Katalonien polarisiert in Spanien wie kaum eine andere Region. In Madrid sind die Katalanen so unpopulär wie schon lange nicht mehr. Aber dennoch gibt es Keimzellen der gegenseitigen Verständigung – gemischte Familien. Ein Bericht von Hans-Günter Kellner.
"Mama, bringst Du mir den Zucker", ruft die sechsjährige Marina ihrer Mutter Sonia zu – in katalanischer Sprache. Das ist zunächst nichts Besonderes. Doch die Familie lebt in Madrid. Sonia stammt aus Barcelona, Vater Alberto aus Madrid, Tochter Milena spricht katalanisch.
Diese Mischung ist immer noch ungewöhnlich. Schließlich weiß doch jeder, dass sich Katalanen und Madrileños nicht leiden können – angeblich. Auch bei Sonia und Alberto sah es nicht gleich nach einer dauerhaften Liebesbeziehung aus:
"Wir lernten uns 1992 im katalanischen Salou im Sommerurlaub kennen. Als die Jungs sagten, sie kommen aus Madrid, dachte ich mir 'Madre mía, diese Lackaffen, was wollen die bei uns?' Die Rivalität war sofort da, die Vorurteile vom Zentralismus, der eigene Stolz über unsere katalanische Sprache und Kultur. Na ja, ich habe meine Meinung nach zwei Tagen schon geändert."
Nach einigen Jahren zog die Katalanin dann zu Alberto nach Madrid. Sie fand Arbeit bei einem Unternehmen, das von Madrid aus auch Kunden in Katalonien betreut, die Wert darauf legen, in katalanischer Sprache angesprochen zu werden. Als Milena vor sechs Jahren auf die Welt kam war klar: Das Kind soll zweisprachig aufwachsen. Mutter und Tochter sprechen katalanisch, der Vater mit beiden spanisch:
Die drei verbringen jeden Sommer bei den Großeltern in Tarragona am Mittelmeer, wo die Menschen fast ausschließlich katalanisch sprechen. Alberto versteht die mit dem Spanischen doch stark verwandte Sprache inzwischen gut, und spricht Spanisch mit seinen Schwiegereltern. Es geht also. Warum verstehen sich die Katalanen und die Madrilenen denn dann manchmal so schlecht? "Die Ressentiments sitzen tief", meint Alberto.
"Da ist bei den Katalanen immer dieser Vorwurf, 'wir bekommen viel weniger zurück, als wir zahlen, in Madrid sind die Autobahnen umsonst, wir zahlen Mautgebühren, wir arbeiten und Madrid ist voller Beamter, ihr habt eine tolle U-Bahn und wir nicht'. Ich als Madrilene mache diese Vorwürfe an den Staat nicht. Auch aus Madrid fließt mehr ab. Mich schmerzt es nicht, wenn meine Steuern in andere Regionen fließen. Vielleicht, weil die Extremadura genauso ein Teil von mir ist, wie Madrid."
"Genau das ist der Zentralismus, den wir euch vorwerfen. Wenn ich in Katalonien lebe, dann erwarte ich von meinen Politikern eine Reihe von Dingen: Eine gute Schulbildung für meine Tochter, ein funktionierendes Gesundheitssystem, gute Autobahnen. Was in der Extremadura passiert, interessiert mich nicht. Darum sollen sich ihre Politiker kümmern."
Auch beim Streit um das am Sonntag zur Abstimmung stehenden Autonomiestatut stehen Finanzfragen mit an erster Stelle. Katalonien soll künftig die Hälfte aller Einkommenssteuern behalten. Wird das neue Statut angenommen, ist davon auszugehen, dass dieser Verteilungsschlüssel auch auf die weiteren Autonomen Gemeinschaften übertragen wird. Zweiter Streitpunkt ist die Frage: Ist Katalonien eine Nation?
"Der Streit ist so ein Blödsinn. Hier geht es um ein Gefühl, das hat man oder man hat es eben nicht. Das ist unsere Sprache, die Kultur, die Verwurzelung in der Heimaterde, Verbundenheit mit den Bergen und Städten. Das ist das Nationalgefühl. Und die Kultur, der Brauch, sich zum Fest des Heiligen Georg Rosen und Bücher zu schenken."
"Du hast dieses Gefühl als Katalanin. Aber ich finde, deine Städte, deine Flüsse und deine Berge sind für mich Teil der spanischen Nation. Es drängt sich doch der Eindruck auf, dass dieses Stück Erde, das früher Spanien war, jetzt nur noch Katalonien sein soll. Heute hat das zwar nur einen symbolischen Wert, aber morgen geht es dann noch einen weiteren Schritt in Richtung Separatismus. Davor haben wir Angst. Du musst verstehen, dass für mich Katalonien Spanien ist, und ich, dass es für dich eine Nation ist. Natürlich erkenne ich an, dass es große Unterschiede gibt, aber auch Asturien, das Baskenland oder Galicien haben ihre Besonderheiten."
Tabus gibt es keine, die beiden diskutieren engagiert – aber so viel Bereitschaft zum gegenseitigen Verständnis würde man auch den Politikern im Kampf um Stimmen für oder gegen das neue Autonomiestatut wünschen.
Denn in Katalonien müssen die Gegner des neuen Textes ihre Veranstaltungen abbrechen, sie werden Faschisten beschimpft. Und auch in Madrid ist das Klima aggressiv. Vor einem Informationsstand der Volkspartei diskutieren drei junge katalanische Touristen mit Vertretern der Konservativen, da schreit ein Mann aus dem Hintergrund, die ekelhaften Katalanen mit ihrer hässlichen Sprache sollten sich alle zum Teufel scheren.
"Mama, bringst Du mir den Zucker", ruft die sechsjährige Marina ihrer Mutter Sonia zu – in katalanischer Sprache. Das ist zunächst nichts Besonderes. Doch die Familie lebt in Madrid. Sonia stammt aus Barcelona, Vater Alberto aus Madrid, Tochter Milena spricht katalanisch.
Diese Mischung ist immer noch ungewöhnlich. Schließlich weiß doch jeder, dass sich Katalanen und Madrileños nicht leiden können – angeblich. Auch bei Sonia und Alberto sah es nicht gleich nach einer dauerhaften Liebesbeziehung aus:
"Wir lernten uns 1992 im katalanischen Salou im Sommerurlaub kennen. Als die Jungs sagten, sie kommen aus Madrid, dachte ich mir 'Madre mía, diese Lackaffen, was wollen die bei uns?' Die Rivalität war sofort da, die Vorurteile vom Zentralismus, der eigene Stolz über unsere katalanische Sprache und Kultur. Na ja, ich habe meine Meinung nach zwei Tagen schon geändert."
Nach einigen Jahren zog die Katalanin dann zu Alberto nach Madrid. Sie fand Arbeit bei einem Unternehmen, das von Madrid aus auch Kunden in Katalonien betreut, die Wert darauf legen, in katalanischer Sprache angesprochen zu werden. Als Milena vor sechs Jahren auf die Welt kam war klar: Das Kind soll zweisprachig aufwachsen. Mutter und Tochter sprechen katalanisch, der Vater mit beiden spanisch:
Die drei verbringen jeden Sommer bei den Großeltern in Tarragona am Mittelmeer, wo die Menschen fast ausschließlich katalanisch sprechen. Alberto versteht die mit dem Spanischen doch stark verwandte Sprache inzwischen gut, und spricht Spanisch mit seinen Schwiegereltern. Es geht also. Warum verstehen sich die Katalanen und die Madrilenen denn dann manchmal so schlecht? "Die Ressentiments sitzen tief", meint Alberto.
"Da ist bei den Katalanen immer dieser Vorwurf, 'wir bekommen viel weniger zurück, als wir zahlen, in Madrid sind die Autobahnen umsonst, wir zahlen Mautgebühren, wir arbeiten und Madrid ist voller Beamter, ihr habt eine tolle U-Bahn und wir nicht'. Ich als Madrilene mache diese Vorwürfe an den Staat nicht. Auch aus Madrid fließt mehr ab. Mich schmerzt es nicht, wenn meine Steuern in andere Regionen fließen. Vielleicht, weil die Extremadura genauso ein Teil von mir ist, wie Madrid."
"Genau das ist der Zentralismus, den wir euch vorwerfen. Wenn ich in Katalonien lebe, dann erwarte ich von meinen Politikern eine Reihe von Dingen: Eine gute Schulbildung für meine Tochter, ein funktionierendes Gesundheitssystem, gute Autobahnen. Was in der Extremadura passiert, interessiert mich nicht. Darum sollen sich ihre Politiker kümmern."
Auch beim Streit um das am Sonntag zur Abstimmung stehenden Autonomiestatut stehen Finanzfragen mit an erster Stelle. Katalonien soll künftig die Hälfte aller Einkommenssteuern behalten. Wird das neue Statut angenommen, ist davon auszugehen, dass dieser Verteilungsschlüssel auch auf die weiteren Autonomen Gemeinschaften übertragen wird. Zweiter Streitpunkt ist die Frage: Ist Katalonien eine Nation?
"Der Streit ist so ein Blödsinn. Hier geht es um ein Gefühl, das hat man oder man hat es eben nicht. Das ist unsere Sprache, die Kultur, die Verwurzelung in der Heimaterde, Verbundenheit mit den Bergen und Städten. Das ist das Nationalgefühl. Und die Kultur, der Brauch, sich zum Fest des Heiligen Georg Rosen und Bücher zu schenken."
"Du hast dieses Gefühl als Katalanin. Aber ich finde, deine Städte, deine Flüsse und deine Berge sind für mich Teil der spanischen Nation. Es drängt sich doch der Eindruck auf, dass dieses Stück Erde, das früher Spanien war, jetzt nur noch Katalonien sein soll. Heute hat das zwar nur einen symbolischen Wert, aber morgen geht es dann noch einen weiteren Schritt in Richtung Separatismus. Davor haben wir Angst. Du musst verstehen, dass für mich Katalonien Spanien ist, und ich, dass es für dich eine Nation ist. Natürlich erkenne ich an, dass es große Unterschiede gibt, aber auch Asturien, das Baskenland oder Galicien haben ihre Besonderheiten."
Tabus gibt es keine, die beiden diskutieren engagiert – aber so viel Bereitschaft zum gegenseitigen Verständnis würde man auch den Politikern im Kampf um Stimmen für oder gegen das neue Autonomiestatut wünschen.
Denn in Katalonien müssen die Gegner des neuen Textes ihre Veranstaltungen abbrechen, sie werden Faschisten beschimpft. Und auch in Madrid ist das Klima aggressiv. Vor einem Informationsstand der Volkspartei diskutieren drei junge katalanische Touristen mit Vertretern der Konservativen, da schreit ein Mann aus dem Hintergrund, die ekelhaften Katalanen mit ihrer hässlichen Sprache sollten sich alle zum Teufel scheren.