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Karriere dank Edel-Kita

Immer mehr Eltern wollen ihre Kinder später auf eine Top-Schule schicken. Doch diese Schulen sind längst überlaufen und nehmen nur noch Kinder aus Top-Kindertagesstätten auf. Der Markt für exklusive, private Vorschuleinrichtungen, die möglichst auch noch mehrsprachig arbeiten, wächst - für die, die es sich leisten können.

Von Jens Rosbach |
    " (Erzieherin) Warum ist Obst und Gemüse ganz gut für den Körper, Philip? - Weil da kein Zucker drin ist - Sondern was ist da drin in Obst und Gemüse? - Ganz viel Fett! - Nee! (Lachen). Was ist drin in Obst und Gemüse? ... Genau, Obst hat einen anderen Zucker, ist richtig. Einen gesünderen Zucker. Aber was ist denn noch drin? Ganz viele Viiii.... (Kind) Vitamine! - Vitamine, genau! "

    Sie gehen nicht in eine "Kita" - sondern sie besuchen eine "Akademie". Und sie spielen nicht in Zwergen- oder Froschgrüppchen, sondern sie lernen in "Einstein"-, "Darwin"- oder "Picassogruppen". Die Berliner Besmartacademy ist eine Ganztagseinrichtung, die Vorschulkinder auf Deutsch und Englisch betreut - bzw. unterrichtet. Und zwar intensiv, mit vielen Erziehern. Die Eltern zahlen dafür - zusätzlich zum normalen Kita-Satz - bis zu 285 Euro pro Kopf und Monat.

    "Früher war das so, dass man sich gekümmert hat, auf eine gute Schule zu kommen. Da war der Kindergarten relativ egal. Die Zeiten sind vorbei."

    Anne Sophie Briest hat vor eineinhalb Jahren die Besmartacademy eröffnet. Die Berliner Schauspielerin und Mutter zweier Kinder hatte beobachtet, dass immer mehr Eltern ihre Kleinen auf kommunale Europaschulen und auf Privatschulen schicken. Denn dort wird in Kleingruppen unterrichtet - und bilingual. Doch die staatlichen Kitas machten die Kinder zumeist nicht fit für die Top-Schulen, erklärt Briest, und die Schul-Direktoren führten strenge Aufnahmetests durch.

    "Diese Direktoren und Tester gucken auf den Kindergarten. Weil sie einfach viele Löcher nicht stopfen wollen. Sie haben keine Lust sich ein Jahr damit zu beschäftigen, einem Kind beizubringen, was rot, grün und blau ist und welchen Hefter man aus der Schultasche nimmt. Da haben die keine Lust drauf. Also holen die sich e i n Niveau rein. Sie können es sich ja aussuchen. Sie haben ja Wartelisten. Und so ist die Wirklichkeit."

    Die Besmartacademy hat die Europa- und Privatschulen gezielt nach ihren Aufnahmekriterien befragt. Das Ergebnis: ein Vorschulcurriculum mit Mathe-, Deutsch- und Naturwissenschaftseinheiten. So lernen die Drei- bis Sechsjährigen, woher die Milch kommt, wie man Milch schreibt, und wie man mit Milchlitern rechnet. Ebenfalls auf dem Plan: Experimentieren, Zeichnen - und auch Spielen. Und das sogar in der Hauptsache: Eine Stunde Unterricht pro Tag ist Pflicht, alle anderen Lernmodule sind freiwillig.

    "Es ist nicht so, dass bei uns Rambazamba eine Stunde nach der anderen abgehalten wird und die Kinder mit solchen Augenringen irgendwie aus der Einrichtung laufen. Sie sind müde - weil sie halt sozusagen diesen Zeitmodulen unterliegen. Aber das ist auch schon alles."

    Die Berliner Journalistin Tong-Jin Smith schickt ihre Tochter in die Berliner Bildungs-Kita. Die 38-Jährige hat koreanische Wurzeln und will ihre Kleine unbedingt auf eine exklusive bilinguale Schule schicken - weiß aber nicht, ob sie dort einen Platz bekommt.

    "Es bereitet mir schlaflose Nächte, ganz ehrlich. Also es ist wirklich, also man dreht fast durch."

    Smith plant weit voraus: Ihr Kind geht in eine Förderkita, damit sie auf eine gute Schule kommt, um schließlich einen idealen, angelsächsischen Schulabschluss zu erhalten.

    "Das Ganze führt dann letztendlich zum internationalen Baccalaureate, was für mich momentan das einzig Sinnvolle ist als Schulabschluss. Ich glaube nicht, dass das Abitur in Zukunft irgendwie auf dem internationalen Markt was wert sein wird. Und ich möchte meiner Tochter die Möglichkeit geben, dass sie studieren kann, wo sie will. Dass sie nicht eingeschränkt ist."

    Mehrsprachigkeit, spielerisches Lernen und individuelle Betreuung - das wollen bildungsbewusste Eltern wie Smith. Ihre Tochter sei von 9 bis 17 Uhr in der Kita, sagt die Mutter. Das Mädchen habe keine Probleme mit dem Vollprogramm und sauge alles wie einen Schwamm auf.

    "Zu Hause, ich meine, da passiert auch eine ganze Menge. Wir lesen sehr viel, sehr, sehr viel sogar. Wir malen zusammen, wir üben schreiben. Also das ist alles ihre Idee. Sie setzt sich dann irgendwann neben mich, schlägt ihr Buch auf und sagt: Mama, ich mache jetzt Hausaufgaben. Und dann schreibt sie Buchstabenketten ohne Ende. Also ich versuche, sie da nicht zu überfordern oder etwas aufzudrängen. Und wenn sie sagt, sie möchte auf den Spielplatz und da irgendwie den Nachmittag verdaddeln, dann ist mir das auch recht."

    Was sagen die Kinder der Berliner Kita-"Akademie" zu dem ehrgeizigen Angebot?

    " (Kind:) Ja, schon öfters ist es für uns anstrengend, aber ich finde es sonst hier toll! - Ich auch - (Reporter:) In andern Kitas wird ja viel mehr gespielt und weniger gelernt - Ja bei uns wird viel mehr gelernt und weniger gespielt. - Und ist das gut? - Ja, für mich schon. - Ja, ich lerne schon gerne. Vor allem Lesen. Ich freu mich schon ganz doll auf die Schule. Weil dann mir die Zähne raus fallen. "

    Der Vorschulbildungsmarkt boomt. Vor allem Dank amerikanischer und britischer Firmen, die in Deutschland ihre Filialen eröffnen. Wie die Helen-Doron-Kette, die allein rund 130 Lern-Zentren in Deutschland betreibt. Andere Unternehmen, wie das Shanghai Institut, bieten sogar Chinesischkurse für Vierjährige an. Zusätzlich gibt es Lern-DVDs zu kaufen, die Baby-Einstein oder Baby-Van-Gogh heißen. Wer seine Kleinen zwischendurch professionell entspannen lassen will, schickt sie zum Kinderyoga. Jochen Treitel ist 44 Jahre alt und Vater von Zwillingen. Der Akademiker hat viele Bildungsanbieter geprüft, bevor er seine Söhne zur Besmartacademy schickte:

    "Man sieht ja auch an der Tatsache an allen Ecken und Enden solche Institutionen wie diese hier aus dem Boden schießen - mit sehr unterschiedlicher Qualität - dass man mit Bildung Geld verdienen kann. Das heißt also, viele Eltern sind sicherlich bereit, heute etwas mehr Geld auszugeben als nur den normalen Hortbeitrag. Aber man muss immer bei der Erfüllung eines solchen Anspruches immer darauf achten, dass es hier nicht nur um Geld geht und um das Label "privat" oder "international" - das klingt alles ganz toll. Und hinten kommt etwas bei raus, was schlechter ist als das staatliche System."

    Für die Berliner Akademie-Gründerin Anne Sophie Briest ist ganz klar: Der Vorschulmarkt wird weiter wachsen. Europa will mehrsprachige, wissenshungrige Kinder.

    Briest: "Der Sache müssen wir einfach mal direkt ins Auge blicken. Und uns bewusst werden, dass unsere Kinder anders groß werden als wir es sind. Und die müssen einfach fit sein. Weil da gibt's ganz andere Länder wie aus Skandinavien, für die ist der Standard, den wir vorgeben, völlig normal. Und da wissen wir ganz genau, wo der Hammer hängt."