko der Institution ist: die größten Länder der Erde: China, die USA und Russland gehören nicht wie zum Beispiel Deutschland zu den Unterzeichnern.

    "Das Problem ist, die größten Länder der Erde befinden außerhalb meiner Zuständigkeit. Weil sie diesen Vertrag nie unterzeichnet haben. Kann ich das ändern? Nein. Für mich ist es schon ein Wunder, dass 116 Ländern diesen Vertrag unterzeichnet haben"

    Ocampo wird als tapferer Streiter für die Menschenrechte porträtiert und genießt auch offensichtlich den Starstatus, den Vetter ihm gewährt. Dafür bekommt der Filmemacher tiefe Einblicke in die Funktionsweise des Gerichts, das sich besonders strikt an Recht und Gesetz halten muss. Das wird auch klar, als eine Delegation der Palästinenser anreist und ihr klar gemacht wird, dass sie erst von der UN als Staat anerkannt werden müssen, bevor sie in Den Haag klagen können. Spannend an diesem Film ist besonders, wie ein Rädchen ins andere greift, wie die Mitarbeiter mit ihrem Chef zusammenarbeiten, auch wenn es gelegentlich ein bisschen wie ein Dokumentarfilm nach Drehbuch wirkt.

    Und dann sitzen die Ankläger und Verteidiger in einem kargen Raum hinter ihren Computerbildschirmen und bringen ihre Beweise gegen Lubanga vor, der sich vorkommt, als sei er im falschen Film. Zeitgleich läutet der Aufstand in Libyen das Ende von Muhammar al Ghaddafis Diktatur ein und es stellt sich die Frage, ob sein Sohn Saif nicht dem ICC überstellt werden soll. Ocampo reist zu Verhandlungen nach Libyen. Schließlich muss der Weltgerichtshof zäh und unnachgiebig immer weiter um Zustimmung werben.

    Sein Ziel: Kriegsverbrecher und Völkermörder sollen sich nicht mehr sicher fühlen. Sie sollen verurteilt und bestraft werden. Ein Film wie ein Flugblatt, aber einer, der zeigt, dass es sich lohnt, genau hinzuschauen und dass auch komplizierte Verfahren emotionalisiert und erklärbar im Film gezeigt werden können. Der Höhepunkt des Films gehört zweifelsohne Benjamin Ferencz, dem einstigen Chefankläger des Einsatzgruppenprozesses in der Nachfolge der Nürnberger Prozesse, dem Moreno Ocampo das Abschlusswort der Anklage gegen Lubanga überlässt.

    "Dies ist ein historischer Moment. Ich bin jetzt in meinem 92. Jahr. Ich hab mein Leben in der Welt des Gesetzes verbracht. Ich fühle mich geehrt, hier den Chefankläger zu vertreten und damit die Bedeutung dieses Prozesses zu betonen."