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Junge Polen in der Wehrmacht

Unfreiheit und Unterdrückung hat es zu allen Zeiten gegeben. Natürlich auch in Europa. Und im 20. Jahrhundert ganz besonders in Deutschland. Von dort haben die Nazis das Unrecht in viele Teile der Welt getragen. Besonders zu leiden hatten darunter unsere direkten Nachbarn. Soeben hat die polnische Journalistin Barbara Szczepula ein Buch mit dem Titel "Großvater in der Wehrmacht" veröffentlicht, das sich mit dem Zwangsdienst junger Polen im deutschen Militär beschäftigt. Zehntausende Männer wurden zum Eintritt in Hitlers Armeen gezwungen. Sprechen wollen die Zeitzeugen bis heute kaum darüber. Das Thema ist weitgehend tabu.

Interview mit Martin Sander |
    Kersten Knipp: Frage an meinen Kollegen Martin Sander: Warum scheut man sich in Polen so sehr, das Thema anzugehen?

    Martin Sander: Dass man darüber in Polen nicht gerne geredet hat unmittelbar nach dem Krieg, ist ja verständlich angesichts der Verbrechen, die von den deutschen Einheiten in Polen begangen wurden, dass sich da jeder versucht abzugrenzen. Dann aber auch schon in den 60er Jahren, späten 50er, 60er und 70er Jahren gab es natürlich politische Verstärkung, zum Beispiel unter dem ausgesprochen nationalpolnischen Programm des Kommunistenführers Gomulka, da wurde also dieses Tabu sozusagen öffentlich bestätigt. Und es war bestimmt auch noch nach der Wende nicht einfach, eine Karriere zu machen, zumal eine politische Karriere, indem man solche Vorfahren mit einer solchen Lebensgeschichte offenbarte und der Fall von Donald Tusk, der ja gegenüber Lech Kaczynski bei der Präsidentenwahl zum Staatspräsidenten vor zwei Jahren verloren hat, nicht nur, aber auch deshalb, weil ihm seine Gegner im rechten Moment aus den Archiven Material herausgezogen haben. Sein Großvater sei nicht nur im Konzentrationslager gewesen, sondern er wäre auch in der deutschen Wehrmacht gewesen und hätte dort gekämpft. Das war ja nun das beste Beispiel. Also kurz gesagt: Die heutige Regierung und die ganze national-katholische polnische Rechte ist eigentlich nicht interessiert daran, an diesem Tabu zu rütteln. Das tun aber andere, wie man nun sieht.

    Knipp: Jetzt hat ja dieses Buch von Frau Szczepula für einige Aufregung gesorgt. Das ist insofern etwas erstaunlich, als das Thema ja nicht zum ersten Mal diskutiert wurde. Es gibt ja weitere Veröffentlichungen. Was unterscheidet denn das Buch von Frau Szczepula von den Vorgängern?

    Sander: Also wissenschaftlich ist dieses Thema schon angegangen worden. Es gibt auch Veröffentlichungen zum Thema einzelner Versuche polnischer Politiker, doch zu einer Kollaboration, zu einer Zusammenarbeit mit Hitler-Deutschland zu kommen im Kampf gegen die Sowjetunion. Das alles gab es. Aber auf so einer Reportageebene ist das in der Tat was Neues, also mal so herauszubekommen aus den Menschen, aus den Familiengeschichten, was haben da für Gründe eine Rolle gespielt, wie ist das gewesen, diese ganzen Themen, die ja auch mit Scham belegt sind. Das ist etwas, was Barbara Szczepula , Journalistin ist sie übrigens bei dem Ostsee-Tageblatt in Danzig, herausgefunden hat. Anlass war ja auch schon der Fall, der schon erwähnte Fall mit Donald Tusk , dass er also mit diesem Vorwurf konfrontiert wurde. Und über den Fall Donald Tusk hinaus hat sie nun eine ganze Menge Menschen, Familien, die davon betroffen waren, interviewt und hat das dargestellt, und zwar an einem Beispiel der Region Danzig. Vielleicht hören wir mal Barbara Szczepula, die Journalistin, was sie selbst bei ihren Recherchen zu ihrem Buch erfahren hat.