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Kanzlerin bei Putin
Merkel: "Wir sind unterschiedlicher Meinung"

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin haben bei einem Treffen in Sotschi die Unterschiede ihrer Meinungen betont. Trotzdem wolle man in allen Fragen zusammenarbeiten - in Syrien, in der Ukraine und in wirtschaftlichen Fragen. "

02.05.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhält sich am 02.05.2017 in Sotschi (Russland) mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin
    Kanzlerin Angela Merkel zu Besuch in Sotschi bei Russlands Präsident Wladimir Putin (Jesco Denzel/Bundesregierung/dpa)
    Der Besuch hatte Hoffnungen auf eine Entspannung des vor allem durch den Krieg im Osten der Ukraine gestörten Verhältnisses zwischen Merkel und Putin genährt. Bei der Pressekonferenz nach dem ersten Teil der Gespräche traten aber vorrangig die altbekannten Unterschiede hervor. "Es gibt Meinungsverschiedenheiten", sagte Merkel. "Aber internationale Politik bedeutet, immer wieder das Gespräch zu suchen." Das Treffen in Sotschi war das erste in Russland zwischen Putin und Merkel seit 2015.
    Unterschiedliche Ansichten zur Ukraine
    Putin betonte in emotionalen Worten erneut, dass die aktuelle ukrainische Regierung seiner Ansicht nach mit einem "staatlichen Umsturz einen verfassungswidrigen Machtwechsel" vollzogen habe. Er warf Kiew vor, für territoriale Abtrennungen und Blockaden verantwortlich zu sein. Merkel sagte dagegen, dass die ukrainische Regierung "auf demokratische Weise an die Macht gekommen" sei. Man sei "unterschiedlicher Meinung", was die Ursache des Konflikts anginge.
    "Unbeschadet dieser Tatsache versuchen wie gemeinsam, eine weitere Eskalation zu verhindern", sagte Merkel. Beide Politiker betonten allerdings, dass man mit dem bisherigen Prozess und der Umsetzung des Minsker Abkommens unzufrieden sei. Es müsse kein neues Verhandlungsformat und auch kein neues Abkommen geschaffen werden, sondern die in der Vergangenheit erreichten Vereinbarungen konsequenter umgesetzt werden. Putin forderte einen direkten Dialog zwischen Kiew und den Separatisten.
    Russland bleibt in Syrien an Assads Seite
    Auch was den Krieg in Syrien angeht zeigten sich Unterschiede. Merkel warb für ein Konzept von "sicheren Zonen", das man "weiter bearbeiten" wolle. Putin widersprach einer Journalistin, dass er den gößten Einfluss auf Syriens Machthaber Baschar al-Assad habe. "Den hat das syrische Volk", sagte er. Fortschritte bei der Suche nach einer friedlichen Lösung habe man mit dem Iran und der Türkei erreicht. Vor allem der Iran gilt neben Russland als Schutzmacht Assads. Merkel und der Westen wollen dagegen eine Zukunft Syriens ohne den aktuellen Präsidenten.
    Konflikt bei Einmischung in Wahlkämpfe
    Putin wies Vorwürfe einer Einmischung Russlands in die kommende Bundestagswahl zurück. "Wir haben uns niemals in das politische Leben oder in die politischen Prozesse anderer Länder eingemischt", beonte er. Er erwarte das auch von anderen Ländern in Bezug auf die kommenden Wahlen 2018 in Russland. "Wir beobachten seit vielen Jahren Versuche der Einmischung in die innenpolitischen Prozesse Russlands." Zu den Vorwürfen aus den USA, die Präsidentschaftswahl im vergangenen Herbst beeinflusst zu haben, gebe es keine Beweise. "Das ist lediglich ein Gerücht, das im innenpolitischen Kampf in den USA genutzt wird", sagte Putin.
    Hier zeigte sich eine weitere Konfliktlinie. Merkel sagte, dass sie solchen Vorgängen gegenüber nicht ängstlich sei. Und sie sprach über Fehlinformationen wie die vermeintliche Vergewaltigung des Mädchens Lisa in Berlin-Marzahn und die fehlgeleiteten Berichte über die Vergewaltigung eines Mädchens in Litauen durch deutsche Soldaten - solchen Fehlmeldungen werde man entgegentreten.
    Merkel fordert Rechte für Minderheiten
    Merkel sagte zudem, dass sie darauf hingewiesen habe, "wie wichtig das Demonstrationsrecht und wie wichtig die Rolle der NGOs ist". Sie habe daran erinnert, dass es "negative Berichte über den Umgang mit Homosexuellen in Tschetschenien" gebe und Putin darum gebeten habe, seinen Einfluss geltend zu machen um Minderheitenrechte zu sichern. Sie sprach auch das Verbot der Zeugen Jehovas an.
    Putin kritisierte dagegen, dass ausländische NGOs Teil von politischen Kampagnen in Russland seien. Rechtsschutzorgane in Russland würden zurückhaltender und ohne Schlagstöcke oder Tränengas agieren, sagt Putin: "Und immer im Rahmen der russischen Gesetze."
    Bundeskanzlerin will Dialog erhalten
    "Auch wenn es gravierende Meinungsverschiedenheiten gibt, dass es manchmal ganz schön kracht", sagte Merkel, müsse man den Dialog auch zwischen den Zivilgesellschaften erhalten. "Sonst mündet es in ein Schweigen und in ein immer geringeres Verständnis füreinander." Gerade durch die Geschichte beider Länder sei es geboten, Gespräche immer wieder zu suchen.
    Putin sprach "gewaltige gemeinsame Interessen" wirtschaftlicher Natur auf beiden Seiten an. Der Handel zwischen Deutschland und Russland habe in den vergangenen Monaten wieder zugenommen. Deutschland sei nach China der wichtigste Handelspartner Russlands. Seit Beginn der Sanktionen nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 hatte der Handel stark nachgelassen.
    Der deutsch-russische Handel in einer Grafik.
    Die Kanzlerin auf diplomatischer Mission
    Gestern hatte Merkel die Vereinigten Arabischen Emirate besucht und dort mit Kronprinz Scheich bin Said al-Nahjan über den Bürgerkrieg im Jemen gesprochen. Deutschland will sich mit diplomatischen Mitteln für Frieden im Bürgerkriegsland Jemen einsetzen. Weiteres Thema war ein mögliches EU-Freihandelsabkommen mit den Ländern des Golf-Kooperationsrates.
    In den nächsten Wochen wird die Bundeskanzlerin in Brasilien und Argentinien erwartet. Der G-20-Gipfel findet Anfang Juli in Hamburg statt.
    (nch/ach)