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Kalte Progression
"Keine Kampfabstimmung"

In der CDU dauert die Debatte um die Abschaffung der sogenannten kalten Progression an. Man brauche realistische Vorschläge, sagte CDU-Vize Armin Laschet im Deutschlandfunk vor dem am Dienstag beginnenden Bundesparteitag. Die Wirkung sei angesichts der niedrigen Inflation ohnehin begrenzt.

Armin Laschet im Gespräch mit Christiane Kaess | 08.12.2014
    Der Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet.
    Der Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. (dpa/Martin Gerten)
    Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet rief in der Diskussion um die Abschaffung der kalten Progression zur Zurückhaltung auf. Seit Jahren versuche man das Thema anzugehen, sagte er im Deutschlandfunk. Zwar gebe es aktuell die finanzielle Möglichkeit zu dem Schritt. Die Wirkung der Abschaffung der kalten Progression würde aber gar nicht so stark ausfallen, weil die Inflationsrate so niedrig ist.
    Die kalte Progression ist der Effekt, dass ein Arbeitnehmer bei einer Gehaltssteigerung in Höhe des Inflationsausgleichs in eine höhere Steuerklasse rutscht und in der Summe weniger Geld zur Verfügung hat. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn hatte seine Partei aufgefordert, den Abbau der kalten Progression schnell anzugehen. Spahn sagte der "Berliner Zeitung", die Entlastung könne 2017 wirksam werden. Die Parteispitze will sich nicht festlegen lassen.
    Ob man sich die Abschaffung der kalten Progression aktuell leisten könne oder ob es andere Vorhaben gebe, die wichtiger seien, werde auf dem Parteitag erörtert, sagte Armin Laschet. "Es muss einfach realistisch sein und es sollte nicht in einer Kampfabstimmung enden."

    Das komplette Interview können Sie hier nachlesen oder schon jetzt per Klick auf die Überschrift nachhören.
    Christiane Kaess: Die CDU als Volkspartei der Mitte stärken - wenn es nach CDU-Generalsekretär Peter Tauber geht, ist das das Ziel des Parteitags der CDU. Die Wirtschaftspolitik würde die Parteispitze gerne in den Mittelpunkt stellen, um dort ihr Profil zu schärfen, aber der Eindruck der Einheitlichkeit wird schon jetzt deshalb gestört, weil eine Diskussion entbrannt ist über die Abschaffung der kalten Progression. Und pünktlich vor dem Parteitag veröffentlicht der „Spiegel" Informationen darüber, dass die Bereitschaft der CDU in Thüringen, mit der AfD einen Pakt einzugehen, um Bodo Ramelow als ersten Ministerpräsidenten der Linken zu verhindern, dass diese Bereitschaft viel größer war als bisher bekannt.
    Mitgehört hat Armin Laschet, stellvertretender Parteivorsitzender sowie Landes- und Fraktionsvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, und er ist als solcher auch Gastgeber des Bundesparteitages. Guten Tag!
    Armin Laschet: Guten Tag.
    Kaess: Herr Laschet, sprechen wir zuerst über das Verhältnis zur AfD. Hat denn der Beschluss der Bundespartei gegen eine Koalition oder eine Kooperation mit der AfD in Thüringen versagt?
    Laschet: Nein, natürlich nicht. Ihr Korrespondent hat ja auch gerade gesagt, es weiß niemand beim "Spiegel", was besprochen worden ist. Es werden Thesen aufgestellt. Es hat überhaupt keine Koalitions-, erst recht keine Kooperationsgespräche gegeben. Dass man mit Kollegen, die neu in ein Parlament kommen, redet, das wird auch die Linkspartei und die SPD und die Grünen gemacht haben. Aber es gibt keine Koalition, es gibt keine Kooperation und es hätte im dritten Wahlgang einen unabhängigen Kandidaten gegeben und eben keinen CDU-Kandidaten, sodass das eine etwas dünne Story ist.
    Keine Kooperationen und Koalitionen mit der AfD
    Kaess: Aber, Herr Laschet, wir halten fest: Weitreichende Kontakte mit der AfD sind durchaus in Ordnung?
    Laschet: Nein, die sind nicht in Ordnung. Weitreichende Kontakte - ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen.
    Kaess: Das ist ja das, was es offenbar in Thüringen gegeben hat.
    Laschet: Nein, die sind ins Parlament gekommen. Ich kenne auch Kollegen der Linken beispielsweise. Wenn die in einem Parlament sitzen, dann redet man natürlich über Tagesordnung und andere Dinge. Aber der Beschluss der Bundespartei ist völlig eindeutig: Es wird keine Koalitionen, es wird keine Kooperationen geben. Das gilt und insofern gibt es da auch eigentlich nichts zu diskutieren.
    Kaess: Es gibt, wie Sie gesagt haben, bisher nur diesen Beschluss im Vorstand. Sollte es ihn vielleicht vom ganzen Parteitag geben?
    Laschet: Nein. Warum denn das? Ich meine, die Vorlage ist eindeutig und die ganze Partei teilt das. Der Parteitag muss sich jetzt wirklich mal um Inhalte kümmern, muss sein Wirtschaftsprofil schärfen. Das ist der Leitantrag auf diesem Parteitag und viele andere Themen. Wir haben Wahlen und so wichtig, bei aller Liebe, ist die AfD nun auch nicht, dass das einen ganzen CDU-Parteitag beschäftigen müsste.
    Kaess: Aber eine Frage möchte ich noch dazu stellen. Es gibt diesen Beschluss des Vorstandes. Man könnte mal auch auf die andere Seite gucken und von diesem Beschluss wegkommen und sich gegenüber der AfD öffnen.
    Laschet: Ich wüsste nicht wieso. Wir tagen in Köln, in der Stadt Konrad Adenauers. Hier ist die europäische CDU entstanden. Wieso sollen wir denn uns einer Partei öffnen, die 28 nationale Währungen jetzt wieder einführen will, die rückwärts gerichtet ist. Wir sehen unsere Zukunft in einer europäischen Zukunft Deutschlands und insofern passt das nicht zur AfD und insofern gibt es für Öffnung überhaupt keinen Grund.
    Abschaffung der kalten Progression muss finanzierbar sein
    Kaess: Dann schauen wir auf diesen Streitpunkt kalte Progression und deren Abbau. Der Arbeitnehmerflügel fordert verbindlichere Beschlüsse, als es die bisher gibt. Was ist dagegen zu sagen?
    Laschet: Die kalte Progression ist etwas, was wir seit Jahren versuchen zu verändern, Wolfgang Schäuble sogar mal mit einem ganz konkreten Vorschlag, der dann vor der Bundestagswahl im damals SPD-dominierten Bundesrat gescheitert ist. Und jetzt gibt es auf dem Parteitag viele Anträge aus Kreisverbänden und von den drei Vereinigungen, die Sie eben erwähnt haben, die sagen, wir müssen eine Verbindlichkeit in dieser Wahlperiode herstellen, und ich hoffe, dass wir da noch zu einem Kompromiss kommen. Das ist ein wichtiges Signal, aber es ist nicht das einzige Signal.
    Wie wir Industrieland in Zukunft bleiben, wie wir unsere Verkehrsinfrastruktur auch als wirtschaftspolitischen Akzent wieder verbessern, wie wir energetische Gebäudesanierung an Häusern machen, was ein Schub für das Handwerk wäre, alles das sind Themen, da ist die kalte Progression eines und ich hoffe, wir kommen da zu einer gemeinsamen Lösung.
    Kaess: Und da gibt es eben diese ganz konkrete Forderung, die lautet, Entlastung der Arbeitnehmer bereits zum 1. Januar 2017, mit dem Argument, man sollte es jetzt endlich einmal ernstmeinen mit diesem Thema. Sie haben gerade selber gesagt, seit Jahren wird darüber gestritten. Also noch mal meine Frage: Warum sollte sich dieser Vorschlag nicht durchsetzen und beschlossen werden?
    Laschet: Weil das Gegenargument ist, wir brauchen realistische Vorschläge. Ich kann mir nicht vorstellen, dass beispielsweise Frau Kraft mit ihrem Haushalt in Nordrhein-Westfalen bereit ist, auf mehrere hundert Millionen Euro Steuereinnahmen zu verzichten, und das sagen auch andere Länder. Das sagen auch die Kommunen. Insofern muss man das in einen gewissen Einklang bringen, wie soll das Ganze denn finanziert werden. Darüber braucht man ein Zeitkonzept. Die gute wirtschaftliche Lage im Moment könnte es ermöglichen und ich bin deshalb sehr zuversichtlich, dass wir eine Formulierung finden, die klarmacht, wir wollen die kalte Progression abschaffen, und zwar auf einem sehr konkreten Zeitplan. Und welches das Datum dann sein wird, das wird man dann bei den Beratungen sehen.
    Kaess: Sie haben jetzt verschiedene Argumente dagegen genannt. Es gibt aber auch die Argumente dafür, bei denen es genau um diesen Spielraum geht und um die Prognosen, dass auch in den kommenden Jahren noch die höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte des Landes zu erwarten sind. Also wann, wenn nicht jetzt?
    Laschet: Ja, das ist das Pro-Argument. Das kann man gleichermaßen sagen. Wir hätten jetzt die Möglichkeit. Die Inflationsrate ist derzeit niedrig. Das heißt, allerdings auch: Die Wirkung einer Abschaffung der Kalten Progression würde gar nicht so stark ausfallen, weil wie gesagt die Inflationsrate derzeit so niedrig ist. Ob wir uns das jetzt leisten können, oder ob es andere Maßnahmen gibt, die wichtiger sind, das wird der Parteitag erörtern. Sie sehen, ich habe eine große Sympathie für die Abschaffung dieser kalten Progression, aber es muss einfach realistisch sein und es sollte nicht in einer Kampfabstimmung enden, denn das ist dem Thema nicht angemessen.
    Kaess: Sie haben eine große Sympathie dafür, aber Sie wollen sich, so wie es klingt, auch nicht festlegen. Das klingt ein bisschen auch danach, dass die Entlastung der Steuerzahler keine Priorität sein wird auf diesem Parteitag?
    Laschet: Die Entlastung der Steuerzahler prinzipiell ist ein Thema, an dem wir immer arbeiten müssen. Aber es gibt auch Investitionsbedarf des Staates. Industriearbeitsplätze hängen zurzeit davon ab, ob wir unsere Güter noch in die Welt bringen, ob, wenn Sie was produziert haben, Sie riesige Umwege fahren. Wenn Sie heute Morgen die Nachrichten über die Leverkusener Rheinbrücke hören, dann wissen Sie, welchen Investitionsbedarf der Staat hat, und auch das gehört mit dazu. Dafür braucht der Staat Geld und deshalb sind generelle Steuererleichterungen oder eine Abschaffung des Solis derzeit nicht möglich. Die kalte Progression allerdings ist etwas, was wir anpacken müssen, und deshalb ist das auch eines der wichtigen Themen auf diesem Parteitag.
    Kaess: Und wir werden sehen, wie dieser Streit ausgeht. Die Meinung war das von Armin Laschet, stellvertretender Parteivorsitzender sowie Landes- und Fraktionsvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Danke für das Gespräch.
    Laschet: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.