Auf der Bühne - ein Trümmerhaufen, aus dem sich die Akteure ihre Spiel-Räume zusammenrücken. Freilich: Die Riesenbrocken sind aus Schaumstoff. Durchaus handhabbar - aber ob getürmt, gestapelt oder irgendwie zusammengeschoben: instabil. Eine Mischung aus Bastion und Schlamm. In jedem Moment kann man einsinken, ausgleiten, abrutschen, ja: abstürzen. Nicht von ungefähr begibt sich Hermann, der Cheruskerfürst, nur selten in den Nahkampf mit diesen flexiblen Brocken, auf denen seine Knaben, Diener, Räte, die deutschen Stammesfürsten und die römischen Eindringlinge herumklettern. Aber seine treudeutsche Standfestigkeit ist, mit Verlaub: durch und durch "getürkt". Allenfalls deutsche Ideologie - wie die edle Gesinnung, der heroische Widerstand und der Mythos der deutschen Frau à la Thusnelda, seiner Gattin, die dem feschen römischen Legaten im Abendanzug auf den Leim geht. Eine Zeit lang jedenfalls.
Der Protagonist alleine lohnt den Abend. Bauernschlau, dummdreist, abgefuckt - so ganz peu à peu lässt er die Katze seiner Revolte aus dem Sack des Opportunismus. Und er spielt die Klaviatur der Machtspiele, der Täuschungen und Inszenierungen mit so großer Virtuosität und trockenem Understatement, als hätte er dort im Teutoburger Wald nie etwas anderes gemacht. Der schmerbäuchige Schlabberlook täuscht. Aus dem zu Beginn etwas ungelenken Provinzpolitiker wird ein geschickter Vernebelungsstratege, ein Meister des politischen Kalküls. Um die germanischen Verbündeten aus der Reserve zu locken, ist ihm jedes Mittel recht, und seinen Mitakteuren beginnt nicht nur der Kopf zu rauchen. Ganze Rauchsäulen und Nebelbänke, selbst gemacht mit mitgebrachten, individuell einsetzbaren Nebelwerfern, verhüllen die Polit-Bühne. Und wenn eine Märtyrerin gebraucht wird im politischen Kampf - macht man sie am besten selber. Was genau die Germanen mit Hally, der Tochter ihres Waffenschmieds veranstalten, verhüllen die Dunstschwaden: vergewaltigen, meucheln - oder ersticht sie sich selber? Egal, sie ist auf jeden Fall selber schuld, wird kollektiv bespuckt - und kann dann gehen, nackt, gnadenlos zur Schau gestellt - und offiziell ein Opfer römischer Übergriffe. Nein, harmlos ist dieser politische Biedermann und Aufstands-Brandstifter zuallerletzt, dabei versteht es Peter Kurth meisterlich, immer wieder den etwas harmlosen Kumpel zu spielen. Selbst Thusnelda, seine Tussi, instrumentalisiert er in lässig wortkarger Abgebrühtheit für die Verhandlungen mit dem römischen Verbindungsoffizier. Von wegen deutsche Leitkultur hier, korrupte Fremdkultur dort. Bisweilen ist man geneigt, von deutscher Durchtriebenheit und römischer Naivität zu sprechen. Erst spielt der versierte Doppelagent, mindestens Doppelakteur, die Gattin mehr oder weniger schnörkellos dem römischen Kontaktmann zu, sieht eine Weile zu, wie sie bigott-ehrenhaft, ein Meisterstück der emotionalen Ambivalenz von Wiebke Puls, der Liebe zu roten Lippen und dekadenten Stöckelschuhen erliegt. Und als es in die Schlachtenstrategie passt, öffnet er der sich leidenschaftlich umworben Fühlenden die Augen, auch wieder ganz beiläufig. Ein mal eben abgefangener Brief enthüllt: ihr begehrtes Blondhaar, ach, war als Geschenk für die Geliebte in Rom gedacht. Und der Plan geht auf: Thusnelda wird zum Racheengel.
Armin Petras hat Kleists "Hermannsschlacht" um Texte aus Grabbes Stück ergänzt und erspielt in seiner Fassung nichts weniger als, hochaktuell, den Einsturz gängiger Klischees vom Eigenen und vom Fremden. Er stellt das Stück vom Kopf auf die Füße, und seine Inszenierung wird zum artistischen Gegensatz zu jenen ideologisch hoch aufgeladenen Clash-of-Culture-Mythen, die den Texten von Kleist und Grabbe zeitbedingt noch eingeschrieben waren. Vollmundige Schlachtpläne und militärische Befehle lässt er wie ratlos improvisieren. Das Fanal wird zum dissonanten Pfeifkonzert. Das ist von umwerfender Komik und lenkt den Blick auf die diplomatischen Kampfstrategien des virtuosen Ensemblespiels: auf Berechnung und Intrigen, auf Täuschung, Propaganda und strategische Affektregulierung. Schlachtgetümmel als Bühnengewalt zu zeigen, wäre unter solchen Bedingungen kontraproduktiv. Statt Kampfszenen gibt's also, live gespielt vom Modern String Quartet - Salonmusik. Schrill und verstörend bis zum Ende, wenn die Heldenfigur Hermanns, mit gegnerischen und verbrüderten Schwertern bestückt, ein unbewegliches Denkmal seiner selbst, sich wie eine überlastete Maschine von der Bühne schleppt.
Der Protagonist alleine lohnt den Abend. Bauernschlau, dummdreist, abgefuckt - so ganz peu à peu lässt er die Katze seiner Revolte aus dem Sack des Opportunismus. Und er spielt die Klaviatur der Machtspiele, der Täuschungen und Inszenierungen mit so großer Virtuosität und trockenem Understatement, als hätte er dort im Teutoburger Wald nie etwas anderes gemacht. Der schmerbäuchige Schlabberlook täuscht. Aus dem zu Beginn etwas ungelenken Provinzpolitiker wird ein geschickter Vernebelungsstratege, ein Meister des politischen Kalküls. Um die germanischen Verbündeten aus der Reserve zu locken, ist ihm jedes Mittel recht, und seinen Mitakteuren beginnt nicht nur der Kopf zu rauchen. Ganze Rauchsäulen und Nebelbänke, selbst gemacht mit mitgebrachten, individuell einsetzbaren Nebelwerfern, verhüllen die Polit-Bühne. Und wenn eine Märtyrerin gebraucht wird im politischen Kampf - macht man sie am besten selber. Was genau die Germanen mit Hally, der Tochter ihres Waffenschmieds veranstalten, verhüllen die Dunstschwaden: vergewaltigen, meucheln - oder ersticht sie sich selber? Egal, sie ist auf jeden Fall selber schuld, wird kollektiv bespuckt - und kann dann gehen, nackt, gnadenlos zur Schau gestellt - und offiziell ein Opfer römischer Übergriffe. Nein, harmlos ist dieser politische Biedermann und Aufstands-Brandstifter zuallerletzt, dabei versteht es Peter Kurth meisterlich, immer wieder den etwas harmlosen Kumpel zu spielen. Selbst Thusnelda, seine Tussi, instrumentalisiert er in lässig wortkarger Abgebrühtheit für die Verhandlungen mit dem römischen Verbindungsoffizier. Von wegen deutsche Leitkultur hier, korrupte Fremdkultur dort. Bisweilen ist man geneigt, von deutscher Durchtriebenheit und römischer Naivität zu sprechen. Erst spielt der versierte Doppelagent, mindestens Doppelakteur, die Gattin mehr oder weniger schnörkellos dem römischen Kontaktmann zu, sieht eine Weile zu, wie sie bigott-ehrenhaft, ein Meisterstück der emotionalen Ambivalenz von Wiebke Puls, der Liebe zu roten Lippen und dekadenten Stöckelschuhen erliegt. Und als es in die Schlachtenstrategie passt, öffnet er der sich leidenschaftlich umworben Fühlenden die Augen, auch wieder ganz beiläufig. Ein mal eben abgefangener Brief enthüllt: ihr begehrtes Blondhaar, ach, war als Geschenk für die Geliebte in Rom gedacht. Und der Plan geht auf: Thusnelda wird zum Racheengel.
Armin Petras hat Kleists "Hermannsschlacht" um Texte aus Grabbes Stück ergänzt und erspielt in seiner Fassung nichts weniger als, hochaktuell, den Einsturz gängiger Klischees vom Eigenen und vom Fremden. Er stellt das Stück vom Kopf auf die Füße, und seine Inszenierung wird zum artistischen Gegensatz zu jenen ideologisch hoch aufgeladenen Clash-of-Culture-Mythen, die den Texten von Kleist und Grabbe zeitbedingt noch eingeschrieben waren. Vollmundige Schlachtpläne und militärische Befehle lässt er wie ratlos improvisieren. Das Fanal wird zum dissonanten Pfeifkonzert. Das ist von umwerfender Komik und lenkt den Blick auf die diplomatischen Kampfstrategien des virtuosen Ensemblespiels: auf Berechnung und Intrigen, auf Täuschung, Propaganda und strategische Affektregulierung. Schlachtgetümmel als Bühnengewalt zu zeigen, wäre unter solchen Bedingungen kontraproduktiv. Statt Kampfszenen gibt's also, live gespielt vom Modern String Quartet - Salonmusik. Schrill und verstörend bis zum Ende, wenn die Heldenfigur Hermanns, mit gegnerischen und verbrüderten Schwertern bestückt, ein unbewegliches Denkmal seiner selbst, sich wie eine überlastete Maschine von der Bühne schleppt.