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Katalonien-Konflikt
Spaniens Regierungschef entmachtet Regionalregierung

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy hat die katalanische Regionalregierung abgesetzt. Er reagierte damit auf die am Freitagnachmittag verkündete Unabhängigkeitserklärung der Region. Neuwahlen soll es bereits im Dezember geben. Die Reaktionen auf Rajoys Entscheidung hingegen sind unterschiedlich.

Von Marc Koch | 28.10.2017
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy (M) kommt am 27.10.2017 in Madrid (Spanien) im Senat an.
    Man wolle Katalonien Recht und Legalität zurückgeben, begründet Ministerpräsident Rajoy seinen Schritt (dpa-Bildfunk / AP / Paul White)
    Härter und früher als von vielen erwartet reagiert die spanische Regierung auf die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens. Nach einer Sondersitzung des Kabinetts am Freitagabend sind die ersten Maßnahmen auf Grundlage des Verfassungsartikels 155 in Kraft getreten – und sie treffen zu allererst die katalanische Regionalregierung, verkündete Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy:
    "Absetzung des Präsidenten der Regierung von Katalonien. Absetzung des Vizepräsidenten und der übrigen Minister der Autonomen Regierung."
    Die Funktionen von Ministerpräsident Carles Puigdemont und seines Kabinetts sollen vorläufig die jeweiligen Fachminister in Madrid übernehmen. Außerdem müssen der Chef der Regionalpolizei, der Mossos d'Esquadra sowie die Gesandten der katalanischen Regierung in Madrid und in Brüssel gehen. Die Auslandsvertretungen Kataloniens werden bis auf die Repräsentanz in Brüssel geschlossen.
    Katalonien Recht und Legalität zurückgeben
    Rajoy betonte noch einmal, dass diese Entscheidungen keine Strafen gegen Katalonien seien, sondern der Autonomen Region Recht und Legalität zurückgeben sollen.
    "Das sind die ersten Maßnahmen, die wir ergreifen, um zu verhindern, dass die bisherigen Verantwortlichen der Regionalregierung die Spirale von Ungehorsam und Aggression gegen unsere Verfassung und das Zusammenleben in Katalonien weiterdrehen."
    Neuwahlen bereits im Dezember
    Lange soll Katalonien nicht ohne eigene Regierung bleiben.
    "Ich habe das katalanische Parlament aufgelöst. Am 21. Dezember wird in dieser Autonomen Region neu gewählt."
    Der spanische Regierungschef erwähnte mit keinem Wort, wie dieses Maßnahmenpaket in der Praxis durchgesetzt werden soll. Selbst neutrale Beobachter rechnen nicht damit, dass die katalanische Verwaltung oder die Regionalpolizei die Intervention aus Madrid widerspruchslos hinnehmen werden. Die renommierte unabhängige Denkfabrik Real Instituto Elcano warnt sogar vor einem möglichen "katalanischen Maidán" – in Anlehnung an den Konflikt in der Ukraine 2013 mit Toten und Verletzten. Der nationalistische Ministerpräsident des Baskenlandes, Iñigo Urkullu, hatte bis zum Schluss vor der Anwendung des Artikels 155 gewarnt.
    Man sollte keine Maßnahmen ergreifen, die die Situation noch schlimmer machen. Es ist nötig, noch größeres Übel zu vermeiden.
    Katalanische Wirtschaft begrüßt Reaktion aus Madrid
    Ganz anders sieht das die starke katalanische Wirtschaft. Sie fürchtet weitere Einbußen mit jedem Tag, den die einseitig erklärte Unabhängigkeit Kataloniens andauert. Joaquin Gay de Montallá vom katalanischen Unternehmerverband begrüßt die schnelle Reaktion der Regierung.
    "Es macht uns fassungslos zu sehen, wie mittlere und große Unternehmen weggehen. Wir sind komplett gegen diese Haltung, die die momentane Situation formell ermöglicht hat."
    Die Reaktion aus Madrid kam schnell. Wie lange sie dauern wird, kann noch niemand sagen.