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Kanada
Wenn der Postmann gar nicht mehr klingelt

Die Post kommt jeden Werktag einschließlich Samstags - so sind wir es seit vielen Jahrzehnten gewohnt. In Kanada ist es damit bald vorbei. Denn die kanadische Post will sparen und sie spart an der Zustellung. Die Menschen müssen sich an weitere Wege gewöhnen.

Von Thomas Schmidt | 17.12.2013
    Es ist ein Geräusch, das bei vielen Kanadiern schon jetzt Nostalgie-Gefühle auslöst. Lange werden die Briefkästen nicht mehr klappern, denn nicht nur die gerade aktuellen Weihnachtskarten zum Fest, sondern alle Briefsendungen müssen demnächst von zentralen Postfachanlagen selbst abgeholt werden. Der Zustelldienst ist ein Geld fressendes Zuschussgeschäft, das die Manager des Staatsbetriebes nun mit kräftigen Einschnitten aus den roten Zahlen bringen wollen.
    "Wenn wir keine weitreichenden Veränderungen vornehmen, kommen wir in Schwierigkeiten, die letztendlich zulasten der Steuerzahler gehen", sagt Post-Sprecher Jon Hamilton. Und das nun präsentierte Sparprogramm geht hart zur Sache: Neben dem Aus für die Briefzustellung bis zum Jahr 2018 soll das Porto für einen Standardbrief von jetzt 63 Cents auf einen Dollar steigen, außerdem werden bis zu 8.000 Arbeitsplätze wegfallen, die meisten allerdings durch den Verzicht auf Neubesetzungen, wenn Mitarbeiter in Rente gehen.
    Kanadas Post zieht damit die Konsequenzen aus einer dramatisch veränderten Marktlage. Als Folge des wachsenden E-Mail- und SMS-Verkehrs ging das Briefaufkommen in Kanada zwischen 2006 und 2012 um 1 Milliarde Sendungen zurück, allein in diesem Jahr musste ein Verlust von 170 Millionen Dollar verbucht werden. Wenn auch viele Kanadier verstehen, dass ihre Post sich nach den Kräften des Marktes ausrichten muss, gibt es deutliche Kritik am Ende der Briefzustellung: "Alles wird unbequemer und ich bekomme meine Post nicht mehr dann, wenn ich sie brauche."
    Besonders die Seniorenorganisationen sehen der kommenden Selbstabholung mit Sorge entgegen. Sie sei nicht nur für Gehbehinderte ein schwer zu bewältigendes Problem, sondern auch ein zusätzliches Sicherheitsrisiko, meint Susan Eng von der Canadian Association of Retired Persons: "Schon jetzt kommt es immer wieder vor, dass Rentenschecks aus den Briefkästen gestohlen werden, nun kommt auch noch die Sorge dazu, wie gefährlich der Weg zur öffentlichen Postfach-Anlage werden kann."
    Fünf Millionen Haushalte hauptsächlich in Großstädten sind vom Ende der Briefzustellung betroffen, ganz neu und damit ungewohnt ist das Prinzip Selbstabholen in Kanada allerdings nicht. In dem dünn besiedelten Land leben schon jetzt zwei Drittel der Kanadier ohne individuelle Briefzustellung - und finden es gar nicht so schlimm.
    Man kann doch ruhig zum Postfach gehen, im Sommer ist das ein netter Spaziergang, sagt sie, und ihr Nachbar ergänzt: Da sind immer Leute aus unserer Gegend - ab und zu ist das ein richtiger Treffpunkt. Das "ab-und-zu" steht allerdings auch zur Diskussion. Schon jetzt gibt es in Kanada samstags keine Post. Sollten die aktuellen Service-Kürzungen hinter der erwarteten Kostenersparnis von 900 Millionen Dollar im Jahr zurückbleiben, könnte bald auch montags der Postmann nicht mehr klingeln.