Archiv


Jenoptik schreibt Verluste und der Dauerstreit zwischen Brüssel und Berlin

Die Themen: Jenoptik schreibt erstmals seit dem Börsengang Verluste. Dauerstreit zwischen Brüssel und Berlin um das VW-Gesetz vorerst entschärft, nachdem EU-Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein das Verfahren gegen das Regelwerk auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Über das bisher gespannte Verhältnis äußert das die Vermutung:

    Vielleicht gerät Deutschland nur deshalb so oft ins Visier des niederländischen Kommissars, weil die größte Volkswirtschaft Europas im Spannungsfeld zwischen nationalen Regelungen und europäischer Rahmengesetzgebung statistisch gesehen nun mal die meisten Probleme aufwirft. Kein anderes Mitglieds- land hat wegen Verletzung der Binnenmarkt-Spielregeln so viele Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof am Hals wie Deutschland. Zwischen der Binnenmarkt-Behörde und der Bundesregierung stimmt die Chemie nicht.

    Die FRANKFURTER RUNDSCHAU spekuliert über die Motive Bolkesteins für seinen Rückzieher mit zwei Fragen:

    Sieht der im Brüsseler Kollegenkreis schon mehrfach Gerüffelte seine Felle davon schwimmen? Oder denkt der rüstige Siebziger bereits an seine weitere berufliche Zukunft? Er würde gerne eine weitere Amtszeit in Brüssel dranhängen, hat Bolkestein rein zufällig gestern wieder streuen lassen. Da kann es nicht schaden, rechtzeitig auch mal Kreise zu fressen.

    Der Hochtechnologie-Konzern Jenoptik in Jena hat im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit dem Börsengang einen Verlust erwirtschaftet. Vorstandschef Alexander von Witzleben will deshalb das Unternehmen umstrukturieren und denkt auch an Teilverkäufe. Mehrere hundert Arbeitsplätze sind dadurch bedroht.

    Die BÖRSEN-ZEITUNG schreibt:

    Allzu viele Baustellen hatten sich über die Jahre unter der Ägide des baden-württembergischen 'Cleverle' Lothar Späth, angesammelt. Deren Räumung konnte nicht mehr ohne merkliche Spuren in der Gewinn- und Verlustrechnung bewältigt werden. Gleichwohl ist zu fragen, warum erst seit dem Wechsel an der Spitze der Umbau in dem zusammengekauften Konglomerat stattfindet. Dieser Koloss setzt riesige Volumina um, verdient aber selbst in guten Zeiten wenig. Ein Wandel ist überfällig.

    Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE erinnert:

    Alexander von Witzleben hat den Anlagenbau stets zugunsten des sichereren Optoelektronik-Geschäfts zurückdrängen wollen und hier erste Erfolge erzielt. Die Kapitalmärkte, die Witzleben durch die positive Aufnahme neuer Jenoptik-Papiere schon einmal ihr Vertrauen aussprachen, zeigen auch jetzt Zuversicht. Die angekündigte Straffung und Asien-Fokussierung im Anlagenbau gilt als richtig, um den Turnaround zu schaffen. Doch der Umbau zahlt sich nur dann aus, wenn die Elektronikindustrie wirklich anspringt und externe Schocks wie Sars in diesem Jahr ausbleiben. Die Anleger haben Geduld mit Jenoptik, aber nicht unbegrenzt.