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Kampf gegen die Explosionsgefahr in Fukushima

Das geplagte Japan kommt nicht zur Ruhe. Das schwere Nachbeben gestern der Stärke 7,1 hat im Nordwesten Japans mindestens zwei Menschen das Leben gekostet, etwa 130 weitere wurden verletzt. Wieder hat es ungefähr das gleiche Gebiet getroffen, das vor vier Wochen verwüstet worden war.

Arndt Reuning im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Zu mir ins Studio gekommen ist mein Kollege Arndt Reuning aus unserer Wissenschaftsredaktion. Welche Folgen hatte das Beben gestern für die beschädigten Atomkraftwerke in dem betroffenen Gebiet?

    Arndt Reuning: Bisher sieht es so aus, als sei Fukushima noch einmal davon gekommen. Die Arbeiter mussten die Anlage zwar kurzzeitig verlassen, aber es wurden danach keine weiteren Schäden festgestellt - an den Gebäuden oder Reaktorbehältern. Das heißt natürlich nicht, dass sich die Situation dort entspannt hätte. Die Behelfskühlung der drei Reaktorblöcke und der Abklingbecken muss fortgesetzt werden. Und noch immer steht radioaktiv verseuchtes Wasser auf dem Gelände.

    Ansonsten: Das Beben hat in Japan zu massiven Stromausfällen geführt. Davon waren auch Atomkraftwerke betroffen. In zwei Anlagen ist die äußere Stromversorgung zusammengebrochen. Aber die Notstromaggregate sind angesprungen.

    Reimer: Im Atomkraftwerk Onagawa soll Wasser herausgedrungen sein. Gibt es da auch ein Leck?

    Reuning: Onagawa liegt nur 20 Kilometer vom jüngsten Epizentrum entfernt. Dort hat es also stark gebebt. Und dabei ist offenbar radioaktives Wasser ausgetreten. Und zwar aus den Abklingbecken. Ich könnte mir vorstellen, dass es einfach aus dem Becken herausgeschwappt ist. Falls das Becken selbst beschädigt sein sollte, könnte das für Komplikationen sorgen. Dann würde das Kühlwasser ausfließen, und man müsste das Leck schnellstmöglich schließen.

    Reimer: In Fukushima im Reaktor 1 hatten sich große Mengen Wasserstoff im Reaktordruckbehälter gebildet. Der Betreiber Tepco fürchtet weitere Explosionen und leitet deshalb Stickstoff ein - ist das die richtige Methode, um die Gefahr in den Griff zu bekommen?

    Reuning: Das ist eigentlich der Normalzustand. Der innere Sicherheitsbehälter ist eigentlich ständig mit Stickstoff geflutet. Um einer Explosion vorzubeugen. Explodieren kann Wasserstoff aber nur, wenn genug Sauerstoff anwesend ist. Denn dann bildet sich das Knallgasgemisch. Man versucht nun, durch das nicht brennbare Gas Stickstoff den Wasserstoff in der Luft dort zu verdünnen. Jedes explosionsfähige Gemisch hat eine untere Grenze, ab der es eben nicht mehr explodiert. Diesen Zustand versuchen die Experten im Moment herzustellen. Viel Stickstoff, wenig Wasserstoff und Sauerstoff.

    Sauerstoff kann zum Beispiel durch das Meerwasser in die innere Schutzhülle gelangt sein, das zur Kühlung benutzt wurde. Im kalten Wasser ist Luft gelöst, beim Erhitzen wird sie frei. Außerdem zerlegt auch die hohe Strahlung in der Kammer das Wasser in seine Elemente, und damit zu Knallgas.

    Reimer: Wären deutsche Atomkraftwerke gegen solche Wasserstoffbildung mit Explosionsgefahr im Unglücksfall gewappnet?

    Reuning: Es gibt sogenannte Rekombinatoren. Das sind Kästen, ungefähr so groß wie ein Zigarettenautomat. Die enthalten einen Katalysator. Ähnlich wie die Autoabgase macht der den Wasserstoff unschädlich. Solche Rekombinatoren werden aber normalerweise nur in Druckwasserreaktoren verwendet. Die Druckwasserreaktoren in Deutschland hatten entweder von Anfang an solche Bauteile oder sind damit nachgerüstet worden.

    Auch bei uns gibt es ja einige Siedewasserreaktoren. Die Baulinie 69 mit den AKWs Brunsbüttel, Krümmel, Isar 1 und Philippsburg 1 ähnelt im Design stark den Reaktoren in Fukushima. Hier gibt es diese Art von Rekombinatoren nicht. Das bedeutet, man setzt auch hier auf die Schutzwirkung des Stickstoffs in der Schutzhülle.

    Reimer: So gesehen sind die deutschen Siedewasserreaktoren nicht gut abgesichert?

    Reuning: Die ähneln sehr stark dieser Baureihe in Japan und haben ähnliche Schwachpunkte.

    Reimer: Sind die Rekombinatoren - diese Wasserstoffzerleger - denn völlig unumstritten?

    Reuning: Es gibt auch kritische Stimmen, denn diese Rekombinatoren können sich erhitzen und dann können sie selbst wieder eine Wasserstoffexplosion auslösen, wenn sich eine gewisse Menge von Wasserstoff angesammelt hat. Denn letztendlich setzen sie diese chemische Reaktion in Gang.

    Reimer: Vielen Dank - Einschätzung meines Kollegen Arndt Reuning aus unserer Wissenschaftsredaktion