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Kammermusik
Sonaten von Strauss und Rachmaninoff

Mit seinem Label Fontenay Classics International hat der Cellist Niklas Schmidt eine Plattform für Freunde, Schüler und für eigene Projekte geschaffen - und eine Hommage an das mittlerweile aufgelöste Trio Fontenay. 17 Jahre war Schmidt Mitglied des renommierten Trios, jetzt spielt er mit dem Pianisten John Chen im Duo die Sonaten für Cello und Klavier von Sergei Rachmaninoff und Richard Strauss.

Von Raoul Mörchen | 27.07.2014
    Der Komponist (u.a. "Der Rosenkavalier") und Dirigent Richard Strauss im Jahr 1888 als Student. Er wurde am 11. Juni 1864 in München geboren und ist am 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen gestorben. +++(c) dpa - Report+++
    Richard Strauss im Jahr 1888 als Student (picture-alliance / dpa)
    • Richard Strauss: Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur op.6
      1. Satz, 2'30''
    "Nach Brahms hätte man so etwas nicht schreiben sollen" - das sagte der alte Richard Strauss über die vielen Werke, die dem jungen Strauss schon zur Gymnasialzeit aus der Feder nur so herauszuströmen schienen. Das Handwerk ist Strauss immer leicht gefallen. Mit elf ging er in die Lehre beim Münchener Hofkapellmeister, mit 16 hatte er die Geheimnisse von Kontrapunkt und Harmonielehre entschlüsselt und legte in der Unterprima eine ausgewachsene Sinfonie vor. Wie gesagt, zum späteren Bedauern. Zu viel Frische und Kraft seien in diesen Werken auf der Strecke geblieben, zu viel vergeudet worden, meinte der Meister von Elektra, Don Juan und Salome, und hätte am liebsten das Frühwerk ganz vernichtet. Auch die 1881, mit 17 Jahren also, geschriebene Sonate für Violoncello und Klavier: Als Strauss das dreisätzige Werk ein paar Jahre später noch einmal als Pianist vor Publikum präsentierte, sei es ihm, so schreibt er, doch "furchtbar komisch vorgekommen, so mit allem Ernst den Leuten ein Stück vorzuspielen, an das man selbst nicht mehr glaubt."
    Nun, mochte der reife Strauss an seine Sonate auch nicht mehr glauben: Der Cellist Niklas Schmidt tut's und auch sein Klavierbegleiter John Chen. Der Übereifer des Frühwerks, die Verschwendung von Frische und Kraft, von der Strauss sprach: In ihrer Aufnahme muss man sie nicht bedauern, man darf sie begrüßen.
    • Richard Strauss: Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur op.6
      1. Satz, 2'39''
    Dass ein Cellist in den besten Jahren, ein Kammermusiker von internationalem Renommee, dass der 1958 geborene Niklas Schmidt ausgerechnet das Werk eine Pennälers wählt, um sich im eigenen Label vorzustellen, das sollte nicht verleiten zu voreiligen Schlüssen. Vor allem, weil ist die neue CD mit Strauss und Rachmaninoff gar nicht die erste ist. Vor zwei Jahren bereits hat Schmidt bei Fontenay Classics International eine Aufnahme von Schuberts Arpeggione und den Cello-Variationen Beethovens veröffentlicht. Und er hat dabei erfahren müssen, was viele Musiker vor ihm erfahren haben. In der Flut neuer Klassik-Produktionen kann heute auch eine gute CD sang- und klanglos, will sagen: unbemerkt untergehen. Ein neuer Vertrieb soll jetzt für mehr Aufmerksamkeit sorgen - der Rest ist Hoffnung.
    Fontenay Classics liegt Schmidt am Herzen, doch das Label ist am Ende nur eine Liebe von vielen. Da gibt es schließlich auch noch: eine Professur für Kammermusik und Cello in Hamburg, Meisterkurse rund um den Globus, eine eigene Kammermusikreihe, das von ihm begründete International Mendelssohn Summer School Festival und der Internationale Kammermusikwettbewerb Hamburg ICMC. Aus diesem Wettbewerb ist 2010 auch das neue Label hervorgegangen: Während der frustrierenden Suche nach einer Plattenfirma für die Gewinner entschloss sich Schmidt, einfach eine eigene zu gründen. Etliche junge Ensembles konnten sich bei Fontenay Classics seitdem vorstellen, auch Schmidts jetzigen Klavierpartner, der neuseeländische Pianist John Chen.
    • Richard Strauss: Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur op.6
      3. Satz, 3'10''
    Die Sonaten von Strauss und Rachmaninoff - es ist ein anspruchsvolles Programm, das der Cellist Niklas Schmidt und der Pianist John Chen für ihre zweite gemeinsame Platte ausgewählt haben. Und ein nicht ganz unproblematisches. Beide Werke schließlich sind Grenzwerke: Strauss' Sonate steht an der Grenze zwischen Pubertät und Meisterschaft, zwischen Schwärmerei, jugendlichem Muskelspiel und technischer Disziplin, bei Rachmaninoff ist es kaum anders. Zwar befindet sich der Russe 1901, als er die Sonate vollendet, im Zenit seines Schaffens, hat seine Lehrjahre längst hinter sich, doch die Probleme sind geblieben: Abseits der kleinen Salonformen findet Rachmaninoff kaum wirksame Rezepte, um eine müde gewordene Tradition neu zu beleben. So verliert sich auch in der neuen Aufnahme von Schmidt und Chen so manche leidenschaftliche Idee in Weitschweifigkeit - wenn Rachmaninoff an Motiven festhält, ohne recht zu wissen, was er damit anstellen soll. Auch Schmidt und Chen wissen das nicht, und da sie Rachmaninoffs Partitur zwar bravourös folgen, aber sie nicht nachhaltig stützen, ihre zerfahrenen Formen nicht mit letzter Energie straffen, bleibt der Eindruck zwiespältig. Am besten spielen die beiden dort, wo auch Rachmaninoff am besten ist: im furiosen Scherzo etwa, dem zweiten Satz der Sonate.
    • Sergei Rachmaninoff: Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 19
      2. Satz, 1'30''
    Es sind kleine Dinge, vor allem Übergänge, in denen man in dieser ansonsten wunderbaren Aufnahme die letzte Konsequenz vermisst: Etwas mehr Mut beim Zögern, beim Verlangsamen, etwas mehr Prägnanz, wenn eine Phrase, ein Gedanke, ein Motiv neu beginnt, etwas Altes umschlägt in Neues. Das größte Problem des schwierigen Repertoires, sein Überschuss an Überschwang, das lösen Niklas Schmidt und John Chen aber mit Bravour. Nirgends kippt ihr Klang ins Pathetische, ins Gewollte, auch dann nicht, wenn die beiden fest zupacken, nirgends leiert Schmidts Ton oder knarzt der Bogen, weil ihm mehr auftragen wird, als er leisten kann.
    Das nennt man wohl Erfahrung: Der jüngere, John Chen, macht sie an der Seite des älteren Niklas Schmidt, der hat sie gemacht unter anderem in jenem Trio, dessen Name nun auch das neue Label ziert: dem längst aufgelösten Trio Fontenay, dem posthumen Patron gewissermaßen von Fontenay Classics International.
    • Sergei Rachmaninoff: Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 19
      4. Satz, 3'10''
    Das war das Finale, Allegro mosso, der Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 19 von Sergei Rachmaninoff. Das Werk, gemeinsam mit der Cellosonate des jungen Richard Strauss, aufgenommen von Niklas Schmidt und John Chen für das Label FCI, Fontenay Classics International.
    Richard Strauss: Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur op.6
    Sergei Rachmaninoff: Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op.19
    Niklas Schmidt, Violoncello
    John Chen, Klavier
    Fontenay Classics International
    Bestellnummer: FCI008
    Labelcode: 24537