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Kasernen zu Wohnheimen

Bundesbauminister Ramsauer schlägt gegen die Wohnungsnot bei Studierenden die Umwandlung von Kasernen in Wohnraum vor. In einer Stadt wie Berlin ist das jedoch ein Problem, denn die im Zuge der Bundeswehrreform vielleicht bald ungenutzten Kasernen liegen meist vor den Toren der Hauptstadt.

Von Dieter Nürnberger | 17.10.2012
    "Jetzt, wo das Semester begonnen hat, habe ich keine Lust mehr, eine Wohnung zu suchen, weil ich einfach weiß, dass es nicht so viel Spaß macht." - "Gerade wohne ich einer WG, habe aber sehr lange gesucht. Habe mir Wohnungen dabei angeschaut, die ich vor drei Jahren schon mal besichtigt habe. Die sind nur teurer geworden, aber nicht hübscher." - "Ich wohne noch zu Hause, aber ich würde schon noch gern mal ausziehen, aber das ist in Berlin sehr schwierig."

    Vor dem Mathematik-Hauptgebäude an der Technischen Universität in Berlin ist gerade Vorlesungspause. Man nutzt noch einmal die Sonnenstrahlen des recht warmen Herbsttages. An der TU Berlin haben sich im gerade begonnenen Wintersemester rund 5700 Studenten und Studentinnen neu eingeschrieben, bei rund 30.000 Studierenden insgesamt. Eine feste Bleibe - das zeigt eine sicherlich nicht repräsentative Umfrage hier vor dem Mathegebäude - haben die meisten. Viele wohnen noch zu Hause, in einer WG oder haben sogar eine eigene, kleine Wohnung. Doch von einer entspannten Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt würde keiner sprechen. Der Vorschlag von Bundesbauminister Peter Ramsauer, künftig nicht mehr genutzte Bundeswehrkasernen als Wohnraum für Studenten zur Verfügung zu stellen, ist hier auch noch nicht angekommen, obwohl der CSU-Politiker damit gestern auf vielen Kanälen zu sehen und zu hören war.

    "Wir werden uns ganz genau ansehen, ob in den kommenden Jahren freiwerdende Kasernen in studentische Wohnheime umgenutzt werden können. Möglicherweise mit einem überschaubaren Kosteneinsatz. Wenn dies gelänge, wäre dies ein sehr positiver Nebeneffekt der gesamten Bundeswehrreform."

    Die Studenten sind überrascht - Wohnen in einer ehemaligen Kaserne? Das mutet zumindest erstmal komisch an.

    "Wäre wahrscheinlich schon möglich, aber ich weiß jetzt nicht, inwieweit die Kasernen doch weiter außerhalb liegen. Ich habe auch keinen Vorteil davon, wenn ich einen Anfahrtsweg von eineinhalb Stunden hätte." - "Ich möchte doch näher an der Uni wohnen. Da fällt mir eine Kaserne in Köpenick ein, doch von dort zur TU wären dies eineinhalb Stunden hin und eineinhalb Stunden zurück. Da sehe ich keinen Sinn drin, deswegen würde ich nicht von zu Hause ausziehen."

    Wie stets auf dem Immobilienmarkt scheint somit die Lage ein entscheidendes Kriterium zu sein. In Berlin liegen die Kasernen meist nicht in der Innenstadt. In Potsdam, vor den Toren der Hauptstadt, ist das schon wieder anders. Wohl auch in vielen anderen Städten.

    Die Kaserne als Männerdomäne - dieses Bild hat ohnehin längst ausgedient. Frauen in Uniform gehören auch bei der Bundeswehr längst zum Image der Streitkräfte. Doch auch ohne Uniform in einer ehemaligen Kaserne wohnen?

    "Für mich würde es nicht überhaupt nicht infrage kommen. Weil ich gerne schön wohnen würde. Und alte Kasernen - das kann ich mir nicht vorstellen." - "Ich würde auch nicht in einer Kaserne wohnen wollen. Wenn sie schön hergerichtet würde, gut, warum nicht." - "Ich habe von vielen gehört, die keinen WG-Partner haben, die haben Probleme, eine Wohnung für sich alleine zu finden. Und die Studentenheime sind voll." - "Klingt schon komisch, aber es ist eine Möglichkeit. Wenn man keine Wohnung hat, dann muss man es machen."

    Begeisterung über den Ramsauer-Vorschlag hört sich anders an. Doch bevor man gar nichts findet - Pragmatismus. Wohnraum ist teuer - gerade in Berlin. Die Studierenden kennen die Preise.

    "Ich wohne mit einer Freundin zusammen, wir zahlen zusammen 600 Euro warm." - "Also, ich würde sagen, allerhöchstens 400 Euro pro Person, wenn man in einer WG wohnt." - "Erfahrungswerte für eine Einzimmerwohnung: Da braucht man auf jeden Fall 400 Euro. Allein für die Wohnung, dann kommen noch Lebenshaltungskosten dazu."

    Bundesbauminister Peter Ramsauer weiß, dass es nur für rund 10 Prozent der Studierenden in Deutschland Zimmer in Studentenwohnheimen gibt. Ein Durchschnittswert. Der große Rest muss auf dem freien Markt fündig werden. Und da wird es immer enger und vielerorts auch immer teurer. Studenten in Kasernen - zumindest steht nun die Idee in der politischen Diskussion. Übrigens: Ramsauer erinnerte sich gestern auch an seine eigene Studienzeit.

    "Wir können nur froh sein, dass die heute Studierenden dies mit einer gewissen Ruhe ertragen, wir wären damals gewissermaßen schon auf die Barrikaden gegangen."