Freitag, 19. April 2024

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Kate Connolly über Großbritanniens EU-Austritt
Der Brexit und der britische Sportsgeist

Der Brexit war der Versuch des damaligen Premierministers David Cameron, seine Macht zu stärken. Das ging schief. Seitdem hat sich der Wendepunkt Brexit zu einer Wendezeit gestreckt, von der auch die Journalistin Kate Connolly betroffen ist. "Mein Geburtsland ist mir ein Rätsel", so Conolly im Dlf.

Kate Conolly im Gespräch mit Jörg Biesler | 24.08.2019
Frau mit einer Umhängetasche in den Farben der britischen Nationalflagge hält ein EU-Fähnchen
Frau trägt eine Stofftasche mit dem Unionjack und der Beschriftung "in" und EU-Fähnchen (imago images / Ralph Peters)
Die Wendezeit rund um den Brexit geht für Kate Conolly zurück bis zum Jahr 2003, als sich Großbritannien zusammen mit den USA am Irak-Krieg beteiligte. "Das war, glaube ich, ein Punkt, wo viele Leute ihr Vertrauen in die Politik verloren haben." Sie selbst hat sich in den Tagen nach dem Referendum dafür entschieden, in der EU zu bleiben und die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. "In der Hoffnung, dass ich mein Leben wieder für mich habe!" Sie habe dann gemerkt, dass viele andere Briten im Ausland genauso denken.
Guardian-Korrespondentin Kate Connolly
"Guardian"-Korrespondentin Kate Connolly (Deutschlandradio / Manuel Czauderna)
Conolly vergleicht die Dynamik des Brexit mit der des britischen Sports. "Ich denke, Sport ist wichtig für die Briten, ist es immer gewesen, hauptsächlich für Männer; mit Rugby und Cricket und Fußball. Und ich denke, man ist sehr konzentriert auf die Nachspielzeit. Also, das Spiel mit dem Feuer - da erlebt man viel."
Die Briten liebten es im Gegensatz zu den Deutschen, risikobereit zu leben. Interessant sei, so Conolly, dass in der Berichterstattung über den Brexit viele Begriffe aus dem Pokern benutzt würden, wie zum Beispiel, wer zuerst "sein wahres Gesicht zeigt".
Churchills wahrer Nachfolger?
Boris Johnson, da ist sich Conolly sicher, sehe sich in der Nachfolge von Winston Churchill, über den er auch eine Biographie verfasst hat. "Churchill ist so beliebt geworden und sein Erfolg basiert darauf, dass er den Krieg gegen die Nazis geführt hat. Man könnte in dem Buch, wenn man es liest, die Wörter "Churchill" und "Krieg" mit "Johnson" und "Brexit" austauschen." Johnsons Selbstverständnis sei, jetzt einen Krieg zu führen, wie Churchill ihn damals geführt habe.
Kurz vorm Klippenrand
Einen Brexit ohne Abkommen hält sie "leider" für sehr wahrscheinlich, obwohl Johnson selbst gesagt hat, er wolle das eigentlich auch nicht. "Aber jetzt schiebt er uns zum Klippenrand, man hat das Gefühl, dass wir kurz davor sind, ins Wasser zu stolpern." Es sei faszinierend und gleichzeitig verheerend zu sehen, was gerade in Großbritannien passiere. Zu ihrem deutschen Pass habe sie mittlerweile ein sehr emotionales Verhältnis.
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Kate Connolly wurde 1971 in Reading geboren, sie ist Berlin-Korrespondentin für den "Guardian" und den "Observer". Mit ihrer Familie lebt sie in Potsdam. Nach dem Brexit-Referendum 2016 beantragte sie die deutsche Staatsbürgerschaft. In ihrem Buch "Exit Brexit - Wie ich Deutsche wurde" (Hanser) beschreibt sie ihre Erfahrungen damit.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.