Ist ein Dialog mit dem Islam noch möglich? Wurden die Terroranschläge in den USA nicht im Namen des Islam verübt? Und predigt der Islam nicht den "Heiligen Krieg"? Fragen, die sich seit dem 11. September immer wieder aufdrängen und deren Beantwortung pauschal und klischeehaft ausfällt. Damit aber gerade diese oft nur an der Oberfläche skizzierten Antworten nicht weiterhin unser Verhältnis und unsere Wahrnehmung von muslimischen Gesellschaften prägen, entschlossen sich die Autoren Jochen Hippler und Andrea Lueg, ihr bereits 1993 erschienenes Buch in überarbeiteter Form erneut herauszugeben.
"Feindbild Islam oder Dialog der Kulturen", so lautet der Titel des Buches, das kürzlich neu erschienen ist. Schon in der Erstausgabe widmeten sich Hippler und Lueg ausführlich der Feindbildproduktion nach dem Ende des Kalten Krieges. Feindbilder, die während des Kommunismus als Begründung für die eigene militärische Hochrüstung oder Interventionen in der Dritten Welt herhalten mussten. Mit einer detaillierten und politischen Analyse zeigten sie auf, dass nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime das neue Feindbild "Islam" hieß.
Dem Politikwissenschaftler Hippler und der Journalistin Lueg ging es jedoch nicht um das einfache wie banale Resümee der politischen Aussage, dass der Islam das neue Feindbild ist. Sie zeigen auf, dass Feindbilder vor allem etwas über das eigene, in diesem Falle das "westliche" Denken, aussagen.
So erfährt der Leser zum Beispiel, dass Papst Innozenz III. in Mohammed das Tier der Apokalypse und Dante in dem Propheten den ewigen Höllenbewohner sah. Heute hingegen stünde für die meisten im Westen fest, dass muslimische Fundamentalisten Allahs Schwert gezückt haben, sobald an irgendeinem Ort der islamischen Länder eine Bombe explodiert. Dass aber der Westen durch die Feindbildproduktion "Islam" am Orient seine eigene Aufklärung, seine eigene Unabhängigkeit von der Herrschaft der Religion erneut beweisen wolle, werde übersehen. Schließlich, so ist nachzulesen, verzichten Menschen nur ungern auf einmal gefundene Feindbilder, da diese das Bedürfnis nach positiver sozialer Identität tragen und zur banalen Unterscheidung zwischen uns, den "Guten", und den schlechten anderen führen und so unser eigenes Selbstwertgefühl stärken. Aber:
Wenn man den Papst, den deutschen Bundeskanzler, die Nazis, Verona Feldbusch, bayrische Schützenvereine und amnesty international alle als "Ausdruck westlicher Kultur" zusammenfassen wollte - das wäre sicher nicht falsch, aber was sollte dies aussagen? Kaum mehr als die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der westlichen Kultur.
Ein Feindbild ignoriert somit die Komplexität und Vielfalt der Realität, reduziert sie auf ein emotionalisiertes, abwertendes Schwarz-Weiß-Schema und stellt die eigene Kultur oder Identität über die jeweils andere. Ein Vorgang, von dem sich auch die Medien nicht freisprechen können. "Wir haben überhaupt keine Ahnung gehabt, was islamische Kultur und Religion bedeuten", lautete dieses ehrliche Eingeständnis des ZDF-Intendanten Dieter Stolte im Februar 2002 über die Defizite in der Fernsehberichterstattung zum Islam vor dem 11. September 2001.
Dieser Satz verdeutlicht, dass Berichte über den Islam im deutschen Fernsehen selten zu sehen und wenig erhellend sind. Andreas Cichowicz, Fernseh-Auslandschef beim NDR und Moderator des ARD-Weltspiegels, fasst seine sechsjährige Tätigkeit als Korrespondent für die Arabische Welt in Kairo folgendermaßen zusammen:
Der Islam ist ein Rätsel, das Thema für die Zuschauer nicht attraktiv - und: Das Fernsehen interessiert sich in der Regel nur für eine Spielart - den politischen Islam. Bei der Bestätigung von Vorurteilen spielt das Fernsehen noch immer eine entscheidende Rolle. Was das Fernsehen ursprünglich auszeichnete, ist inzwischen zu einem Fluch geworden - es hat von Anfang an über das Aufkommen des politischen Islam berichtet und im Bewusstsein der Zuschauer eins zementiert: Islam ist gleich politischer Islam. Dabei sind die Kenntnisse über den Koran unbefriedigend, mit Vorliebe konzentriert man sich auf Reizthemen des Islam, vermittelt eine fast reine westliche Perspektive und bestätigt dabei in der Summe den Eindruck: Moslem = Araber = potentieller Terrorist.
Insgesamt acht Autoren aus den Bereichen der Medien, Politik- und Islamwissenschaften behandeln in bemerkenswert einfacher wie verständlicher Sprache die Thematik. Dabei geht es in den elf gut ausgearbeiteten Beiträgen nicht um den Islam selbst. Vielmehr wird dem Leser das eigene, das westliche Denken mit der scheinbar unausweichlichen Notwendigkeit von Feindbildern vor Augen geführt. Politiker, Intellektuelle, Journalisten oder Kritiker benutzen sie, um so auf die vermeintliche Bedrohung seitens des Islam hinzuweisen. Hippler und Lueg stellen in ihrem komplett überarbeiteten Buch die These auf, dass gerade sie, anstatt zu differenzieren, mit einer "intellektuellen Scheinalternative" einen erheblichen Teil dazu beitragen, dass populäre Feindbilder entstehen. Denn der 11. September hat gezeigt, dass -Zitat- "Kollegen zu Quellen, Bezugspunkten und Kronzeugen von Kollegen werden, weil es einfach in das Denk-und Erfahrungsschema der Redakteure passt".
Daher sei der Abbau des Feindbildes Islam kein Schritt in Richtung Kritiklosigkeit, sondern geradezu eine Voraussetzung für eine ernsthafte Kritik. Die Herausgeber zielen dabei nicht auf eine Verharmlosung islamistischer oder fundamentalistischer Gewalt. Sie zeigen vielmehr die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Widersprüche und Tendenzen im Nahen und Mittleren Osten auf, auf denen der Islamismus oder Fundamentalismus basiert.
Um in Anbetracht der Ereignisse in den USA und der zunehmenden Instrumentalisierung des Feindbildes Islam die Frage, ob denn ein Dialog mit dem islamischen Kulturkreis noch möglich ist, beantworten zu können, geht der Friedensforscher Hippler auf die europäische Politik und Geschichte ein:
Wenn man halt mit Leuten, mit Intellektuellen, mit Politikern, mit Journalisten, Wissenschaftlern in islamischen Ländern spricht. ... Dann ist es häufig so, dass diese Leute einen fragen, was will der Westen eigentlich von uns? Der Westen möchte unsere Energieressourcen, möchte unser Öl. Dass ist das Wichtigste. ... Und wenn es dem Westen nützt, dann werden noch die blutigsten Diktatoren unterstützt, politisch unterstützt, mit Waffen unterstützt - gegen die eigene Bevölkerung. Und gleichzeitig belehrt man uns über Demokratie und Menschenrechte. D.h. man wirft dem Westen Heuchelei vor. Und wenn wir jetzt dagegen argumentieren, dass Menschenrechte wichtig sind und Toleranz wichtig ist, die Aufklärung was Wunderbares. Dann haben diese Argumente zwar Recht, nur sie sind nicht wirklich hilfreich, weil die Erfahrung der Menschen in diesen Ländern eben daran besteht, dass die amerikanische, die französische und andere Regierungen sich eben nur dann für Menschenrechte einsetzen, wenn es ihnen nützlich erscheint. ... Da haben wir das Problem, dass diese Worte, ja diese Worte der Verständigung in der Region oft nicht geglaubt werden können, weil sie durch praktische Politik einfach immer widerlegt werden. Und deswegen ist es wichtig, dass wir an solchen Dialogen nicht nur auf der Ebene des Geredes und Sonntagsreden führen..., sondern dass es auch Folgerungen in der westlichen Politik haben muss.
Die westliche Politik, ihre Einstellung zu und ihr politischer Umgang mit den islamischen Ländern sind es schließlich auch, die laut Hippler dazu beitragen, dass der Islam zu einer Fiktion gemacht wird, die von westlichen Besserwissern und islamischen Möchtegern-Erlösern gleichermaßen instrumentalisiert wird.
Zudem verweist der Politikwissenschaftler auf die knapp 14 Mio. im Orient beheimateter Christen, die oft dazu beitragen, das Feindbild Islam aufrecht zu erhalten. Dass der Durchschnittsbürger hierzulande, dem der Islam ohnehin fremd ist, diesen als eine Bedrohung empfindet, ist nahe liegend. Somit zielt die Kritik des Buches auf die deutsche wie westliche Außenpolitik, da diese die Feindbilder nicht von den Ursachen her bekämpft, sondern für eigene Ziele benutzt.
... Normalerweise interessieren sich die Leute bei uns für Preissteigerung, für Arbeitslosigkeit, für Rentenversicherung... Alles sehr vernünftige, wichtige Dinge. Während halt die Frage von Außenpolitik eben nur ein paar kleine Eliten verfolgen. Und dadurch gibt’s natürlich die Möglichkeit für Regierungen, Dinge zu tun, ohne dass ihnen die eigene Bevölkerung oder die eigenen demokratischen Mechanismen wirklich zu sehr auf die Finger schauen.
Das Buch verdeutlicht, dass Feindbilder mehr über ihre Produzenten als über den vermeintlichen Gegner aussagen. So wird z.B. dem Fernseh-Zuschauer nicht vermittelt, dass Korrespondentenberichte aus Israel zum Teil einer Militärzensur unterliegen und somit oft das Feindbild - Araber gleich potentieller Terrorist - gezwungenermaßen aufrechterhalten. Doch das eigentliche Problem des Feindbildes Islam, so Hippler, ist nicht der Glaube bzw. die Religion, auf die Fundamentalisten reduziert werden, sondern ihre Verbrechen. Weil aber Feindbilder Klischees an die Stelle der Realität setzen, dominieren in unseren Köpfen visuelle Klischee-Bilder, die eine Unterscheidung zwischen wirklichen und eingebildeten Problemen nicht zulassen. Denn ...
... Fanatismus und Beschränktheit bei uns schaffen wir immer als ne Ausnahme zu betrachten. Bei den anderen aber glauben wir aber, dass das die Regel ist. Die Muslime an sich sind halt vernagelt, religiös und fanatisch. Aussagen, die man zu Juden oder Christen nicht machen würde.
Ein Prozess, mit dem Konflikte zugleich herbeigeredet wie unlösbar gemacht werden. Im Gegensatz zu den medienwirksamen und verkaufsfördernden Islambüchern bestätigt das vorliegende Buch nicht die verbreitete Annahme, dass es mit dem Islam keinen Dialog gebe könne. Es verweist vielmehr darauf, dass der Dialog durch die Attentate in den USA noch schwieriger geworden ist.
Neu ist die Akzentverschiebung, um auf die praktischen Möglichkeiten des Dialogs einzugehen. Hippler und Lueg verschaffen durch die ausgewählten Beiträge einen Überblick auf das unübersichtliche Feld der Gesellschaftsdialoge, bei denen tatsächlich Gesellschaften in Europa und im Westen mit Gesellschaften im Nahen Osten einen Austausch pflegen.
Die Analyse des Verhältnisses zwischen dem Westen und islamisch geprägten Ländern ist nicht neu. Gleichwohl hält der Leser mit dieser zweiten Auflage ein Buch in den Händen, das nicht nur durch seine politischen Analysen brilliert, sondern auch die politischen Mechanismen so manch komplizierter Sachverhalte verdeutlicht. Ein insgesamt gelungenes wie informatives und für jedermann zugängliches Buch, bei dem lediglich drei Beiträge unverändert blieben, da diese historische Fragen beinhalten.
"Feindbild Islam. Oder: Dialog der Kulturen". Herausgegeben von Jochen Hippler und Andrea Lueg im Konkret Literatur Verlag Hamburg, 237 Seiten für 17 Euro.
"Feindbild Islam oder Dialog der Kulturen", so lautet der Titel des Buches, das kürzlich neu erschienen ist. Schon in der Erstausgabe widmeten sich Hippler und Lueg ausführlich der Feindbildproduktion nach dem Ende des Kalten Krieges. Feindbilder, die während des Kommunismus als Begründung für die eigene militärische Hochrüstung oder Interventionen in der Dritten Welt herhalten mussten. Mit einer detaillierten und politischen Analyse zeigten sie auf, dass nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime das neue Feindbild "Islam" hieß.
Dem Politikwissenschaftler Hippler und der Journalistin Lueg ging es jedoch nicht um das einfache wie banale Resümee der politischen Aussage, dass der Islam das neue Feindbild ist. Sie zeigen auf, dass Feindbilder vor allem etwas über das eigene, in diesem Falle das "westliche" Denken, aussagen.
So erfährt der Leser zum Beispiel, dass Papst Innozenz III. in Mohammed das Tier der Apokalypse und Dante in dem Propheten den ewigen Höllenbewohner sah. Heute hingegen stünde für die meisten im Westen fest, dass muslimische Fundamentalisten Allahs Schwert gezückt haben, sobald an irgendeinem Ort der islamischen Länder eine Bombe explodiert. Dass aber der Westen durch die Feindbildproduktion "Islam" am Orient seine eigene Aufklärung, seine eigene Unabhängigkeit von der Herrschaft der Religion erneut beweisen wolle, werde übersehen. Schließlich, so ist nachzulesen, verzichten Menschen nur ungern auf einmal gefundene Feindbilder, da diese das Bedürfnis nach positiver sozialer Identität tragen und zur banalen Unterscheidung zwischen uns, den "Guten", und den schlechten anderen führen und so unser eigenes Selbstwertgefühl stärken. Aber:
Wenn man den Papst, den deutschen Bundeskanzler, die Nazis, Verona Feldbusch, bayrische Schützenvereine und amnesty international alle als "Ausdruck westlicher Kultur" zusammenfassen wollte - das wäre sicher nicht falsch, aber was sollte dies aussagen? Kaum mehr als die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der westlichen Kultur.
Ein Feindbild ignoriert somit die Komplexität und Vielfalt der Realität, reduziert sie auf ein emotionalisiertes, abwertendes Schwarz-Weiß-Schema und stellt die eigene Kultur oder Identität über die jeweils andere. Ein Vorgang, von dem sich auch die Medien nicht freisprechen können. "Wir haben überhaupt keine Ahnung gehabt, was islamische Kultur und Religion bedeuten", lautete dieses ehrliche Eingeständnis des ZDF-Intendanten Dieter Stolte im Februar 2002 über die Defizite in der Fernsehberichterstattung zum Islam vor dem 11. September 2001.
Dieser Satz verdeutlicht, dass Berichte über den Islam im deutschen Fernsehen selten zu sehen und wenig erhellend sind. Andreas Cichowicz, Fernseh-Auslandschef beim NDR und Moderator des ARD-Weltspiegels, fasst seine sechsjährige Tätigkeit als Korrespondent für die Arabische Welt in Kairo folgendermaßen zusammen:
Der Islam ist ein Rätsel, das Thema für die Zuschauer nicht attraktiv - und: Das Fernsehen interessiert sich in der Regel nur für eine Spielart - den politischen Islam. Bei der Bestätigung von Vorurteilen spielt das Fernsehen noch immer eine entscheidende Rolle. Was das Fernsehen ursprünglich auszeichnete, ist inzwischen zu einem Fluch geworden - es hat von Anfang an über das Aufkommen des politischen Islam berichtet und im Bewusstsein der Zuschauer eins zementiert: Islam ist gleich politischer Islam. Dabei sind die Kenntnisse über den Koran unbefriedigend, mit Vorliebe konzentriert man sich auf Reizthemen des Islam, vermittelt eine fast reine westliche Perspektive und bestätigt dabei in der Summe den Eindruck: Moslem = Araber = potentieller Terrorist.
Insgesamt acht Autoren aus den Bereichen der Medien, Politik- und Islamwissenschaften behandeln in bemerkenswert einfacher wie verständlicher Sprache die Thematik. Dabei geht es in den elf gut ausgearbeiteten Beiträgen nicht um den Islam selbst. Vielmehr wird dem Leser das eigene, das westliche Denken mit der scheinbar unausweichlichen Notwendigkeit von Feindbildern vor Augen geführt. Politiker, Intellektuelle, Journalisten oder Kritiker benutzen sie, um so auf die vermeintliche Bedrohung seitens des Islam hinzuweisen. Hippler und Lueg stellen in ihrem komplett überarbeiteten Buch die These auf, dass gerade sie, anstatt zu differenzieren, mit einer "intellektuellen Scheinalternative" einen erheblichen Teil dazu beitragen, dass populäre Feindbilder entstehen. Denn der 11. September hat gezeigt, dass -Zitat- "Kollegen zu Quellen, Bezugspunkten und Kronzeugen von Kollegen werden, weil es einfach in das Denk-und Erfahrungsschema der Redakteure passt".
Daher sei der Abbau des Feindbildes Islam kein Schritt in Richtung Kritiklosigkeit, sondern geradezu eine Voraussetzung für eine ernsthafte Kritik. Die Herausgeber zielen dabei nicht auf eine Verharmlosung islamistischer oder fundamentalistischer Gewalt. Sie zeigen vielmehr die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Widersprüche und Tendenzen im Nahen und Mittleren Osten auf, auf denen der Islamismus oder Fundamentalismus basiert.
Um in Anbetracht der Ereignisse in den USA und der zunehmenden Instrumentalisierung des Feindbildes Islam die Frage, ob denn ein Dialog mit dem islamischen Kulturkreis noch möglich ist, beantworten zu können, geht der Friedensforscher Hippler auf die europäische Politik und Geschichte ein:
Wenn man halt mit Leuten, mit Intellektuellen, mit Politikern, mit Journalisten, Wissenschaftlern in islamischen Ländern spricht. ... Dann ist es häufig so, dass diese Leute einen fragen, was will der Westen eigentlich von uns? Der Westen möchte unsere Energieressourcen, möchte unser Öl. Dass ist das Wichtigste. ... Und wenn es dem Westen nützt, dann werden noch die blutigsten Diktatoren unterstützt, politisch unterstützt, mit Waffen unterstützt - gegen die eigene Bevölkerung. Und gleichzeitig belehrt man uns über Demokratie und Menschenrechte. D.h. man wirft dem Westen Heuchelei vor. Und wenn wir jetzt dagegen argumentieren, dass Menschenrechte wichtig sind und Toleranz wichtig ist, die Aufklärung was Wunderbares. Dann haben diese Argumente zwar Recht, nur sie sind nicht wirklich hilfreich, weil die Erfahrung der Menschen in diesen Ländern eben daran besteht, dass die amerikanische, die französische und andere Regierungen sich eben nur dann für Menschenrechte einsetzen, wenn es ihnen nützlich erscheint. ... Da haben wir das Problem, dass diese Worte, ja diese Worte der Verständigung in der Region oft nicht geglaubt werden können, weil sie durch praktische Politik einfach immer widerlegt werden. Und deswegen ist es wichtig, dass wir an solchen Dialogen nicht nur auf der Ebene des Geredes und Sonntagsreden führen..., sondern dass es auch Folgerungen in der westlichen Politik haben muss.
Die westliche Politik, ihre Einstellung zu und ihr politischer Umgang mit den islamischen Ländern sind es schließlich auch, die laut Hippler dazu beitragen, dass der Islam zu einer Fiktion gemacht wird, die von westlichen Besserwissern und islamischen Möchtegern-Erlösern gleichermaßen instrumentalisiert wird.
Zudem verweist der Politikwissenschaftler auf die knapp 14 Mio. im Orient beheimateter Christen, die oft dazu beitragen, das Feindbild Islam aufrecht zu erhalten. Dass der Durchschnittsbürger hierzulande, dem der Islam ohnehin fremd ist, diesen als eine Bedrohung empfindet, ist nahe liegend. Somit zielt die Kritik des Buches auf die deutsche wie westliche Außenpolitik, da diese die Feindbilder nicht von den Ursachen her bekämpft, sondern für eigene Ziele benutzt.
... Normalerweise interessieren sich die Leute bei uns für Preissteigerung, für Arbeitslosigkeit, für Rentenversicherung... Alles sehr vernünftige, wichtige Dinge. Während halt die Frage von Außenpolitik eben nur ein paar kleine Eliten verfolgen. Und dadurch gibt’s natürlich die Möglichkeit für Regierungen, Dinge zu tun, ohne dass ihnen die eigene Bevölkerung oder die eigenen demokratischen Mechanismen wirklich zu sehr auf die Finger schauen.
Das Buch verdeutlicht, dass Feindbilder mehr über ihre Produzenten als über den vermeintlichen Gegner aussagen. So wird z.B. dem Fernseh-Zuschauer nicht vermittelt, dass Korrespondentenberichte aus Israel zum Teil einer Militärzensur unterliegen und somit oft das Feindbild - Araber gleich potentieller Terrorist - gezwungenermaßen aufrechterhalten. Doch das eigentliche Problem des Feindbildes Islam, so Hippler, ist nicht der Glaube bzw. die Religion, auf die Fundamentalisten reduziert werden, sondern ihre Verbrechen. Weil aber Feindbilder Klischees an die Stelle der Realität setzen, dominieren in unseren Köpfen visuelle Klischee-Bilder, die eine Unterscheidung zwischen wirklichen und eingebildeten Problemen nicht zulassen. Denn ...
... Fanatismus und Beschränktheit bei uns schaffen wir immer als ne Ausnahme zu betrachten. Bei den anderen aber glauben wir aber, dass das die Regel ist. Die Muslime an sich sind halt vernagelt, religiös und fanatisch. Aussagen, die man zu Juden oder Christen nicht machen würde.
Ein Prozess, mit dem Konflikte zugleich herbeigeredet wie unlösbar gemacht werden. Im Gegensatz zu den medienwirksamen und verkaufsfördernden Islambüchern bestätigt das vorliegende Buch nicht die verbreitete Annahme, dass es mit dem Islam keinen Dialog gebe könne. Es verweist vielmehr darauf, dass der Dialog durch die Attentate in den USA noch schwieriger geworden ist.
Neu ist die Akzentverschiebung, um auf die praktischen Möglichkeiten des Dialogs einzugehen. Hippler und Lueg verschaffen durch die ausgewählten Beiträge einen Überblick auf das unübersichtliche Feld der Gesellschaftsdialoge, bei denen tatsächlich Gesellschaften in Europa und im Westen mit Gesellschaften im Nahen Osten einen Austausch pflegen.
Die Analyse des Verhältnisses zwischen dem Westen und islamisch geprägten Ländern ist nicht neu. Gleichwohl hält der Leser mit dieser zweiten Auflage ein Buch in den Händen, das nicht nur durch seine politischen Analysen brilliert, sondern auch die politischen Mechanismen so manch komplizierter Sachverhalte verdeutlicht. Ein insgesamt gelungenes wie informatives und für jedermann zugängliches Buch, bei dem lediglich drei Beiträge unverändert blieben, da diese historische Fragen beinhalten.
"Feindbild Islam. Oder: Dialog der Kulturen". Herausgegeben von Jochen Hippler und Andrea Lueg im Konkret Literatur Verlag Hamburg, 237 Seiten für 17 Euro.