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K.O. für den Prügelknaben der Botaniker

Biologie. - Arabidopsis thaliana trägt einen wohlklingenden Namen, der Laien schnell darüber wegtäuscht, dass es sich dabei eigentlich nur um ein weit verbreitetes Unkraut handelt - die gemeine Ackerschmalwand. Dennoch kennen Botaniker das Kraut wie kein zweites, denn Arabidopsis ist als Versuchspflanze äußerst praktisch zu handhaben. Nachdem bereits das gesamte Erbgut des wertvollen Unkrauts ausgelesen und dokumentiert wurde, steht jetzt aber auch eine so genannte Knockout-Karte über das Genom zur Verfügung. Dabei werden einzelne Gene bei einer Mutante biotechnisch ausgeschaltet und dies auf einem Plan exakt vermerkt. So kann die Bedeutung eines genetischen Merkmals besser beurteilt und erforscht werden.

    Die Ackerschmalwand ist in Fachkreisen prominent und beliebt. Der Grund hierfür liegt in ihrer einfachen Handhabung: sie lässt sich leicht züchten, wächst schnell auf und - noch wichtiger - an ihrem Erbgut können ohne größere Probleme Eingriffe vorgenommen werden. Daher wurde bereits früh, im Jahr 2000, eine komplette Genkarte des Gewächses angefertigt. Jetzt, so meldet das Fachblatt "Science" in seiner jüngsten Ausgabe, legten Forscher der Universität von North Carolina sowie vom Salk-Institut==> http://signal.salk.edu/) im kalifornischen San Diego mit einer so genannten Knockout-Karte nochmals nach. Dabei handelt es sich um ein Verzeichnis über Mutanten der Ackerschmalwand, bei denen einzelne Gene ausgeschaltet und dieses in einem Katalog exakt verzeichnet wurde. Mit der Karte wird erstmals überhaupt ein umfassendes Verzeichnis von detailliert dokumentierten Erbgutfehlern bei einem höheren Organismus vorgestellt.

    Im Gegensatz zu Fliegen oder gar Mäusen kam den Wissenschaftlern dabei neben der einfachen Haltung entgegen, dass sich Veränderungen im Erbgut der Ackerschmalwand relativ simpel vornehmen lassen. Dazu brachten die US-Biologen mit Hilfe des Bakteriums "Agrobacterium" kleine Gensequenzen in den Erbschatz von Arabidopsis ein, die dann einzelne Gene der Pflanze deaktivierten. Dieser Knockout von Erbinformationen erfolgte indes nicht mit einem Schlag, sondern quasi in einem Trommelfeuer kleiner Hiebe. Insgesamt 225.000 mal attackierten die Forscher das Genom. In 88.000 der Versuche konnte anschließend gezeigt werden, dass das Bakterium erfolgreich in das Genom eingegriffen hatte. Und schließlich in 21.700 Fällen, so dokumentierten die Teams, trafen die Blockaden wie beabsichtigt ein einzelnes Gen, das dann in die Knockout-Karte aufgenommen wurde. Damit konnte bislang bereits ein Großteil der insgesamt 29.500 Gene von Arabidopsis thaliana verifiziert ausgeschaltet werden.

    Wird ein genetisches Merkmal deaktiviert, dann zieht dies unweigerlich Folgen für den Stoffwechsel der Pflanze nach sich. Durch die Beobachtung und Analyse von entsprechenden Varianten mit einzelnen abgeschalteten Genen können jetzt Biologen weltweit die Funktion eines bestimmten Gens der Ackerschmalwand genau untersuchen. Allerdings sind die Veränderungen durch den Ausfall eines Gens und des daraus erzeugten Proteins nicht immer auf den ersten Blick sichtbar. Daher "prügeln" Biologen ihre kleinen Probanden und setzen sie unter den Druck bestimmter Umweltbedingungen, um mehr über die Art der künstlich erzeugten Schwäche zu erfahren. Würde ein abgeschaltetes Gen etwa die Kälteresistenz der Pflanze erhöhen, würde sich dies nur unter entsprechenden Aufzuchtbedingungen wie niedrigeren Temperaturen auch zeigen. Das gerade aufgelegte Programm "Arabidopsis 2010" soll über derartige Stresstests Klarheit über die Bedeutung der einzelnen Gene bringen, die in der Knockout-Karte eingetragen sind.

    [Quelle: Michael Lange]