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Jeden Monat ein neues Unternehmen

Vor einem halben Jahr beschloss Jan Thiele, ein zweites Leben zu führen. Seitdem besucht der Student der TU Chemnitz nicht mehr nur Seminare in Berufs- und Wirtschaftspädagogik, sondern entwickelt auch Kommunikationsstrategien, führt Kundengespräche und gestaltet Werbeauftritte. Zusammen mit dem Germanistik-Studenten Volker Tzschucke hat der 23-Jährige die Kommunikationsagentur "BurgEins" gegründet. Von Anfang an bauten die beiden auf die Unterstützung des Lehrstuhls "Unternehmensgründung" an ihrer Uni. Jan Thiele berichtet über die Starthilfe:

Von Carsten Heckmann |
    In unserem konkreten Fall war es der Vorteil, dass die Mitarbeiter hier am Lehrstuhl wirklich aus der Mitunternehmerperspektive beraten, also dass sie nicht einfach Beratungskonzepte aus der Schublade nehmen, die man auch in jedem BWL-Buch finden könnte, sondern dass sie halt basierend auf ihren Erfahrungen als Unternehmer wirklich beraten können. Zum Beispiel haben wir einen Workshop für Neukunden, in dem wir unsere Konzepte erklären, und diesen Workshop haben wir auch den Mitarbeitern hier vorgeführt. Die haben sich wirklich Zeit dafür genommen und haben uns dann natürlich auch, eben aus der Perspektive eines Unternehmers, genau beraten können, was daran verbesserungsfähig wäre und in welche Richtung so was gehen kann.

    Der Inhaber des Gründer-Lehrstuhls hat selbst als BWL-Student sein erstes Technologie-Unternehmen auf die Beine gestellt und ist immer noch als Unternehmer tätig. Professor Olaf Gierhake kennt die Anfängerprobleme also in der Tat aus eigener Erfahrung. Studierende, sagt er, könnten das Unternehmerdasein viel leichter ausprobieren als langjährige Angestellte mit eigener Familie. Dennoch ist der Nachwuchs nur ein Teil von Gierhakes Zielgruppe. Der 37-Jährige will vor allem Wissenschaftler dazu animieren, den Weg in die Wirtschaft zu gehen.

    Diese Mitarbeiter beschäftigen sich ja tagtäglich mit Forschung, und Forschung ist etwas Neues. Und wenn man etwas Neues entdeckt, dann liegt es nahe, dass das eben nicht nur im Bereich der Forschung neu ist, sondern dass man auch auf den Märkten neue Ecken entdecken kann, auf denen man sich eben auch unternehmerisch entfalten kann, und insofern bietet sich das an – übrigens neben den Hochschulen durchaus auch in den anwendungsorientierten Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer Gesellschaft und Leibniz-Gesellschaft. Diese Einrichtungen haben auch noch deutlich mehr Potenzial nach meiner Einschätzung als das gegenwärtig genutzt wird.

    Das Potenzial an der eigenen Einrichtung scheint dank Gierhake immer besser genutzt zu werden. 44 Gründungen aus technologienahen, aber auch anderen Bereichen hat der Lehrstuhl beratend begleitet, seit er vor zwei Jahren von der Sparkasse Chemnitz gestiftet wurde. In der Stadt Chemnitz sind jährlich rund 1000 Existenzgründungen zu verzeichnen. Im Vergleich dazu wirken 44 innerhalb von zwei Jahren wenig. Aber die TU verbucht ihre Zahl als großen Erfolg – und bekommt auch großes Lob. Als "erfolgreichste Gründer-Uni Deutschlands" wird die Hochschule vom Bundesforschungsministerium gepriesen. Den Ehrentitel "Aktivste Hochschule Sachsens" errang sie im Businessplan-Wettbewerb der Sächsischen Aufbaubank. Inzwischen ist der Lehrstuhl auch an Hochschulen in Zwickau und Mittweida aktiv und wird bundesweit um Rat gefragt. Einfach haben es die Wissenschaftler nirgendwo, weiß Olaf Gierhake, selbst wenn sie es bereits gewohnt sind, Fördertöpfe anzuzapfen:

    Wenn man unternehmerisch aktiv ist, dann bewirbt man sich nicht auf einen Topf, der irgendwo schwebt, und man muss nur besser sein als die anderen und bekommt dann das Geld, sondern man muss sich seine Töpfe zum Teil selber schaffen. Das heißt also, man muss sich wirklich die Mühe machen, die Bedarfe der Kundschaft zu explorieren, herauszufinden, wo ist denn ein tatsächlicher Schmerz, möglichst ein Schmerz, der mit Geld bewertet ist, also wo irgendjemand bereit ist, Geld dafür auszugeben. Und das ist etwas, was dem Urwesen des Forschers nicht sehr nahe ist.

    Dass ein Forscher dennoch als Firmeninhaber Erfolg haben kann, wird auch ein "Unternehmerparkplatz" zeigen, den Gierhake und seine Mitarbeiter noch in der ersten Jahreshälfte organisieren wollen. Die vom Lehrstuhl betreuten Unternehmen sollen sich dort allesamt vorstellen – für sie selbst natürlich auch eine Gelegenheit, Gründungsunwillige anzusprechen. Schließlich brauchen sie talentierte Mitarbeiter.