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Kampf gegen Mobbing in der Ehe

Frankreich plant ein Gesetz gegen psychische Gewalt in der Ehe. Wenn sich Mann und Frau wiederholt beleidigen oder beschimpfen, soll man künftig Klage einreichen können.

Von Bettina Kaps |
    Ein Videospot im französischen Fernsehen: Eine blonde, eher unauffällige Frau geht shoppen, trifft eine Freundin, bestellt sich einen Kaffee. Ein Mann kommentiert aus dem Off: Diese Frau ist eine richtige Wurst, sagt er abfällig, sie ist genauso doof wie ihre Freundinnen, sie macht andere Männer an, eine richtige Schlampe. Dann taucht der Mann im Bild auf und legt seinen Arm um die Frau. Diese Frau ist meine Frau, sagt die Stimme jetzt. Es folgt eine Warnung vor jeglicher Form von Gewalt und die Nummer eines Notruftelefons.
    Mit der Fernsehkampagne will die konservative französische Regierung psychische Gewalt in der Ehe bekämpfen. Bei Warnungen allein soll es aber nicht bleiben: Dem Parlament liegt jetzt ein Gesetzentwurf vor, der seelische Gewalt unter Lebenspartnern unter Strafe stellen soll. Denn das Problem ist weit verbreitet: Jede zehnte Frau in Frankreich, so ergab eine staatliche Untersuchung, ist bereits von ihrem Partner psychisch gequält worden. Wie Nathalie, 49 Jahre alt, Französischlehrerin am Gymnasium und Mutter von zwei halbwüchsigen Töchtern.
    "Mein Mann hat mich regelmäßig vor den Kindern als Drecksau bezeichnet. Er hat mich auch beruflich runter gemacht: Ich sei ja nur Lehrerin. Manchmal sagte er, ich sei verrückt."
    Für Nathalie gab es kein Entkommen: ihr Mann folgte ihr durch alle Zimmer des Hauses, er versperrte ihr den Ausgang, sodass sie nicht fortlaufen konnte, nahm ihr das Telefon weg - alles vor den Augen der Töchter. Ihr blieb nichts anderes übrig: Sie steckte ein und versuchte, den Mann zu beruhigen.
    "Ich habe lange nicht begriffen, dass es nur schlimmer werden konnte. Es gab ja auch Perioden, wo mein Mann mich in Ruhe ließ. Nach und nach verlor ich jeden Maßstab: Ich wusste nicht mehr, wo die Norm ist, wie es bei anderen Paaren zugeht. Und dann habe ich an mir selbst gezweifelt, mich gefragt, ob ich das auch wirklich alles gehört habe."
    Der Begriff der seelischen Gewalt wurde von der bekannten französischen Psychologin Marie-France Hirigoyen entwickelt. Ihre Arbeiten haben dazu geführt, dass Frankreich 2002 als erstes Land in Europa ein Gesetz gegen psychische Gewalt am Arbeitsplatz erlassen hat. Die Nationalversammlung hat die Expertin nun auch bei der Vorbereitung des Gesetzes für die Privatsphäre angehört:
    "Psychische Gewalt bringt das Opfer nach und nach aus dem Gleichgewicht. Es wird disqualifiziert, verliert jegliches Selbstvertrauen, wagt es nicht mehr, sich zu behaupten. Fast immer ist es die Frau, die manipuliert und erpresst wird: Der Mann droht ihr mit Selbstmord, er droht mit den Kindern, mit Geldentzug, mit körperlicher Gewalt. Je länger es dauert, um so weniger hat sie die Kraft, fortzugehen."
    Das Problem sei auch bei homosexuellen Paaren verbreitet, sagt die Psychologin. Ein Gesetz könne das Selbstbewusstsein der Opfer stärken und auch pädagogische Wirkung entfalten.
    Die Gegner eines Gesetzes betonen, dass es für die Opfer sehr schwierig sein werde, Beweise zu liefern. Diesen Einwand lässt Rechtsanwalt Laurent Hincker nicht gelten. Der Jurist vertritt etwa hundert Mandantinnen, die von ihren Männern gequält wurden:
    "Es gibt viele Straftaten, die schwer zu beweisen sind. Zum Beispiel Vergewaltigung. Zum Beispiel Inzest. Es kann nicht sein, dass derartige Verbrechen, nur weil sie schwer beweisbar sind, nicht Gegenstand einer Strafanzeige werden. Dasselbe gilt für psychologische Gewalt."
    Hincker betont, dass seelische Gewalt nicht nur für die Opfer, sondern auch für die Kinder gravierende psychische Folgen hat:
    "Das Gesetz ist ein Gradmesser für die Wertvorstellungen einer Gesellschaft. Deshalb ist es so wichtig, dass der Gesetzgeber die seelische Gewalt in der Familie benennt. Derzeit verleugnen wir das Problem. Mit einem Gesetz gestehen wir ein, dass psychische Gewalt tatsächlich existiert."
    Der Gesetzesvorschlag sieht auch vor, dass Psychologen, Richter, Rechtsanwälte und Polizisten, die mit solchen Situationen konfrontiert werden können, systematisch geschult werden. Das hätte auch Nathalie geholfen. Als sie Hilfe suchte, um den Angriffen ihres Mannes zu entkommen, stieß sie auf taube Ohren:
    "Ich war dreimal auf dem Kommissariat, aber dort sagte man mir: Verstehen Sie, Madame, Sie haben keinen gebrochenen Unterkiefer. Die Polizisten haben mir bestimmt geglaubt, aber sie waren hilflos."
    Heute hat sich Nathalie von ihrem Mann getrennt. Aber er lauert ihr immer noch auf, um sie zu beschimpfen und zu bedrohen.