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Kampf der "Biopiraterie"

Wem gehört die Natur? Dieser Frage widmet sich ein internationales Treffen im spanischen Granada. Ahmed Djoghlaf, Generalsekretär der unter der englischen Abkürzung CBD bekannten Artenvielfaltskonvention, will dabei eine neue "Ära in unserer Beziehung zur Natur" einleiten.

Von Monika Hoegen |
    Schon seit jeher konnten die San, Ureinwohner des südlichen Afrika und auch als Volk der "Buschmänner" bekannt, tage- und wochenlang durch die Kalahari-Wüste wandern, ohne Hunger und Durst zu leiden. Das erstaunte ausländische Beobachter – bis die San sie einweihten: Der Hoodia-Kaktus dient ihnen als Nahrung und er dämpft Hungergefühle. Westliche Konzerne isolierten den appetithemmenden Wirkstoff der Hoodia-Pflanze unter dem Namen P 57, ließen ihn patentieren und entwickelten eine neue Diät-Wunderwaffe. Das britische Unternehmen Phythofarm sicherte sich die Patentrechte, die es später an den amerikanischen Pharmagiganten Pfizer verkaufte. Doch nach jahrelangem Kampf und auf internationalen Druck hin werden die San heute am Gewinn aus dem Schlankheits-Wundermittel beteiligt. Das ist zwar ein erster Erfolg, steht aber immer noch nicht in Einklang mit der Konvention über Biodiversität, sagt Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst, der bei den Verhandlungen in Spanien als Beobachter mit dabei ist.

    "Das Negative ist schlicht und ergreifend, wie es dazu gekommen ist. Eigentlich verlangt die Konvention über Biologische Vielfalt, dass die San vorher gefragt werden, ob sie denn einverstanden sind, dass ihr traditionelles Wissen genutzt wird, und unter welchen Bedingungen sie einverstanden sind. Dieses ist hier schlicht nicht passiert."

    Dennoch: Andere indigene Völker schaffen noch nicht einmal das, was die San erreichten. Die Geschichte ist oft die gleiche: Forscher aus dem Norden ziehen los und kommen aus dem tropischen Artenreichtum südlicher Länder mit Samenkörnern und exotischen Heilpflanzen zurück. Die gefundenen Bio-Ressourcen werden in den Labors von Saatgutherstellern und Pharmakonzernen des Nordens oft nur leicht gentechnisch verändert – und als neues Produkt patentiert. "Biopiraterie" nennen das die Kritiker. Die Entwicklungsländer, die über den größten Anteil biologischer Vielfalt weltweit verfügen, machen dagegen schon seit Jahren mobil. Sie wenden sich auch gegen das so genannte TRIPS-Abkommen, eine Art von internationalem Patentrecht im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO, auf das sich die Nutzer aus den Industriestaaten berufen. Vorschläge für neue, fairere Regelungen liegen seit langem auf dem Tisch, weiß Maria Julia Oliva vom Center for International Environmental Law in Genf.

    "Der Vorschlag sieht vor, dass Anwärter auf ein Patent drei Dinge offen legen müssen: Erstens die Herkunft der Ressource oder des traditionellen Wissens. Zweitens muss weiterhin der Zugang zu dieser Quelle sichergestellt sein. Und drittens muss es einen Nachweis dafür geben, dass der Gewinn fair und gerecht geteilt wird."

    Beim Arbeitstreffen in Granada in dieser Woche soll nun über ein internationales Regime zur Durchsetzung und Einhaltung der Konvention verhandelt werden. Brauchen wir eine weitere internationale Organisation, die über die CBD wacht? Nein, sagt Rechtsexpertin Oliva:

    "Wir brauchen keine neue Institution. Wichtig ist vielmehr, dass die verschiedenen Umwelteinrichtungen zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang spielt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP, eine wichtige Rolle. Es sollte innerhalb des Systems der Vereinten Nationen gestärkt werden, um seine koordinierende Funktion besser ausüben zu können."

    Auch die Regierungen der Industriestaaten sollen dafür sorgen, dass Konzerne in Deutschland und Europa sich nicht einfach traditionelles Wissen unentgeltlich aneignen können, fordern Nichtregierungsorganisationen. Denn nach dem neuen völkerrechtlichen Verständnis der Konvention gelten allein die Herkunftsländer als Besitzer ihrer natürlichen Ressourcen, sagt Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst.

    "Die Staaten, die Besitzer von Natur haben die Aufgabe übernommen, Natur zu erhalten und zu schützen, sie nachhaltig zu nutzen und so weiter. Aber sie dürfen darüber bestimmen, was mit ihren genetischen Ressourcen passiert."

    Noch besser wäre es, wenn Patente auf genetische Ressourcen, die so genannten Patente auf Leben ganz verboten würden, sagen viele Nichtregierungsorganisationen. Denn wer kann schon erfinden, was die Natur dem Menschen bereits darbietet? Durchsetzbar scheint ein solches Verbot auf internationalem Parkett derzeit allerdings kaum.