
Entlang der langen Grenze zwischen Thailand und Kambodscha wird seit Dezember 2025 wieder heftig gekämpft. Dabei war erst
Ende Oktober
ein Friedensabkommen vereinbart worden. Artillerie und Luftangriffe zerstören Dörfer auf beiden Seiten, Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Der Grenzstreit zwischen den beiden südostasiatischen Ländern reicht bereits über hundert Jahre zurück.
Inhalt
- Was ist der historische Ursprung des Grenzstreits zwischen Thailand und Kambodscha?
- Warum eskaliert der Konflikt jetzt erneut – und warum scheiterte das Friedensabkommen?
- Wie beeinflussen innenpolitische Krisen den Konflikt?
- Welche Folgen hat die Gewalt für die Menschen in den Grenzregionen?
- Welche Rolle spielen USA, China und Malaysia in der Vermittlung?
Was ist der historische Ursprung des Grenzstreits zwischen Thailand und Kambodscha?
Zwischen Kambodscha und Thailand schwelt seit Jahrzehnten ein Streit über die Grenzziehung im sogenannten Smaragd-Dreieck, wo die Provinzen Surin und Oddar Meanchey sowie Laos aneinandergrenzen.
Die Wurzeln des Konflikts reichen in die Kolonialzeit zurück: 1907 legten französische Kartografen die Grenze des damaligen Kambodscha fest, das Teil von Französisch-Indochina war. Thailand hält diese Karte bis heute für ungenau und die Grenze zu seinem Nachteil gezogen.

Besonders umkämpft sind mehrere hinduistische Tempelanlagen entlang der Grenze, allen voran der Preah-Vihear-Tempel. 1962 entschied der Internationale Gerichtshof zwar, dass der Tempel selbst zu Kambodscha gehört, ließ jedoch offen, wem das umliegende Gebiet zusteht. Genau diese historischen Unklarheiten sind bis heute eine zentrale Ursache für anhaltende militärische Spannungen.
Warum eskaliert der Konflikt erneut – und warum scheiterte das Friedensabkommen?
Im Oktober 2025 einigten sich Thailand und Kambodscha auf ein Abkommen, das einen langfristigen Frieden sichern sollte.
Politikwissenschaftler Felix Heiduk erklärt, dass US-Präsident Donald Trump bei den Verhandlungen durchaus eine Rolle spielte, vor allem durch die Androhung hoher Zölle. Damit habe Trump mitgeholfen, die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Die zentrale Vermittlerrolle habe jedoch Malaysia übernommen, so Heiduk.
Der Konflikt ist laut Politikwissenschaftler Aurel Croissant im Dezember 2025 erneut eskaliert, weil das ausgehandelte Friedensabkommen nicht funktioniert hat. Thailand hatte die Vereinbarung von Anfang an nicht als echtes Abkommen anerkannt.
Außerdem beschuldigen sich beide Seiten laut Croissant, die Waffenruhe gebrochen zu haben. Thailand wirft Kambodscha vor, neue Minen verlegt zu haben, die auch thailändische Grenzsoldaten verletzten oder töteten. Kambodscha wiederum beschuldigt Thailand, den Beschuss wieder aufgenommen und Bombenangriffe auf kambodschanische Grenzsiedlungen geflogen zu haben.
Die Kämpfe haben sich laut Felix Heiduk innerhalb weniger Tage in mehreren Grenzprovinzen ausgeweitet. Die Zahl der Todesopfer steige kontinuierlich und die eingesetzten Waffen seien schwere Artillerie, Drohnen und Kampfjets. „Ich halte eine weitere Eskalation durchaus für plausibel”, so die Einschätzung des Politikwissenschaftlers.
Thailand militärisch klar überlegen
Hinzu komme ein deutliches Machtungleichgewicht. Thailand ist laut Heiduk wirtschaftlich und militärisch deutlich überlegen: größere Streitkräfte, eine Luftwaffe mit F-16-Kampfflugzeugen und ein deutlich höheres Militärbudget. Der thailändische Regierungschef Anutin Charnvirakul hat wiederholt erklärt, Thailand werde weiterkämpfen, bis die Souveränität und Sicherheit des Landes gewährleistet seien.
Die kambodschanische Regierung hat bereits den UNO-Sicherheitsrat zum Eingreifen aufgerufen. Das Gremium solle das thailändische Militär auffordern, alle Angriffe sofort zu stoppen, heißt es in einem Schreiben des kambodschanischen UNO-Botschafters. Das Vorgehen der thailändischen Streitkräfte sei eine schwerwiegende Verletzung des humanitären Völkerrechts.
Wie beeinflussen innenpolitische Krisen den Konflikt?
Die jüngste Eskalation lässt sich laut Heiduk „vor allen Dingen aufgrund innenpolitischer Faktoren“ erklären. Zwar habe es immer wieder Zwischenfälle an der Grenze gegeben, doch die jetzige Gewalt falle in eine Phase politischer Umbrüche in beiden Ländern.
In Kambodscha steht der neue Premierminister Hun Manet, der das Amt von seinem Vater Hun Sen übernommen hat, unter massivem Druck. Heiduk verweist dabei auf Skandale um sogenannte Scam-Zentren, große, industriell betriebene Internetbetrugsnetzwerke, deren Verbindungen bis in höchste Regierungskreise reichen. Der neue Regierungschef müsse sich daher nun beweisen.
Auch in Thailand hält laut Heiduk die innenpolitische Krise seit Monaten an. Premierminister Anutin Charnvirakul stehe unter massivem Druck. Sein Vorgänger war im September nach einem politischen Streit um den Grenzkonflikt gestürzt worden.
Charnvirakul geriet zudem erst vor wenigen Wochen wegen des langsamen Umgangs seiner Regierung mit tödlichen Überschwemmungen im Süden des Landes in die Kritik – eine Entwicklung, die die Ambitionen seiner Bhumjaithai-Partei gefährden könnte.
Am 12. Dezember 2025 löste Charnvirakul das Parlament auf und kündigte vorgezogene Neuwahlen an.
In Thailand werde der Konflikt genutzt, um eine harte Haltung gegenüber dem kleineren Nachbarn Kambodscha zu demonstrieren und die Verteidigung der thailändischen Souveränität zu betonen, so Heiduk. Die Eskalation diene dazu, nationalistische Stimmungen im Land zu mobilisieren und innenpolitischen Rückhalt zu gewinnen.
Welche Folgen hat die Gewalt für die Menschen in den Grenzregionen?
Die Grenzregion erstreckt sich über einen rund 800 Kilometer langen Streifen, weit weg von den touristischen Zentren.
Gekämpft wird aber nicht überall entlang der Grenze, erklärt Politikwissenschaftler Aurel Croissant. „Für die Menschen ist das natürlich eine sehr große Belastung, da jetzt schon zum zweiten Mal Dörfer, Höfe und Farmen evakuiert werden müssen“, so Croissant.
Besonders auf thailändischer Seite können viele Reisbauern ihre Felder nicht mehr bestellen, weil Teile des Grenzgebiets vermint sind. Im deutlich ärmeren Kambodscha ist die staatliche Unterstützung für die Betroffenen nach Croissants Einschätzung hingegen „vernachlässigbar“.
Mehr als eine halbe Million Menschen aus dem Grenzgebiet sind bereits auf der Flucht. Hinzu kommen Tote und Verletzte. Auf thailändischer Seite wurden mehrere Soldaten getötet und verletzt, während Kambodscha von getöteten Zivilisten und Verwundeten berichtet.
Die UNESCO äußerte „große Besorgnis“ über die Kämpfe in der Nähe des Preah-Vihear-Tempels, den sie als Welterbestätte ausgewiesen hat und warnte vor Schäden an kulturellem Erbe.
Welche Rolle spielen USA, China und Malaysia in der Vermittlung?
US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, erneut mit den Regierungschefs Thailands und Kambodschas zu telefonieren.
Politikwissenschaftler Aurel Croissant äußert aber Zweifel, dass ein Telefonat ausreiche, um den Konflikt einzudämmen. Zwar könnten die USA wirtschaftlichen Druck über Strafzölle ausüben. “Aber der Handlungsspielraum ist sehr begrenzt“, so Croissant. “Zudem könnte Trumps Führungsstil zwar kurzfristig Druck erzeugen, aber langfristig kann das natürlich nicht die strukturellen Ursachen des Konflikts lösen.”
Als Thailands Regierungschef Anutin Charnvirakul das von Trump und Malaysia vermittelte Waffenstillstandsabkommen unterzeichnete, sei er von besonders nationalistischen Kreisen scharf kritisiert worden, sagt Voranai Vanijaka von der Thammasat-Universität in Bangkok. „Deshalb hält er Trump vorerst auf Abstand“, so Vanijaka.
Als wichtigsten aktiven regionalen Vermittler sieht Croissant derzeit Malaysia, das noch auf beiden Seiten Vertrauen genieße. China verfüge zwar über den größten potenziellen Einfluss auf beide Länder, halte sich bislang jedoch zurück. Trotz enger politischer und wirtschaftlicher Beziehungen scheue Peking eine aktivere Vermittlerrolle und vermeide eine stärkere Einmischung. Außerdem sähen sowohl Kambodscha als auch Thailand in einer Rückkehr zu gegenseitigen Zugeständnissen ein innenpolitisches Risiko.
ema












