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Kampf ums Eisen

Meeresbiologie. - In Zeiten des Treibhauseffektes ist eine Idee der Meeresbiologen populär: Man muss dort nur Eisen ins Meer kippen, und schon blühen die Algen, saugen das Kohlendioxid aus der Luft und lösen damit die Probleme mit dem anthropogenen Treibhauseffekt. Inzwischen haben Experimente diesen Zusammenhang erwiesen, aber der ist komplexer als gedacht.

Von Dagmar Röhrlich |
    Eisen ins Meer bringen, um das Algenwachstum anzuregen - diese Rechnung geht nicht immer auf.
    Eisen ins Meer bringen, um das Algenwachstum anzuregen - diese Rechnung geht nicht immer auf. (AP Archiv)
    Weil in manchen Meeresteilen Eisen Mangelware ist, wachsen Algen dort längst nicht so gut, wie sie könnten. Das gilt auch für den Pazifik vor Kamtschatka. Wird dort Eisen "ausgesät", explodieren die planktonischen Algen geradezu. Jedenfalls taten sie das bislang bei den Experimenten:

    " Bei unseren Experimenten im vergangenen Sommer hatten wir zwar eine Algenblüte, aber die fiel weit kleiner aus als die, die wir drei Jahre zuvor an derselben Stelle ausgelöst haben. Die Resultate waren recht unterschiedlich."

    Mark Wells von der University of Maine. Der Ozeangraph arbeitet beim japanischen Projekt SEEDS mit, das die ökologischen Folgen der Eisendüngung erforscht.

    " Das einzellige Phytoplankton lässt sich in zwei Gruppen einteilen. Die eine Gruppe besteht aus kleinen Einzellern, die gerade Bakteriengröße haben. Die größeren Einzeller sind in der zweiten Gruppe - und genau sie spielen im Kohlenstoffkreislauf eine zentrale Rolle. Die großen Einzeller wachsen und binden dabei das Treibhausgas Kohlendioxid. Sterben sie ab, sinken sie schnell und pumpen dabei Kohlendioxid aus dem Oberflächenwasser in die Tiefe. Zwar binden auch die kleinen Plankton-Einzeller Kohlendioxid, nach dem Absterben zersetzen sie sich aber an der Oberfläche. Das Treibhausgas bleibt also oben, wird nicht nach unten gepumpt."

    Bei den früheren Experimenten reagierten vor allem die großen Einzeller auf den Eisendünger - und das nährte damit die Hoffnungen derjenigen, die das Klima reparieren möchten wie ein defektes Auto. Aber im vergangenen Sommer war alles anders:

    " Es sieht so aus, als ob das große Phytoplankton hungert, obwohl ein Eisenüberschuss im Wasser war. Aus irgendeinem Grund konnte das Plankton das Eisen nicht nutzen. Warum? Es könnte sein, dass das kleine Plankton organische Moleküle ins Meerwasser pumpte, die das Eisen banden und es so für die großen Einzeller schlecht "verdaulich" machten. Deshalb könnte die Blüte der großen Algen so viel schwächer ausgefallen ist."

    Die Erklärung stammt aus einem auf den ersten Blick weit entfernten Geschehen: dem in den Böden. Die enthalten Eisen, aber das meiste davon ist in den Mineralen gut "weggeschlossen", Mikroorganismen kommen da nicht heran. Aber Bakterien haben gelernt, diesen Safe zu knacken: Leiden sie unter Eisenmangel, geben sie "Eisenfänger"-Moleküle in die Außenwelt ab. Diese Siderophore bilden dann mit dem Eisen Komplexe, die die Bakterien aufnehmen und dann abbauen.

    " Die Bakterien im Boden setzen Eisenfänger-Moleküle als Waffe im Kampf ums Eisen ein. Wir wissen, dass auch viele marine Mikroorganismen diese Fähigkeit entwickelt haben. Mit Siderophoren "reservieren" sie sich das Eisen, indem sie den Komplex mit einer Art Schloss versehen, das sich nur mit dem richtigen Schlüssel öffnen lässt. Nur wer den hat, kann es nutzen, für alle anderen bleibt das Eisen unerreichbar. Das könnte erklären, warum wir diesmal keine große Algenblüte gesehen haben."

    Wie hoch im vergangenen Sommer der Gehalt an Siderophoren im Meer gewesen ist, wird derzeit untersucht. Denn ansonsten schienen die natürlichen Parameter zwischen beiden Experimenten sehr ähnlich gewesen zu sein:

    " Wir fanden die gleichen Organismen wie bei den Vorläuferexperimenten. Wir waren zur gleichen Zeit da und am selben Ort. Also scheint die Geschichte des Wassers und der Organismen darin wichtig zu sein, was in den Monaten zuvor passiert ist. Wenn beispielsweise der Eisenmangel zuvor groß war, könnten viele Siderophore gebildet worden sein, die dann im Wasser schwimmen - und das könnte den Unterschied erklären."

    In zwei Jahren wird man die Messungen wiederholen und schauen, was dann passiert.