Die Mauer muss weg! Sonst kann das Heilige Jahr nicht beginnen. Schon vor ein paar Wochen haben Arbeiter im Petersdom die Steinmauer eingerissen, mit der der Zugang zur "Heiligen Pforte" normalerweise verschlossen ist. Heute wird der Papst die Tür öffnen, durch die Pilger nur im Heiligen Jahr in den Petersdom eintreten dürfen.
"Es gibt sicher Menschen, die extra für dieses Heilige Jahr kommen werden", sagt Bruder Helmut Rakowski vom Päpstlichen Rat für Neuevangelisierung, den Franziskus mit der Organisation dieses außerordentlichen Heiligen Jahres beauftragt hat.
Warum außerordentlich? Normalerweise finden die sogenannten Jubiläen alle 25 Jahre statt, eben alle Jubeljahre. Dem Papst ist das Thema Barmherzigkeit so wichtig, dass er den Rhythmus durchbricht. Außerordentlich ist auch, dass nicht nur in den päpstlichen Basiliken in Rom Heilige Pforten durchschritten werden können, sondern überall auf der Welt - in den Kathedralen und Wallfahrtskirchen.
"Das ist das Neue, dass plötzlich die ganze Welt vor Ort dieses Heilige Jahr erlebt. Die Heilige Pforte ist die Einladung, vor die eigene Haustür zu schauen und sich mit den Werken der Barmherzigkeit den Herausforderungen der heutigen Zeit zu stellen."
Erste Heilige Pforte in Zentralafrikanischer Republik geöffnet
Mit dieser Dezentralisierung des Heiligen Jahres hat Papst Franziskus bereits bei seiner Afrikareise vor einer Woche begonnen. In der vom Bürgerkrieg gezeichneten Zentralafrikanischen Republik öffnete er die erste Heilige Pforte.
"Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit beginnt in einem Land, das unter Krieg, Hass, Mangel an Verständigung, Mangel an Frieden leidet."
Barmherzigkeit ist der Kern der Botschaft dieses Papstes. Die Kirche als Lazarett, die mit den Verlierern, den Gescheiterten barmherzig ist. Das will Franziskus in diesem Jahr vermitteln.
"Ablass ist kein leichtes Thema"
Eine Heilige Pforte soll auch in einer Suppenküche für Obdachlose in der Nähe des Römischen Hauptbahnhofes eröffnet werden. Mit den traditionellen Inhalten des Heiligen Jahres tun sich Franziskus und seine Kirche eher schwer. Mit dem Durchschreiten der Pforte, mit Eucharistie und Beichte im Heiligen Jahr ist auch ein Ablass der Sündenstrafen verbunden. Das klingt nach Fegefeuer und Ablassbriefen.
Rakowski: "Also der Ablass ist sicher kein leichtes Thema, der Papst erwähnt es, möchte es aber nicht als Schwerpunkt dieses Heiligen Jahres sehen."
Überschattet werden die Feiern in Rom von der Angst vor dem Terror. Nach den Anschlägen von Paris sind die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Petersdom noch einmal massiv verstärkt worden. Roms Präfekt Franco Gabrielli rät allen Pilgern sich auf lange Warteschlangen einzustellen:
"Natürlich haben wir ein System vorbereitet, mit dem wir die Personen überprüfen können, die in den Petersdom kommen. Deshalb meine Empfehlung: Kommen sie so früh wie möglich und lassen sie bitte ihren Hausstand zu Hause."
Das Heilige Jahr beginnt heute mit einem Gottesdienst im Petersdom, bei dem Texte vorgelesen werden, die während des Zweiten Vatikanischen Konzils verfasst wurden. Heute vor 50 Jahren endete dieses Reformkonzil, in dem sich die katholische Kirche der Welt öffnete und umfangreiche Reformen einleitete. Auch damals wurden Mauern eingerissen.