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Kambodschas schweres Erbe

Die Roten Khmer versetzten Kambodschas Bevölkerung in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre in Angst und Schrecken. Das Regime um Pol Pot folterte und tötete solche Kambodschaner, die im Verdacht standen, mit Ausländern zu kollaborieren. Nun stehen vier ehemalige Führer der Roten Khmer vor Gericht.

Von Udo Schmidt | 26.09.2011
    Mehrere hundert Zuschauer, Überlebende der Rote-Khmer-Herrschaft und Angehörige, haben sich vor und in dem Gerichtsgebäude eingefunden – manche von ihnen treten als Nebenkläger auf. Sie alle sind geradezu schicksalshaft mit der Pol-Polt-Zeit verbunden, sie alle waren Teil des perversen Gesellschaftsexperiments der Roten Khmer, waren ihnen ausgeliefert. Drinnen im Gerichtssaal, auf der Anklagebank, kaspert Nuon Chea herum, unter Pol Pot Bruder Nummer zwei und Chefideologe der Roten Khmer. Erst hat er sich Pudelmütze und Sonnenbrille erbeten, um sich zu wärmen und die lichtempfindlichen Augen zu schützen, dann hebt er zu einer kurzen Pöbelei an:

    "Ich erkenne das Gericht nicht an – mehr sagt jetzt mein Anwalt."

    ... und verschwindet zurück in seine Zelle in einem Extra-Gebäude gleich neben dem Gericht. Eine kleine Störung nur, größere werden sicher folgen während dieses Verfahrens. Das ahnt auch Opferanwältin Theary Seng:

    "Der Prozess steckt voller Hürden und Herausforderungen, die größten sind natürlich das geringe Interesse der Regierung und die Korruption, aber auch das Alter der Angeklagten, alle sind um die 80, ist ein Problem. Manche sind bei schlechter Gesundheit, sie könnten sterben, bevor ein Urteil gefallen ist. Das wäre für uns alle ganz furchtbar."

    Lange wird das Verfahren auf jeden Fall dauern, das weiß auch Lars Olsen, der Sprecher des Tribunals. Jahrelang wurde ermittelt, rund 100 Millionen Euro sind bisher ausgegeben worden, nun bricht das Gericht unter den Akten beinahe zusammen:

    "Alles hängt jetzt von der Zahl der Zeugen ab, die aufgerufen werden. Derzeit sind es über 1000 Zeugen, die sich aus den Ermittlungsakten ergeben und die von den verschiedenen Seiten benannt wurden. Die Ermittler haben immer wieder gesagt, dass nur eine vernünftige, vertretbare Zahl von Zeugen gehört werden kann. Das Verfahren sollte eigentlich in zwei Jahren mit einem Urteil enden."

    Zwei Jahre, eine lange Zeit für die alten Angeklagten – Nuon Chea, der Chefideologe, ist 84, Khieu Samphan, damals Staatspräsident, ist 79, Rote Khmer-Außenminister Ieng Sary feiert bald 86.Geburtstag, seine Frau eng Thirit, früher Sozialministerin, heute 79 Jahre alt, ihnen allen sieht man das hohe Alter an, wenn sie ein wenig abwesend, leicht zur Seite gesunken oder sogar entrückt lächelnd auf der Anklagebank sitzen und man nicht weiß, ob sie dem Prozess überhaupt folgen können. Das Führungsquartett der Roten Khmer lebte bis zur Verhaftung in oder in der Nähe der Kleinstadt Pailin nahe der thailändisch-kambodschanischen Grenze, ihre Häuser stehen noch dort, und Anhänger gibt es in Pailin auch noch immer.

    Von Phnom Penh aus führt die Nationalstraße 10 nach Pailin, knapp 500 Kilometer sind es. Vor 15 Jahren war diese Nationalstraße 10 Frontverlauf. Hier kämpften die Roten Khmer, die sich nach der Zerschlagung des Pol Pot-Regimes in die Region an der thailändischen Grenze zurückgezogen hatten, bis in die 90er-Jahre für ihre Vorstellung einer gerechten Gesellschaft. Soeum Soth Kong erzählt, während er den Geländewagen über die Nationalstraße steuert:

    "Hier direkt an der Nationalstraße 10 gab es Mitte der 90er-Jahre heftige Kämpfe, während gleichzeitig Friedensgespräche liefen. In den Bergen fielen laufend Bomben, die Roten Khmer wollten Battambang einnehmen. Die Regierungstruppen konnten die Stadt verteidigen, die Führung der Roten Khmer aber nicht festnehmen."

    Soeum hat die Kämpfe damals hautnah miterlebt. Er stammt aus Battambang, dem Geburtsort vieler Rote-Khmer-Kämpfer, er hat Jahre auf der Flucht vor den mordenden, schwarz gekleideten Revolutionären in einem Flüchtlingslager in Thailand gelebt, dann für einen kambodschanischen Hauptstadtsender aus der Region über die Kämpfe berichtet. Nun ist er auf dem Weg nach Pailin, der Hochburg der letzten Aufrechten. Hier haben die Angeklagten des derzeitigen Rote-Khmer-Tribunals gewohnt. Hier lebt auch Ven Dara, eine Nichte von Ta Mok, dem inzwischen verstorbenen Militärchef der Roten Khmer, der damals dem engsten Führungszirkel um Pol Pot angehörte. Sie wohnt in einem schlichten, aber schönen Haus am Rande Pailins. Im Fernsehen läuft die Übertragung des dritten Prozesstages des Rote-Khmer-Tribunals in Phnom Penh. Ven Dara und Khin Pun, ein Parteikollege, sitzen aufmerksam vor dem Bildschirm. Beide waren damals zwischen 1975 und 1979 ganz nah an dieser Führungsriege. Van Dara als Nichte des Militärchefs, Khin Pun hielt sich als Leibwächter immer in der Nähe von Pol Pot, dem Bruder Nummer Eins auf. Ven Dara bezweifelt, dass es während der Rote Khmer-Herrschaft unter Präsident Khieu Samphan so viele Tote gegeben hat.

    "Ich glaube nicht, dass Khieu Samphan für zwei Millionen Tote verantwortlich ist."

    Ja, sagt sie dann, sie wisse, dass es damals Morde gegeben habe. Aber so viele? Für Khin Pun, den Ex-Leibwächter, ist die Zahl der Toten nicht so wichtig. Wichtig sei, dass die vier Angeklagten nicht verantwortlich sein können:

    "Bei den Roten Khmer gab es keine Befehle, Massenmorde zu verüben. Nirgendwo stand, dass die eigenen Leute umgebracht werden sollen."

    Damals, sagt Khin Pun, sei er sehr jung gewesen, seine ganze Familie habe sich als Rote Khmer verstanden. Er sei dann zu einer Ausbildung geschickt worden, später war er immer in Pol Pots Nähe, immer an der Seite von Bruder Nummer eins, sein Vater dagegen wurde 1976 verhaftet. Aus dieser Zeit ist noch einiges hängen geblieben. Khin Pun argumentiert immer wieder mal als moderner Kambodschaner der Gegenwart, dann als Roter Khmer, der er im Herzen wohl geblieben ist.

    "Eigentlich will ich ja nicht leugnen, wofür die Angeklagten mitverantwortlich sind, aber man muss bedenken, dass wir damals auch wachsam sein mussten. Es gab viele Feinde, die uns töten wollten. Viele Rote Khmer wurden etwa von Spionen umgebracht."

    Vor allem aus Vietnam seien diese Feinde gekommen. Vietnam habe keinen Fortschritt in Kambodscha zulassen wollen.

    Die Enkelkinder Ven Daras kommen von der Schule nach Hause. Zu Gast bei einer netten, freundlichen Frau. Ja, sagt sie, damals sei sie doch auch noch so jung gewesen, 13 Jahre alt. 1972 war das, also noch bevor die Roten Khmer an die Macht kamen. Damals sei sie bei den Roten Khmer zur Krankenschwester ausgebildet worden.

    "Ich war sehr glücklich, mit meinem Onkel zu den Roten Khmer gehen zu können, ich wollte ein Teil der Bewegung werden, ich wollte das Land befreien."

    Van Dara und Khin Pun sind immer noch überzeugt, dass damals vieles richtig war, dass die Roten Khmer das richtige Ziel verfolgten.

    "Die eigene Bevölkerung umzubringen, war doch kein Grundsatz der Rote-Khmer-Ideologie. Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie es dazu kommen konnte, was da eigentlich warum passiert ist. Ich war immer gern ein Teil der Revolution. Zum Tribunal muss ich sagen, dass es sich aus meiner Sicht um kein faires Gericht handelt. Wir hätten das viele Geld lieber für die Entwicklung Kambodschas ausgeben sollen."

    Ein Argument, dass auch von anderer Seite kommt. Mehr als 100 Millionen Euro hat das Tribunal bisher gekostet, am Ende des zweiten Verfahrens werden es mindestens 150 Millionen Euro sein. Auch die Vereinten Nationen haben kein großes Interesse, noch mehr Geld auszugeben. Einer von mehreren Gründen dafür, dass es wahrscheinlich kein drittes Verfahren geben wird. Und Ven Dara, die freundliche Frau mit der dunklen Rote Khmer-Vergangenheit, argumentiert knallhart weiter:

    "Von Aussöhnung kann bei dem Tribunal doch gar keine Rede sein. Es gibt nur vier Angeklagte, und die werden ihren Prozess ganz sicher verlieren, die haben doch keine Chance. In die Rote-Khmer-Geschehnisse waren so viele Menschen involviert, die auch heute noch in den Behörden und sogar in der Regierung das Sagen haben. Sie waren im ersten Prozess gegen den Folterlager-Kommandanten Duch als Zeugen geladen und sind einfach nicht erschienen. Das ist doch nicht gerecht."

    Auch wenn der Standpunkt falsch ist, das Argument ist richtig. Der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen ist strikt gegen weitere Verfahren. Er wolle Ruhe für das Land, sagt er und meint damit, er wolle Straffreiheit für alle, die damals verwickelt waren und heute Mitglieder des Regierungsapparates sind. Hun Sen selbst war Roter Khmer, floh aber 1977 nach Vietnam und half, das Pol Pot-Regime zu stürzen.

    Auf dem Markt Pailins werden Edelsteine und Gold angeboten, dafür ist der Ort bekannt. Kol Phano verkauft Gold und Uhren, wechselt auch Geld. Er ist Opfer der Roten Khmer, hat damals als Kind seine Familie verloren:

    "Ich habe 1975 meine Eltern verloren. Für mich war das furchtbar, ich hatte als Kind und Jugendlicher ein schlimmes Leben unter den Roten Khmer. Da war niemand, der auf mich aufgepasst hat. Ich möchte unbedingt Gerechtigkeit und Strafe auch für die, die die Morde mit eigenen Händen ausgeführt haben."

    Es sei aber kein Problem, sagt er, seit Jahren direkt neben den Hauptverantwortlichen der Morde der Pol Pot-Zeit zu leben.

    "Ich habe es noch nie merkwürdig gefunden, mit den Roten Khmer in einem Ort zu leben. Mir ist vor allem wichtig, dass auch die Täter aus der zweiten Reihe vor Gericht kommen."

    Teng Vi sitzt an einem Stand mit Haushaltsartikeln gleich nebenan. Auch sie hat ihre Eltern verloren. Dennoch sagt sie:

    "Es ist nicht schwierig, mit den ehemaligen Roten Khmer hier zu leben. Früher war etwa Ieng Sary, Pol Pots Außenminister, immer sehr freundlich, jetzt allerdings ist sein Haus verschlossen."

    Teng Vi räumt Fläschchen in dem Regal hinter ihr von links nach rechts. Über die Roten Khmer und das Tribunal in Phnom Penh zu sprechen, ist nicht so angenehm. Dann möchte sie doch noch etwas zum Prozess sagen:

    "Das Verfahren gegen die Führer der Roten Khmer ist wichtig, ich bin aber nicht der Meinung, dass sie mit dem Tod bestraft werden sollten, wie manche es jetzt fordern. Die Vier sind doch schon viel zu alt, die werden doch sowieso bald sterben."

    Täter und Opfer fast Tür an Tür - in Pailin, der letzten Bastion der Roten Khmer, scheint das zu funktionieren. Das zu verstehen ist nicht leicht. Knapp 100 Kilometer weiter, rechts ab von der Nationalstraße 10 und dann über Schotterwege weiter bis nach Tah Sahn. Hier lebt Meas Muth, ehemaliger Militärkommandeur der Roten Khmer, ebenfalls einer der Hauptverantwortlichen für die Massenmorde, der einem Prozess aber vermutlich entgeht, eben weil ein dritter Prozess vor dem Tribunal in Phnom Penh wahrscheinlich nicht mehr zustande kommt. Meas Muth liegt in einer Hängematte vor seinem Haus, das ganz und gar nicht bescheiden ist und wie ein Solitär mitten im dichten Wald steht.

    Nein, sagt Meas Muth, er habe Magenschmerzen und könne nicht
    sprechen. Er will wohl nicht. Warum sollte er wollen, wenn er sich vor dem Tribunal nicht verantworten muss? Meas Muth ist nicht allein draußen im Wald. Gleich um die Ecke sitzt eine Gruppe Männer, Mitte 40, sie lachen. Unter ihnen ist Pich Than. Er streitet ab, Soldat der Roten Khmer gewesen zu sein.

    "Damals war ich knapp 20 Jahre alt und habe hier in der Nähe auf dem Feld gearbeitet."

    Nicht alle hier bekennen sich zu ihrer Vergangenheit, zumal wenn man nicht genau weiß, wer da eigentlich fragt. Und dann sagt man besser auch nichts zu dem Prozess in Phnom Penh:

    "Von dem Tribunal habe ich bisher noch gar nichts gehört. Wir haben hier leider keinen Fernseh- oder Radioempfang."

    Etwa 200 Meter entfernt, vor dem nächsten von Bäumen verdeckten Haus, steht eine große Satellitenschüssel. Auch vor einfachen Holzhäusern sind Antennen angebracht. Pailin, die Kleinstadt nahe der kambodschanisch-thailändischen Grenze, ist und bleibt wohl Rote Khmer-Gebiet. Das Tribunal in Phnom Penh und die Urteile, sollte es sie irgendwann geben, werden am Leben hier am Rande Kambodschas wenig ändern. Vor dem Gerichtsgebäude in Phnom Penh, vor der Außerordentlichen Kammer des kambodschanischen Gerichts, hat sich Chum May, der Überlebende des Foltergefängnisses Tuol Sleng, inzwischen in Rage geredet und in seine Erinnerungen verstrickt, die ihn ganz offenbar noch immer überwältigen.

    Chum May erzählt seine Geschichte, wie er anfangs wegen seiner Kenntnisse zur Arbeit als Mechaniker in einer Uniformfabrik gezwungen wurde und dort rund um die Uhr die Nähmaschinen wartete. Wie dann 1978 sein Vorgesetzter verhaftet wurde, wie es für ihn eine Art Marschbefehl in Richtung vietnamesischer Grenze gab. Dort sollte er Lkw reparieren. Das dachte er jedenfalls, erzählt Chum May. Am Ende des Transports hieß es hinter dem Tor des Foltergefängnisses Tuoal Sleng, kurz S 21 genannt: aussteigen!

    "In Tuol Sleng haben sie mir dann die Hände auf dem Rücken gefesselt und die Augen verbunden."

    Ihm wurden alle Sachen abgenommen, auch seine Hose musste er ausziehen, und dann in eine winzige Zelle gesteckt. Diese Zellen übrigens sind in der Tuol-Sleng-Gedenkstätte in Phnom Penh zu besichtigen, alles ist fast noch so wie damals, vor 35 Jahren. Chum May erzählt weiter. Inzwischen hat sich eine Gruppe Zuhörer rund um ihn herum gebildet – die Klingel zur Fortsetzung des Verfahrens drinnen im abgeriegelten Gerichtssaal läutet, wer dabei sein will, muss sich beeilen, aber so recht mag jetzt keiner diesen kleinen, alten Mann, der da voller Emotion aus seinem Leben erzählt, verlassen.

    "Irgendwann wurde ich dann ohne Augenbinde in ein Büro gebracht, dort sah ich auf dem Tisch eine Schreibmaschine stehen. Und sie haben mich gefragt, wie viele seid ihr, wer ist euer CIA-Führer? Ihr seid alle bei der CIA, haben sie gebrüllt. Ich habe widersprochen, und sie haben mich sofort geschlagen."

    Duch, der Leiter des Foltergefängnisses, stand im vergangenen Jahr während des Verfahrens 001 vor dem Rote-Khmer-Tribunal. Das Gericht verurteilte ihn zu 35 Jahren Haft, die schließlich auf 15 Jahre reduziert wurde. Chum May kann kaum an sich halten:

    "Erst waren es 35 Jahre, dann wurde die Strafe immer weiter reduziert, am Ende waren es 15 Jahre Haft, das ist doch keine Gerechtigkeit!"

    Duch, Anfang 70, könne durchaus noch als freier Mann das Gefängnis wieder verlassen, rechnet Chum May vor. Trotzdem sagt er auch, wie wichtig im das jetzige Verfahren 002 ist:

    "Früher sind wir mit unserem Anliegen immer gescheitert, nun gibt es endlich diese Anklage, das macht mich sehr glücklich."

    Nun muss dieser Anklage nur noch ein nachvollziehbarer, ein glaubwürdiger Prozessfolgen, der vielleicht doch noch jungen Menschen einen Blick auf die Geschichte Kambodschas gestattet. Denn der Prozessverlauf wird das eigentlich Wichtige an diesem Rote Khmer-Tribunal sein. Ein Urteil, wie auch immer es ausfällt, wird nie all die Angehörigen, die noch immer unter den Erinnerungen leiden, überzeugen können. Noch ist nicht einmal sicher, ob sich den vier Angeklagten, die sich selbst nie die Finger schmutzig gemacht haben, Massenmord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit überhaupt juristisch einwandfrei nachweisen lassen. Opferanwältin Theary Seng drückt es so aus:

    "Das Tribunal ist ein Weg, eine Möglichkeit, das Schweigen der Vergangenheit zu brechen und eine Verbindung zu einer besseren Zukunft zu schaffen."

    Das Führungsquartett der Roten Khmer lebte bis zur Verhaftung in oder in der Nähe der Kleinstadt Pailin nahe der thailändisch-kambodschanischen Grenze, ihre Häuser stehen noch dort, und Anhänger gibt es in Pailin auch noch immer.

    Lars Olsen, der Sprecher des Tribunals, sieht es so:

    "Es war ein langer Weg, bis wir jetzt überhaupt Anklage erheben konnten. Die Ermittlungen brauchten Zeit, die Angeklagten haben nicht mitgeholfen, Licht in das Dunkel zu bringen. Aber nun ist alles gut vorbereitet. Es wird kein einfacher und kein kurzer Prozess."

    Einfach auch deshalb nicht, weil Kambodscha viele andere Probleme hat. Ein Problem ist die Regierung des autokratischen Ministerpräsidenten Hun Sen, der andere Meinungen nicht zulässt, Wahlen zur Farce hat verkommen lassen und mit Korruption das wenige Geld aus dem eigentlich so reichen Land saugt. Und wenn es Modernisierung gibt, dann meist auf Kosten der Menschen, wie etwa die Luxusbebauung des Innenstadtsees von Phom Penh, an der vor allem ein Parteigenosse Hun Sens verdient – und natürlich die chinesischen Investoren. Die Bevölkerung am Ufer des ehemaligen Sees, der fast zugeschüttet ist, wird vertrieben, notfalls mit Gewalt. Mehr als 60 Prozent der Kambodschaner sind unter 35 Jahre alt, nur für wenige gibt es eine vernünftige Berufsperspektive. Der Blick zurück erscheint da vielen als purer Luxus. Van Nath, der wegen seiner künstlerischen Fähigkeiten das Foltergefängnis überlebt hat und von dem ein beeindruckendes Selbstporträt in der Gedenkstätte Tuoal Sleng in Phnom Penh hängt, glaubt dennoch, trotz all der akuten Probleme Kambodschas, an eine bessere Zukunft:

    "Mit meinen Erfahrungen, die ich in dem Foltergefängnis gemacht habe, will ich den jungen Menschen deutlich machen, dass sie so etwas nicht geschehen lassen dürfen."