Die Vorwürfe des ehemaligen Apostolischen Nuntius in Washington, Erzbischof Carlo Maria Viganó, richten sich besonders gegen Papst Franziskus. Er bezichtigt ihn, seine schützende Hand über den prominentesten Beschuldigten in der Missbrauchsaffäre der katholischen Kirche in den USA gehalten zu haben – den ehemaligen Erzbischof von Washington, Theodor McCarrick. Am Ende seines 11-seitigen Briefes fordert Vigano den Papst zum Rücktritt auf. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Briefes just zum Ende des päpstlichen Besuches in Irland dürfte kaum zufällig sein – die Entschuldigung an die Adresse der Opfer und das Schuldeingeständnis im Namen der Kurie sollen durch diese Vorwürfe des Erzbischofs offenbar für unglaubwürdig erklärt und ins Zwielicht gerückt werden.
Viganó behauptet, dass die Missbrauchsvorwürfe gegen den Washingtoner Erzbischof Theodor McCarrick seit langem im Vatikan bekannt gewesen seien. Es sei noch Papst Benedikt XVI. gewesen, der McCarrick deshalb u.a. mit der Strafe belegte, ein zurückgezogenes Leben in Buße zu führen. Diese Strafen habe Franziskus nicht nur de facto zurückgenommen, sondern McCarrick sogar noch zum Königsmacher für Ernennungen in der Kurie und in den Vereinigten Staaten gemacht, schreibt Vigano. Obwohl Papst Franziskus spätestens im Jahr 2013 von den Verfehlungen McCarricks wusste, habe er ihn – so wörtlich – bis zum bitteren Ende gedeckt.
Scharfer Kritiker von Papst Franziskus
Brisant an dem Brief sind nicht nur die Vorwürfe gegen Papst Franziskus, sondern auch die Anschuldigungen, die Vigano gegen weitere Kleriker in den USA erhebt. Seit der Veröffentlichung des Berichts über sexuelle Gewalt in der katholischen Kirche in Pennsylvania am 14. August kommt insbesondere der Washingtoner Kardinal Donald Wuerl als Nachfolger des suspendierten Erzbischofs McCarrick in Bedrängnis. Wuerl gibt sich als Aufklärer, der sich bereits in seiner Zeit als Bischof von Pittsburgh in Pennsylvania stets um die Missbrauchs-Opfer bemüht habe. In seinem Brief rückt Ex-Nuntius Vigano Kardinal Wuerl nun ebenfalls ins Licht der Verschweiger und Vertuscher. Er sei voll im Bilde gewesen, schreibt Vigano.
Die New York Times verortet Erzbischof Vigano als scharfen Kritiker von Papst Franziskus, der unlängst an einem Treffen ausgewiesener Franziskus-Gegner in Rom teilgenommen habe. Dennoch erwarten die Gläubigen in den USA eine Antwort. Sowohl der Papst wie der Vatikan sind sie bislang schuldig geblieben. Und der Washingtoner Erzbischof schweigt ebenfalls.