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Karrierebeschleuniger oder Schmalspurstudium?

Bachelor - und was dann? Unter dieser Überschrift fand der diesjährige Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fakultätentag an der Universität Göttingen statt. Was halten Wirtschaftsvertreter, Lehrende und Studierende vom neuen Bachelorabschluss? Ist es ein Schmalspurstudium oder eine fundierte Ausbildung?

Von Carolin Hoffrogge |
    Christian Ziegenhorn studiert Mathematik an der Universität Göttingen. In drei Jahren hat er seinen Bachelor of Art in der Tasche. Numerische Verfahren, Geometrie, Statistik? Für Christian ein Rätsel, wie er die komplizierten Formeln der Mathematik mal so eben in drei Jahren Studium lernen soll, um danach eine sinnvolle Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

    " Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht so recht, was man mit sechs Semestern Mathe machen soll. Ich denke schon, dass man da auf jeden Fall einen neun- bis zehn-semestrigen Studiengang benötigt, um entsprechende Kenntnisse erworben zu haben. "

    Neben dem Mathestudium hat Christian auch noch mit der Informatik angefangen. Der Bachelor of Art der Informatik ist für ihn eine Zusatzqualifikation, mehr nicht.

    " Ich sage mal, das ist dann der etwas bessere Programmierer, aber halt auch nicht mehr. Das ist vielleicht eine etwas bessere Ausbildung, aber mit Universität hat das im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun. "

    Für Frank Stefan Becker hingegen von der Siemens AG ist der Bachelorabschluss auf keinen Fall ein Schmalspurstudium. Schließlich, so Becker, lernen die Studierenden an den Universitäten nicht das, was später im Job von ihnen verlangt wird. Da schleifen die Berufserfahrungen in den Betrieben die Bachelor of Art besser und schneller rund. Das sei viel sinnvoller als lange Jahre in Hörsälen der Unis rumzusitzen.
    " Wir zeigen, dass der Kontakt in der Arbeitswelt ein Bereich ist, wo man sehr viele Dinge lernen kann, die man an der Uni nicht lernt. Es gibt viele Dinge, die können sie gar nicht in ein Curriculum fassen. Zum Beispiel: Welche Kunden haben wir? Welche Produkte gibt es? Wer weiß was wo? Situationsangemessenes Handeln. In einem Unternehmen spielen die menschlichen Aspekte eine viel größere Rolle als die rein sachlichen überprüfbaren Fakten. Das sind Dinge, die lernen sie in einem Unternehmen, die können sie nicht in einer Vorlesung lernen. "

    Als Vertreter der Industrie weiß Becker, dass die Bachelor aus der Informatik, dem Maschinenbau oder der Betriebswirtschaft in der Industrie zur Zeit sehr gefragt sind. Allerdings muss der Bachelor auch Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens drauf haben.

    " Wir glauben, dass ein Bachelor Studiengang, wo auch die jungen Menschen eine Bachelorarbeit selbstständig machen, wo sie auch mal etwas gestalten, ein bisschen forschen oder etwas entwickeln, das deutlich besser ist, als ein Studium, wo ich nach zwei Jahren gerade man die Prüfung überlebt habe. "

    Jung jünger am jüngsten sollen sie sein, die die studiert von der Uni kommen, so Frank Stefan Becker. Sind junge Akademiker doch flexibler einsetzbar.

    " Wir schicken die jungen Leute gerne ins Ausland. Das wird um so schwieriger je älter sie sind, je stärker sie schon in familiären Bezügen gebunden sind. Diese Zeit zu nutzen, wenn sie jung sind, wenn sie flexibel sind, erste Erfahrungen zu sammeln in einem internationalen Konzern, ist einfach ein Vorteil. "

    Professor Heinz Mehlhorn lehrt seit 32 Jahren Zoologie an der Universität in Düsseldorf.
    Mehlhorn sträuben sich die Haare bei dem Gedanken, dass jetzt alle Studiengänge auf Bachelor umgestellt werden. Damit, so der Biologieprofessor, kümmern sich die deutschen Hochschulen um die Abbrecher - um die, die nach sehcs Semestern keinen Mumm haben weiterzumachen. Laut Mehlhorn wird das System zu Lasten der Studierenden repariert.

    " In der Quantität kann man nicht mit unter acht oder zehn Semestern in den Naturwissenschaften was Vernünftiges machen. Vergleichen wir mal einen Handwerksmeister, der hat drei Jahre Lehre, drei Jahre Geselle, das ist auch lang. Das heißt ich erwarte auch von jemandem, der meine Toilette anschließt, dass der das kann. In Bereichen wie Juristerei, Lehrer und Theologie, da erkennt man keinen Bachelor an, man baut nur Hilfskrücken. "

    Eine Hilfskrücke will Ann-Nike Bark mit ihrem Bachelorabschluss nicht mit nach Hause nehmen müssen. Die 21- jährige studiert Mathe und Politik auf Lehramt. Steht in 4 Semestern bei ihr nicht die Note 2,5 auf dem Papier, kann sie nicht im Masterstudiengang weitermachen und sich somit auch nicht zur Gymnasiallehrerin qualifizieren. Für Ann-Nike der reine Lernstress.

    " Jetzt muss man auf seine Noten achten, man muss nicht nur die Klausuren bestehen, sondern man hat den Stress, dass man nach Möglichkeit eine 1 schriebt. Nicht nur so ein bisschen lernt und dann habe ich meine 4, das geht nicht mehr. "

    So fordern die Studenten auch, die Notenhürde zwischen den Bachelor und Masterstudiengängen möglichst niedrig anzusetzen. Mathestudent Christian Ziegenhorn.

    " Es sollte immer die freie Entscheidung des Studierenden sein, ob er nach sechs Semestern sagt: " Ich höre auf und gehe in den Beruf. Oder ob er sagt, ich gehe weiter, mache meinen Master und möchte danach auch noch promovieren." Jeder der nach dem Bachelor weitermachen möchte, sollte dazu auch die Gelegenheit bekommen. "