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Kampf gegen IS-Terror
"Man wird Assad brauchen"

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat die westliche Krisenpolitik in Syrien infrage gestellt. Eingriffe des Westens hätten mehr Schaden angerichtet als Nutzen gestiftet. Ohne die Einbeziehung Assads sei eine Lösung in Syrien nicht möglich, sagte Laschet im DLF.

Armin Laschet im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 07.02.2015
    Der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet bei einem Parteitag.
    Der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet (dpa/Roland Weihrauch)
    Es stelle sich die Frage, ob es richtig war, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu schwächen und einseitig auf die Opposition zu setzen, so Laschet. Die Vielfalt der Religionen in Syrien sei zerbrochen. Zugleich gebe es ein großes internationales Interesse, die Region zu befrieden und die Terrorgruppe "Islamischer Staat" zu bekämpfen. "Die Gebiete, in denen der IS nicht, sind die Gebiete, in denen Assad herrscht", betonte Laschet. Daher werde dieser für eine Konfliktlösung gebraucht. Im syrischen Bürgerkrieg sind nach UNO-Angaben seit 2011 rund 200.000 Menschen getötet worden.
    Das vollständige Interview

    Jürgen Zurheide: Guten Morgen, Herr Laschet!
    Armin Laschet: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Laschet, hat die Bundeskanzlerin Ihnen schon eine SMS geschickt, oder haben Sie sonst irgendwas gehört, was wir alle noch nicht wissen?
    Laschet: Nein, hat sie nicht. Man wartet hier in München in Spannung auf ihr Eintreffen heute Morgen und auf das, was sie aus Moskau berichtet.
    Zurheide: Dann müssen wir weiter mit dem umgehen, was wir bisher wissen. Ich will mal beginnen mit den Hinweisen, die von François Hollande kamen am Tag vorher, so unter der Überschrift: Das ist die letzte Chance, eine heftigere militärische Auseinandersetzung zu vermeiden. Ist es wirklich die allerletzte Chance?
    Laschet: Na ja, das ist schwer zu sagen. Ich glaube, in diesen Tagen sollte man noch nicht von letzten Chancen reden. Aber es ist jedenfalls angesichts der Diskussionen in den Vereinigten Staaten über Waffenlieferungen an die Ukraine für Präsident Putin die letzte Chance, Signale zu setzen, dass er den Friedensplan von Minsk wirklich umsetzen will. Und das ist, denke ich, auch das Thema gewesen. Wenn man die Meldungen aus Moskau bisher richtig hört, hat man sich noch einmal bis Sonntag darauf verständigt, das nun auszuarbeiten, um dann noch einmal in einer Telefonkonferenz zusammenzukommen. Aber nach meiner Einschätzung ist die Lage sehr ernst, und das spiegelt sich eigentlich nicht in dem wider, wie wir in der Öffentlichkeit über diese Frage diskutieren.
    Zurheide: Da wir das jetzt nicht weiter ausdiskutieren können, weil uns die Fakten fehlen, will ich noch mal die anderen Aspekte beleuchten. Sie haben gerade das Verhältnis zwischen Europa und den USA angesprochen. Wir hatten vorhin den Hinweis unserer Kollegin aus Moskau unter der Überschrift, dass in Moskau gesagt wird, diese Initiative von Merkel und Hollande sei eine europäische Initiative gegen die USA. Haben Sie Belege dafür oder passiert das alles in Absprache mit den USA?
    Bemerkenswerte europäische Initiative
    Laschet: In Absprache glaube ich nicht, aber es ist schon eine europäische Initiative, die ja auch bemerkenswert ist. So oft findet das nicht statt, dass, ohne konkrete Ergebnisse voraussagen zu können, der französische Präsident und die deutsche Bundeskanzlerin nach Moskau und nach Kiew reisen, damit ja auch ein gewisses politisches Risiko eingehen, und das wenige Stunden gleichsam vor der Reise der Bundeskanzlerin in die USA. Hier auf der Münchener Sicherheitskonferenz ist zu spüren, dass die Frage in den USA selbst noch nicht entschieden ist, wie man denn reagieren will. Es gab diesen Vorstoß der Waffenlieferungen. Präsident Obama hat sich bisher dazu nicht geäußert beziehungsweise eher distanziert reagiert. Aber hier in München ist auch dieser Senator McCain, der sehr deutlich sich für Waffenlieferungen ausgesprochen hat und dazu noch scharfe Kritik an der deutschen Bundesregierung geübt hat, sodass das schon eine Frage ist, an der noch Diskussionen und Erörterungen stattfinden.
    Zurheide: Ich habe das auch als nächste Frage ohnehin vorgesehen, Sie haben Herrn McCain schon angesprochen: Also ich würde sagen, der übt nicht nur Kritik. Der poltert in einer Art und Weise rum – das Wort Diplomatie in diesem Zusammenhang ist völlig fehl. Wie bewerten Sie das denn eigentlich?
    Laschet: Also er ist kein Diplomat natürlich, sondern Parlamentarier, Abgeordneter. Aber es gibt viele, die sagen: Das ist nicht der Ton, wie man mit Verbündeten redet, und ich denke, dass das auch hier in München noch zu sehr kritischen Diskussionen mit ihm führen wird. Man kann ja unterschiedliche Auffassungen zu einer solchen Frage haben, aber den Deutschen quasi vorzuwerfen, sie seien so nachgiebig wie in den 30er-Jahren in der Appeasement-Politik die Politiker, die damals nicht klar entschieden hätten gegenüber Hitler, das ist schon starker Tobak und das ist auch für einen Abgeordneten aus den USA eher ungewöhnlich.
    Zurheide: Lassen Sie uns noch über das andere große Thema der Sicherheitskonferenz reden: Die Lage im Nahen Osten, die außerordentlich schwierig ist, der Kampf gegen den IS. Zufrieden sein kann eigentlich keiner im Moment. Die Luftschläge sind da, aber, ja, vielleicht ist der weitere Vormarsch der IS-Schergen gestoppt – mehr nicht. Wie sehen Sie das?
    Der IS ist eine starke Macht
    Laschet: Ja, ich denke, das stimmt, und dieses Beispiel zeigt ja, wie eng heute innere und äußere Sicherheit zusammenhängen. Die Konflikte, die wir da im Nahen Osten erleben, sind nicht eben abstrakte Konflikte, sondern wir haben in der Frage des Terrorismus erlebt, dass sie unmittelbar in Paris auch ihre Wirkung entfalten können, und die innerdeutsche Lage ist ja immer noch nicht so, dass man das auf alle Zeit ausschließen kann, dass das auch bei uns passiert. Deshalb gibt es ein großes Interesse, zu einer Befriedung, auch in dieser Region, beizutragen. Hier ist unter anderem der Präsident der autonomen kurdischen Region Barzani, der noch einmal beschrieben hat, wie von den Personen her, von den Kämpfern her, der IS lange Zeit überlegen war und erst die Waffenlieferungen aus der Welt, insbesondere aus Deutschland, haben es ermöglicht, dass der IS in bestimmten Gebieten zurückgedrängt werden konnte. Aber er ist trotzdem noch eine starke Macht und besetzt immer noch die große Stadt Mossul im Irak.
    Zurheide: Ich will in dem Zusammenhang noch mal ansprechen, was Sie im vergangenen Jahr noch mal auf die politische Agenda gesetzt haben: Ist der Umgang mit Assad eigentlich falsch, ihn völlig auszugrenzen? Muss man das noch mal revidieren? Sie haben ja im vergangenen Jahr einen solchen Vorschlag gemacht. Wie sehen Sie das heute?
    Man wird auch Assad in allem brauchen, was in Syrien passiert
    Laschet: Das spielt heute hier in München keine große Rolle bisher in den Diskussionen. Es gibt Diskussionen, wie man das Verhältnis zum Iran entspannen könnte. Das ist ja auch eine der Mächte, die dem IS entgegenwirken und die den Präsidenten Assad stürzen. Aber die Diskussion über Syrien ist latent von der Grundfrage geleitet: War es richtig, ihn zu schwächen, auf die syrische Opposition so zu setzen, mit der Folge, dass die Vielfalt der Religionen, die es in Syrien vorher gab, wo Christen, Juden, Aleviten, Schiiten, Sunniten friedlich zusammenlebten, die ist zerbrochen. Und diese Diskussion kann man natürlich jetzt nicht nachholen, aber sie ist exemplarisch dafür, wie Eingriffe des Westens in diese Region oft mehr Schaden angerichtet haben als Nutzen. Und die Frage ist jetzt: Wie kommt man zu einer Friedenslösung in dieser Region? Und die Gebiete, in denen nicht der IS herrscht, sind natürlich die Gebiete, in denen Präsident Assad herrscht, und die Frage ist, ob man generell ohne ihn eine Lösung dieser Krise erreichen kann. Ich habe da meine Zweifel. Man wird auch ihn brauchen in allem, was jetzt in Syrien passiert.
    Zurheide: Das war Armin Laschet, der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, heute Morgen im Gespräch im Deutschlandfunk. Herr Laschet, ich bedanke mich für das Gespräch um 6.58 Uhr. Danke schön!
    Laschet: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.