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Kaserne dicht - Kaufkraft weg

Die bayerischen Bundeswehr-Standorte stellen einen echten Wirtschaftsfaktor für die jeweilige Region dar. Die Sparpläne von Verteidigungsminister Guttenberg lassen viele Gemeinden zittern - und nun steht auch noch die Wehrpflicht zur Disposition.

Von Michael Watzke |
    Montagabend ist für Sedat Aydin der beste Tag der Woche. Da ist sein kleiner Dönerladen "Antalya" auf dem Marktplatz von Pfreimd voll mit Soldaten:

    "Wenn die Soldaten kommen und Dürüm haben wollen, mach ich das mit frischem Brot. Deswegen sagen alle in der Kaserne: sehr lecker."

    Den 150 Wehrdienstleistenden aus der nahen Oberpfalzkaserne schmeckt Aydins Dürüm definitiv besser als alles, was in der Truppenküche aufgetischt wird. Für Aydin ist die Sache ziemlich einfach: Stirbt die Wehrpflicht, kann er seinen Dönerladen dichtmachen:

    "Wenn die Kaserne nicht da wäre – schlecht. Einige Läden würden dichtmachen. Zum Beispiel meiner."

    Sedat Aydin ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Ganze 5000-Einwohner-Städtchen Pfreimd ist von der Bundeswehr so abhängig wie die Fische im Stadtwappen vom Flusswasser der Pfreimd. Ob nun der kleine Metzgerladen an der Hauptstraße oder der örtliche Dachdecker - wäre die Bundeswehr nicht hier:

    Umfrage:

    "Da wären wir arbeitslos."

    "Wäre für Pfreimd schon ein Verlust."

    "Wenn die nicht wären, wären wir auch nicht."

    Wobei natürlich die Abschaffung der Wehrpflicht nicht die Abschaffung der Bundeswehr bedeutet. Gäbe es die Wehrdienstleistenden nicht, blieben immer noch rund 1000 Soldaten in der Oberpfalzkaserne. Aber damit wäre der Standort bedrohlich dicht an der berüchtigten 900er-Grenze. Vor der fürchtet sich nicht nur Pfreimds Bürgermeister Arnold Kimmerl:

    "Der durchschnittliche Standort liegt bei 900. Und wir haben bei beiden Standorten in der Region Schwandorf mehr als 900, nämlich 1100 bis 1200. Man muss das im Verbund sehen."

    Ob die Strukturkommission der Bundeswehr das auch im Verbund sieht, weiß niemand in Pfreimd. Die Sparpläne von Verteidigungsminister Guttenberg lassen jetzt schon viele Gemeinden zittern. Auch ohne die Diskussion über die Wehrpflicht. In Standorten mit weniger als 100 Dienstposten, wie Bamberg, Bayerisch Eisenstein oder Deggendorf, fürchtet man das Schlimmste. Auf kommunaler Ebene hat der Verteidigungsminister erhebliche Unruhe verursacht.

    Als dann auch noch sein Wehrpflichtvorstoß kam, sah sich CSU-Ministerpräsident Seehofer zum Eingreifen genötigt. Denn bei jeder Bundeswehr-Reform:

    Seehofer: "Es geht in Bayern auch um weit über 40 Standorte und etwa 50.000 Dienstposten."

    Und vor allem geht es um Wähler. Die meisten Bundeswehr-Standorte in Bayern sind CSU-regiert. Zum Beispiel Bogen in Niederbayern. Bürgermeister Franz Schedlbauer preist die Bundeswehr als Rückgrat einer Region mit rund 100.000 Menschen:

    "Die mittelständische Wirtschaft profitiert auf alle Fälle, die Bundeswehr ist ein großer Arbeitgeber für uns und damit auch Träger des Volkseinkommens."

    Aber die Bundeswehr ist in Bogen mehr als ein Wirtschaftsfaktor. Der Großteil der Bürger identifiziert sich mit der Truppe. Man sagt nicht "die Soldaten", sondern "unseren Soldaten". Die drei wichtigsten Persönlichkeiten in Bogen sind Bürgermeister, Pfarrer und Truppenkommandeur. Generalarzt Dr. Frank Schindelhauer leitet das Sanitätskommando 4 mit Sitz in Bogen. Er schätzt die hohe Lebensqualität der Region und das gute Verhältnis zur Bevölkerung. Er lobt den Standort ausdrücklich – gerade in schwierigen Zeiten:

    "Wenn die etwas in den Medien hören, wie wir ja auch, dann machen die sich natürlich Gedanken darüber, ob die Soldaten bleiben, was sich ja auch auf den Standort auswirkt, wirtschaftlich und allgemein. Da kann ich mir schon vorstellen, dass da eine gewisse Ängstlichkeit herrscht, wie es weitergeht."

    In diese ängstliche Situation hinein kam Guttenbergs Vorstoß, die Wehrpflicht abzuschaffen. Für Bürgermeister Schedlbauer hat der Verteidigungsminister und CSU-Parteifreund damit den Bogen überspannt.

    "Für mich als konservativer Politiker ist die Wehrpflicht unerlässlich. Die hat uns 60 Jahre Frieden und Freiheit beschert und eine friedliche Wiedervereinigung. Und dann leisten wir uns als CSU, als Bewahrer dieser Werte, auch noch eine Diskussion oder denken überhaupt nach über die Abschaffung der Wehrpflicht."

    Natürlich argumentiert der Kommunalpolitiker Schedlbauer auch im wirtschaftlichen Interesse seiner Region. Aber der Rückhalt für die Wehrpflicht ist in der CSU hoch, ob nun bei Bayerns Innenminister Hermann oder beim früheren Verteidigungsminister Jung:

    "Unsere Bundeskanzlerin hat deutlich gemacht, dass die Wehrpflicht ein Markenzeichen der Bundeswehr ist."

    Auch in der Bundeswehr selbst ist die Debatte um die Zukunft der Wehrpflicht im Gang. Als "Bürger in Uniform" sei es wichtig, sagt Generalarzt Schindelhauer, dass auch die Soldaten selbst mitdiskutieren, auch wenn die Politik entscheide. Dass die Soldaten nicht glücklich waren, dass die Debatte um die Wehrpflicht so überstürzt und in teilweise chaotischer Atmosphäre geführt wurde – das deutet Schindelhauer an. Aber:

    "Ich hab immer noch, vor allem trotz aller Mediendiskussionen, die Hoffnung, dass die politisch Verantwortlichen sich ihrer Verantwortung bewusst sind, was den Auftrag der Bundeswehr angeht. Dass sie keine Schnellschüsse abgeben. Das ist das Vertrauen, das man in die Politik haben muss. Ansonsten wird's ein bisschen schwierig."

    "Keine Schnellschüsse" verlangt der General vom Verteidigungsminister, und Kommunalpolitiker Schedlbauer wird noch deutlicher. Guttenberg habe mit der Wehrpflichtdebatte einen Testballon aufsteigen lassen. Den habe die CSU abgeschossen.

    "Und wenn das Echo gewaltig ist – und das Echo war, glaube ich, gewaltig negativ – dann muss man einfach darüber nachdenken, dass das nicht die richtige Entscheidung wäre."

    In den eigenen Reihen, zeigt sich, trifft der Verteidigungsminister auf die größten Widerstände.