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"Jeder Tag kann fatal sein"

Das grenznahe französische Atomkraftwerk Fessenheim sorgte immer wieder für Schlagzeilen. Auf beiden Seiten des Rheins forderten Kernkraftgegner die Schließung des Pannenreaktors. Nun versprach Präsident Francois Hollande das Ende bis 2016. Die Reaktionen im Elsass sind geteilt.

Von Suzanne Krause | 25.09.2012
    "Das Atomkraftwerk Fessenheim, die älteste Anlage unserer Atomparks, wird Ende 2016 geschlossen."

    François Hollandes Ankündigung zum Auftakt der Umwelt- und Energiekonferenz hat im Atomstromstaat Frankreich schlicht Premierencharakter.

    "Die Schließung wird unter Bedingungen stattfinden, die die Sicherheit der regionalen Stromversorgung ebenso garantieren wie den Strukturwandel und den Erhalt sämtlicher Arbeitsplätze. Wir sollten Fessenheim gar international zu einem Modell des erfolgreichen Rückbaus machen."

    Doch wie Hollandes Ankündigung konkret umgesetzt werden soll, scheint noch weithin unklar. Im 24-seitigen Positionspapier des Ministeriums für nachhaltige Entwicklung, Bilanz der Umwelt- und Energiekonferenz, wird Fessenheim lediglich mit einem Satz erwähnt: in den kommenden Wochen werde eine Person bestimmt, die konzertierte Gespräche betreffs der Umwandlung des Standorts Fessenheim einleiten solle. Mehrfache Bitten um ein Interview zu Details beim Ministerium für nachhaltige Entwicklung bleiben unbeantwortet. Das Thema Fessenheim scheint weiterhin ein heißes Eisen.

    "Für uns ist 2016 zu spät, um es abzustellen."

    Jean-Marc Rettig vom "Comite pour la sauvegarde de Fessenheim", einer 1970 gegründeten elsässischen Bürgerinitiative gegen das Atomkraftwerk.

    "Jeder Tag kann fatal sein. Das heißt, jeder Tag Laufzeit ist zu viel, denn ein schwerer Unfall kann auch hier geschehen."

    Für Umweltschützer ist die Anlage ein Pannenreaktor: Anfang September, eine Woche vor der Umwelt-Konferenz, sorgte Fessenheim für Schlagzeilen, als dort zwei Arbeiter beim unsachgemäßen Umgang mit Chemikalien verletzt wurden. Ein Vorfall mehr auf der langen Liste seiner Stör- und Unfälle.

    "Die Schließung von Fessenheim ist überstürzt", meint hingegen Bernard Thibaut, Chef der kommunistischen Gewerkschaft CGT. Die Debatten zur Neudefinition des nationalen Energiemix würden ja gerade erst beginnen. Auch beim Betreiber des Atomstromparks, EDF, gärt es. "Sturm bei EDF gegen die Schließung von Fessenheim", titelt die Tageszeitung Le Figaro letzten Donnerstag. Und veröffentlicht einen Brief an die Angestellten des Atomkraftwerks - unterzeichnet von sämtlichen Direktoren des restlichen Atomparks. Die das Aus für Fessenheim als "tiefe Ungerechtigkeit" bezeichnen. Ein bislang beispielloses Vorgehen. EDF beeilt sich, klarzustellen, es handele sich dabei um eine "private Initiative". Der Betriebsrat von EDF gibt am vergangenen Freitag eine von ihm in Auftrag gegebene Studie heraus. Laut der würde die Zahl der Arbeitsplätze im Atomkraftwerk bei einer Schließung von bislang Tausend auf 150 runter schmelzen. Und regional stünden insgesamt 2200 Jobs auf der Kippe. Dabei hatte Arbeitsminister Michel Sapin kurz zuvor versichert, der Rückbau böte Chancen für neue Jobs.

    Das elsässische Kernkraftwerk bleibt Zentrum einer politischen Schlacht. Juristisch klare Vorlagen für eine Schließung aus politischen Gründen gibt es keine. Die Atomaufsichtsbehörde ASN hat im vergangenen Januar Fessenheim für seinen Reaktor Nummer Eins zehn Jahre Laufzeitverlängerung zugestanden – insofern bis Juni 2013 umfassende und mehrere Milliarden Euro teure Sicherheitsnachrüstungen durchgeführt werden. Arbeiten und Investitionen, die EDF in Angriff zu nehmen versprach. Verknüpft mit dem kaum verhohlenen Wunsch, damit Druck für das Weiterlaufen der Atomanlage, über Ende 2016 hinaus, machen zu können. Jean-Marc Rettig von der elsässischen Anti-AKW-Bewegung sagt: Solange nicht in Hollandes Amtszeit mit dem Abbau der Anlage konkret begonnen werde, solange glaube er nicht an das Aus für Fessenheim.