Auf der dunkel verschatteten Bühne bewegt sich ein merkwürdiges Wesen; grazil und beweglich wie eine Ballerina, drahtig wie eine Sportlerin, entmenschlicht wie ein Automat. In ihrem Habitus sind noch Reste klassischen Tanzes zu erkennen, hoch geworfene Beine, korrekt durch die Positionen geführte Arme. Doch schwingt in jeder Bewegung noch etwas anderes, animalisches mit: Geht sie auf alle Viere zu Boden und windet sich, denkt man an ein gequältes Tier oder einen boshaften Gnom. Natürlich könnte sie auch Euridike sein, die in der Unterwelt auf Orpheus wartet und auf Erlösung hofft. Aber letztlich ist das programmatische Referenzsystem, auf das Choreograf Édouard Lock anspielt, beliebig. Denn viel eher als um Gefühle, Figuren und Themen geht es in seiner 'Neuen Arbeit' um die Kunst des klassischen Tanzes an sich, beziehungsweise um deren Zersetzung.
Technisch sind die Tänzerinnen und Tänzer der Companie Lalala Human Steps nach wie vor brillant, die Geschwindigkeit, mit der sie das Bewegungsvokabular exerzieren, ist atemberaubend - mitunter hat man das Gefühl, einer sportlichen Veranstaltung beizuwohnen: höher, schneller, weiter ist die Devise. Doch gleichzeitig treibt Édouard Lock seine Kunst mit jeder neuen Produktion immer stärker ins Manieristische. Das 'Neue Werk' ist ein weiterer Höhepunkt in der aggressiven Überdrehung der eigenen Ästhetik.
Tänzern und vor allem Tänzerinnen haftet etwas Maschinenhaftes an, kalt und mit extremer Präzision führen sie endlos wiederholte Sequenzen aus, in denen lange Beine aus den Körpern geschleudert werden, Arme auf und ab flattern, Hände wie Schmetterlingsflügel schlagen und Spitzenschuhe auf den Boden knallen, als wollten sie einen hilflos Darniederliegenden erdolchen. Aber in alles mischen sich, subtil und nicht immer klar an Konkretem festzumachen, kleine Störungen, Verzerrungen. Die durchtrainierten Körper der Ballerinen mit ihren ausgeprägten Muskeln (in einigen Fällen muss man sagen: Muskelbergen) wirken übersteigert, bisweilen grotesk, die Gesichter sind erstarrt, auch verhärmt. Ganz bewusst wendet Édouard Lock das Bild der überirdischen, übermenschlichen Ballerina, der jede Schönheit ohne Anstrengung gelingt, ins Überzüchtete, Überdrehte, auch Überkontrollierte. Die extreme Anspannung lässt keine Weichheit oder Laszivität zu - was wir in den dämmerigen Lichtkegeln zwischen scharfen Hell-Dunkel-Kontrasten sehen, sind angefressene Karikaturen einer großen Kunstform.
Neunzig Minuten lang reiht Lock pausen- und ruhelos ein choreografisches Versatzstück an das andere, rasend schnelle, nervöse Soli und Duette werden im Wechsel endlos wiederholt; angefangene Bewegungen abgebrochen und in entgegengesetzter Richtung fortgesetzt. Dabei wird so mit Oppositionen gearbeitet, dass befremdliche Spannungen, auch Brüche entstehen: in den Pas de deux tanzen sie noch die alten Motive von Anziehung und Abstoßung, exerzieren aber alles so mit automatenhafter Exaktheit, dass der Abstand von der Vorlage fast schmerzhaft deutlich wird.
Entmenschlicht wirken die Tänzerinnen und Tänzer in allem, was sie tun und dennoch hört man gelegentlich den schweren Atem der Anstrengung, der auf ihren menschlichen Ursprung rückverweist. Und auch in den animalischen Bewegungen einer Tänzerin liegt noch etwas Roboterhaftes.
So entfremdet wie die Tänzer von ihrer Kunstform und ihrer organischen Körperlichkeit erscheinen, so entkoppelt sind auch Tanz und Musik: das musikalische Quartett auf der Bühne lässt die sehr moderaten, gleichförmigen Nachkompositionen von Barockmusik harmlos vor sich hin plätschern - und bildet so einen scharfen Kontrast zu dem Tanz mit seinem aggressiven Manierismus.
Und das ist es dann auch, was als Eindruck von diesem Abend haften bleibt: dass Édouard Lock, wie kein Zweiter, seinen eigenen Ausgangspunkt, den klassischen Tanz, nicht mehr nur fragmentarisiert und zur Disposition stellt, sondern durch überzüchtete Virtuosität gnadenlos zersetzt – und dabei, wie stets, allerhöchste Tanzkunst betreibt.
Technisch sind die Tänzerinnen und Tänzer der Companie Lalala Human Steps nach wie vor brillant, die Geschwindigkeit, mit der sie das Bewegungsvokabular exerzieren, ist atemberaubend - mitunter hat man das Gefühl, einer sportlichen Veranstaltung beizuwohnen: höher, schneller, weiter ist die Devise. Doch gleichzeitig treibt Édouard Lock seine Kunst mit jeder neuen Produktion immer stärker ins Manieristische. Das 'Neue Werk' ist ein weiterer Höhepunkt in der aggressiven Überdrehung der eigenen Ästhetik.
Tänzern und vor allem Tänzerinnen haftet etwas Maschinenhaftes an, kalt und mit extremer Präzision führen sie endlos wiederholte Sequenzen aus, in denen lange Beine aus den Körpern geschleudert werden, Arme auf und ab flattern, Hände wie Schmetterlingsflügel schlagen und Spitzenschuhe auf den Boden knallen, als wollten sie einen hilflos Darniederliegenden erdolchen. Aber in alles mischen sich, subtil und nicht immer klar an Konkretem festzumachen, kleine Störungen, Verzerrungen. Die durchtrainierten Körper der Ballerinen mit ihren ausgeprägten Muskeln (in einigen Fällen muss man sagen: Muskelbergen) wirken übersteigert, bisweilen grotesk, die Gesichter sind erstarrt, auch verhärmt. Ganz bewusst wendet Édouard Lock das Bild der überirdischen, übermenschlichen Ballerina, der jede Schönheit ohne Anstrengung gelingt, ins Überzüchtete, Überdrehte, auch Überkontrollierte. Die extreme Anspannung lässt keine Weichheit oder Laszivität zu - was wir in den dämmerigen Lichtkegeln zwischen scharfen Hell-Dunkel-Kontrasten sehen, sind angefressene Karikaturen einer großen Kunstform.
Neunzig Minuten lang reiht Lock pausen- und ruhelos ein choreografisches Versatzstück an das andere, rasend schnelle, nervöse Soli und Duette werden im Wechsel endlos wiederholt; angefangene Bewegungen abgebrochen und in entgegengesetzter Richtung fortgesetzt. Dabei wird so mit Oppositionen gearbeitet, dass befremdliche Spannungen, auch Brüche entstehen: in den Pas de deux tanzen sie noch die alten Motive von Anziehung und Abstoßung, exerzieren aber alles so mit automatenhafter Exaktheit, dass der Abstand von der Vorlage fast schmerzhaft deutlich wird.
Entmenschlicht wirken die Tänzerinnen und Tänzer in allem, was sie tun und dennoch hört man gelegentlich den schweren Atem der Anstrengung, der auf ihren menschlichen Ursprung rückverweist. Und auch in den animalischen Bewegungen einer Tänzerin liegt noch etwas Roboterhaftes.
So entfremdet wie die Tänzer von ihrer Kunstform und ihrer organischen Körperlichkeit erscheinen, so entkoppelt sind auch Tanz und Musik: das musikalische Quartett auf der Bühne lässt die sehr moderaten, gleichförmigen Nachkompositionen von Barockmusik harmlos vor sich hin plätschern - und bildet so einen scharfen Kontrast zu dem Tanz mit seinem aggressiven Manierismus.
Und das ist es dann auch, was als Eindruck von diesem Abend haften bleibt: dass Édouard Lock, wie kein Zweiter, seinen eigenen Ausgangspunkt, den klassischen Tanz, nicht mehr nur fragmentarisiert und zur Disposition stellt, sondern durch überzüchtete Virtuosität gnadenlos zersetzt – und dabei, wie stets, allerhöchste Tanzkunst betreibt.