Archiv


Kanzleien in Kette

Berlin, Charlottenburg. Auf dem Wittenbergplatz vor dem KaDeWe sitzen Flaneure und Touristen vor Milchkaffee und Sahneeis und blinzeln in die Sonne. Direkt hinter ihnen an der Platzecke leuchten Farbflächen in hellem Maigrün aus großen Ladenfenstern. Ist das ein Sonnenstudio? Werden hier Medizinprodukte verkauft? Durch das Schaufenster sieht man zunächst grüne Kinderstühle und Spielzeug vor grünen Wänden. Ein Kindergarten? Die Tür steht offen. Und man entdeckt hinter einem Empfangstresen ein Schild in ansehnlicher Größe mit dem Schriftzug: juraXX . JuraXX ist der Markenname einer neuen Rechtsanwaltskette.

Von Dorothea Jung |
    Das Konzept von juraXX ist, dass unsere Kanzleien in 1a- und -b-Geschäftslagen sind. Das ist auch die Grundidee von juraXX, die Transparenz im Auftreten. Die Mandanten sollen zu uns kommen, die Angst vorm Anwalt verlieren. Und auch die Transparenz in den Preisen. Es finden sich in unseren Schaufenstern Preislisten für die Erstberatung - sodass die Leute eben auch die Angst vor den Kosten des Anwaltes , die ja doch sehr groß ist, häufig eben verlieren.

    Rechtsanwältin Zaklina Jurisic ist Partnerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Eugen Boss Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die die Kanzlei-Kette unter dem Markennamen juraXX betreibt. Zaklina Jurisic ist Mitte 30. In den letzten Jahren hat sie in einer großen Berliner Anwaltskanzlei als Angestellte gearbeitet und vergeblich darauf gewartet, dass man ihr den Eintritt in die Sozietät anbietet. Dann hörte sie vom juraXX-Konzept, machte sich auf einem Infoabend der Eugen-Boss-GmbH mit der Unternehmensphilosophie bekannt und hat jetzt sichtlich Freude daran, in der neuen Berliner juraXX-Filiale die Philosophie der Kanzlei-Kette als ideales Konzept für junge Juristen anzupreisen. Zaklina Jurisic:

    Das heißt: Man ist vollwertiger Partner dieser GmbH, und man hat ein Fixum am Anfang, man hat keine Existenzangst. Und man hat aber auch ein Provisionsmodell, also ab einer gewissen Umsatzzahl hat man anteilig Ansprüche auf Provisionszahlungen und die sind natürlich steigend mit den steigenden Umsatzzahlen.

    Die Höhe des Gesellschafterdarlehens, das sie bei Eintritt in die GmbH zu zahlen hatte, will Zaklina Jurisic nicht verraten. Sie bezeichnet die Summe aber als moderat und nennt eine Reihe von Vorteilen, die das Unternehmen ihrer Ansicht nach für junge Juristen bietet.

    Wir kommen in voll ausgestattete Kanzleien, die Kosten dafür trägt die GmbH, wir haben eine volle Ausstattung der EDV- Anlage; wir sind vernetzt, das heißt: wenn ich ein sehr spezifisches steuerrechtliches Problem habe, kann ich meinen Kollegen in Essen kontaktieren, ihn bitten, die Akte aufzuschlagen und die Sache kurzfristig per Telefon zulösen; der Mandant wird also nicht nach Hause geschickt oder die Sache wird nicht bearbeitet.

    Die gesamte Bürokommunikation wird von der Dortmunder Zentrale erledigt. Die Rechtsanwaltsgehilfinnen in Berlin befassen sich also nicht mit Tätigkeiten wie Mahnwesen, Versicherungen und Zwangsvollstreckungen. Rechtsanwalts- und Notargehilfin Jennifer Weese, zum Beispiel, ist ausschließlich für den Kontakt mit den Mandanten da:

    Das ist halt einfach ein bisschen offener, freier gestaltet, und wir hier vorne haben natürlich den ersten Kontakt mit den Mandanten.

    Ein Mandant findet:

    Die Tür ist offen, man kommt gleich rein. Das ist es. Ich habe keinen festen Anwalt, weil ich zum Glück den bisher noch nicht benötigt habe und jetzt habe ich aber ein kleines Problem, und da wollte ich mich mal vorweg erkundigen.

    Die Preislisten im Fenster, die offensive Werbung von juraXX haben vielerorts die etablierte Anwaltschaft gegen die Kanzleikette aufgebracht. Mal wird die Werbung als berufsschädigend angesehen, mal werden die Preise für die Erstberatung als marktschädigend betrachtet. In Berlin gibt es Zweifel daran, ob der Markenname juraXX zulässig ist. Doch das GmbH-Konzept des Unternehmens betrachtet die Präsidentin der Berliner Rechtsanwaltskammer nicht unbedingt mit Skepsis. Margarethe von Gahlen sieht alles pragmatisch.

    Solange die Vorschriften, die für alle Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsgesellschaften gelten, eingehalten werden, haben wir gar nichts gegen ein neues Konzept, im Gegenteil. Es ist den Betreibern zu wünschen,. dass ein solches Konzept wirtschaftlich auch Erfolg hat.

    Zweifel gebe es nur an diesem Erfolg, sagt Margarethe von Gahlen. Eine Kanzlei in der Ladenstraße sei kein Schuhgeschäft. Schuhe bräuchte man immer, aber Rechtsberatung nicht unbedingt. Sich auf Laufkundschaft zu verlassen sei ein Geschäftsrisiko. Und deswegen sei sie skeptisch, ob juraXX der Durchbruch gelingen kann.