Archiv

Jahreswirtschaftsbericht
Binnennachfrage als Säule

Die Bundesregierung hat die Wachstumsprognose für 2014 in ihrem Jahreswirtschaftsbericht leicht erhöht - auch dank einer erhöhten Binnennachfrage. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will den Kurs mit Änderungen im Arbeitsmarkt fortsetzen.

Von Theo Geers |
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (dpa / picture-alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Es sind ist weniger die Zahl als die Handschrift, die auffällt - denn die Handschrift dieses Jahreswirtschaftsberichts ist sozialdemokratisch. Sigmar Gabriel, der Wirtschaftsminister, erhöht die Wachstumsprognose für dieses Jahr der Regierung nur leicht von 1,7 auf 1,8 Prozent. Eine Veränderung, die sich bei einer Prognose im statistischen Fehlerbereich bewegt. Ähnlich verhält es sich mit dem weiteren Anstieg des Wachstums auf 2 Prozent Wachstum im kommenden Jahr. Beides reicht in jedem Fall für einen neuen Beschäftigungsrekord - in diesem Jahr dürften mit 42,1 Millionen Menschen noch einmal 240.000 mehr einen Job haben als 2013.
    Fachkräftemangel und Energiepraise als Herausforderungen
    Sigmar Gabriel ordnet diese Zahlen so ein: "Deutschland hat gute wirtschaftliche Perspektiven, auch in den kommenden Jahren. Aber niemand sollte glauben, dass das sozusagen selbstverständlich ist." Denn es lauern auch Risiken, auch daraus macht der Wirtschaftsminister keinen Hehl: "Das ist natürlich zu allererst die Entwicklung in Europa und an den internationalen Finanzmärkten. Wir müssen ein Interesse daran haben, noch mehr dafür zu sorgen, dass Europa auf einen Wachstumspfad zurückkehrt. Aber es gibt auch nationale Herausforderungen. Das Thema Fachkräfte, die Frage - natürlich - der Energiepreisentwicklung, die zu geringe Investitionsquote, öffentlich wie privat. Und auch die öffentlich Infrastruktur."
    Dennoch: In diesem Jahr sorgt die gute konjunkturelle Lage dafür, dass die Binnennachfrage zur tragenden Säule des Aufschwungs wird. Das wiederum - und hier wird es sozialdemokratisch - soll auch so bleiben: Der neue Mindestlohn von 8,50 Euro, die geplanten Änderungen bei der Zeitarbeit oder bei Leih- und Werkverträgen - all dies soll über steigende Löhne diese Binnennachfrage weiter stärken, so Sigmar Gabriel: "Wir sind sehr dafür, und freuen uns darüber, dass die Binnennachfrage - die zustande kommt durch höhere Löhne und Einkommensentwicklung in Deutschland - zur wichtigsten Stütze der wirtschaftlichen Entwicklung geworden ist. Der Export ist nach wie vor wichtig. Aber durch die gute Einkommensentwicklung haben wir auch mehr Importe. Und die haben was damit zu tun, dass Menschen höhere Einkommen haben, dass Tarif abschlüsse besser waren und dass wir seit 2010 die grüßte Steigerung der Reallöhne erwarten in Deutschland. Und ich glaube, dass das auch vernünftig ist."
    Ausdrücklich korrigierte Gabriel hiermit auch die aus seiner falsche Interpretation, er als sozialdemokratischer Wirtschaftsminister fordere die Gewerkschaft zur Lohnzurückhaltung auf. Natürlich müssten Produktivität und Lohnhöhe miteinander korrespondieren, damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch erhalten bleibt. Das aber habe Gabriel schon im ersten Fortbildungsseminar bei der IG Metall gelernt, versicherte Gabriel.
    Kritik von den Linken, Lob von der Union
    Kritik am Jahreswirtschaftsbericht kommt vor allem von den Linken. "Zehn Prozent mehr Geld für Abgeordnete, aber Maßhalteappelle für Arbeitnehmer, das geht nicht", kritisierte der Parteivorsitzende der Linken, Bernd Riexinger. Und Gregor Gysi, der Fraktionschef, glaubt, die Regierung mache sich mit ihrem Zahlenwerk auch Illusionen: "Die eine Illusion besteht darin, dass sie noch gar nicht genau einschätzen kann, welche Folgen der Sozialabbau und damit auch der Kaufkraftabbau im Süden Europas für unsere Wirtschaft hat. Das zweite ist, dass es weitere Entwicklungen gibt - in der Welt, im Nahen Osten, überall - die auch nicht genau eingeschätzt werden können."
    Lob - verbunden mit einer Warnung - kommt dagegen vom Koalitionspartner. Die hervorragende Wirtschaftsprognose dürfe etwa durch die Pläne für den Arbeitsmarkt - Stichwort Mindestlohn und anderes - nicht aufs Spiel gesetzt werden, warnen die CDU-Wirtschaftsexperten Joachim Pfeiffer und Christian von Stetten.