Das Problem aller Trojaner-Inszenierungen bleibt der historische Materialismus des Werks. Insbesondere die Begeisterung des Dichterkomponisten für Klassisches Altertum, Heldenhaftigkeit und Heldentod. Goy Joosten suchte das, was heute als Desiderat empfunden wird, mit ironischen Brechungen zu lösen. Johannes Leiacker stellte ihm dafür eine bunt aus den verschiedensten Epochen und Kunstsphären zusammengewürfelte Ausstattung bereit. Karthago erscheint mit Heiligenbildern an den Säulen, Komödianten und Artisten, Bildzitaten aus Bildern von Breughel oder Hieronymus Bosch so bunt wie die Orchestrierung von Berlioz. Die Figur der Hofschranze Iopas - ausgerüstet mit Tinte, Feder und Notenpapier - nähert sich der des Dichterkomponisten vom Schlage Wagners an, ist aber auch Beckmesser und, mit den Federn auf dem Hut, Max Slevogt. Dazu winkt der Bursche mit Pavarottis Tüchlein.
Mit der Stunde der Liebe taucht die Inszenierung in eine blaue Grotte, die aussieht, als wäre sie für das Theater Ludwigs XV.: Nymphen und Faune, Generalfeldmeisters-Ausgehrüstung und zartes Ballett. Johannes Leiacker scheint dem Louvre einen aufmerksamen Besuch abgestattet zu haben und Guy Joosten parodierte die Antiken-Rezeption der Franzosen. Aber das funktioniert nur mühsam. Und überhaupt ist solche kunstgeschichtliche Archäologie auf der Bühne nur mäßig witzig. Spannend schon gar nicht. Das wäre eine Inszenierung, die sich auf die Bilder der Archäologiegeschichte Trojas, Karthagos und Roms beziehen, weit eher.
Am Ende, wenn Dido aus Liebeskummer zum Dolch greift, wird noch ein abgeschmacktes Medienspektakel der Gegenwart angehängt: zu den Bildern der Fluten, in denen die auf Reichsgründung ausgezogenen Männer verschwinden, und zu den Bildern der Flammen von Didos Scheiterhaufen kommt noch ein Kamera-Team auf die Bühne und zeigt, wie sich die Königin in ihrem Bett verblutet. Da ist die Produktion dann wieder ganz bei jenem Stadttheater angekommen, von dem sie ihren Ausgang nahm - und von dem sie sich wohl hätte emanzipieren sollen.