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Kaufprämie für Elektroautos
"Sehr teure Mitnahmeeffekte, die dann verpuffen"

Der FDP-Vorsitzende von Baden-Württemberg, Michael Theurer, lehnt die geplante Kaufprämie für Elektroautos ab. Dass die Steuerzahler dafür zahlen sollten, leuchte ihm nicht ein, sagte er im Deutschlandfunk. "Entscheidender Hemmschuh" bleibe die unzureichende Lade-Infrastruktur.

Michael Theurer im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Der Landesvorsitzende der FDP in Baden-Württemberg, Michael Theurer, spricht am 12.06.2015 in Balingen (Baden-Württemberg) auf dem Landesparteitag der FDP zu den Delegierten.
    Der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende und Europaabgeordnete Michael Theurer (dpa / picture alliance / Patrick Seeger)
    Der Europaabgeordnete Theurer betonte, dass die FDP die Kaufprämie aus ordnungspolitischen Gründen ablehne. "Wir befürchten sehr teure Mitnahmeeffekte, die dann verpuffen", sagte er im DLF. Die deutschen Autobauer hätten in den vergangenen zehn Jahren 217 Milliarden Euro Gewinn verbucht. "Da stellt sich die Frage, ob so eine Industrie nicht selber solche Kaufanreize oder Rabatte geben kann." Zudem müsse die Lade-Infrastruktur ausgebaut und die Reichweite der Elektroautos verbessert werden, betonte Theurer. Nur dann würden die Fahrzeuge für die Kunden attraktiv.
    Der FDP-Europaabgeordnete kritisierte, dass die deutschen Autobauer die E-Mobilität nicht früher vorangetrieben hätten. "Offensichtlich kommt der Verkauf von Elektrofahrzeugen erst richtig in Gang, seitdem ein Wettbewerber aus den USA angefangen hat, mit attraktiveren Modellen auf den Markt zu kommen."

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Rund 45 Millionen PKW sind in Deutschland zugelassen. Da kann man schon fast ins Grübeln darüber geraten, ob es da überhaupt ein ambitioniertes Ziel ist oder war, das die Bundesregierung sich gesetzt hat, nämlich bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen. Gemessen an der Realität ist das Ziel ganz klar ambitioniert, denn bisher sind es wenige Zehntausende, und darum will die Bundesregierung jetzt ein bisschen nachhelfen, oder auch ganz schön mit einer Kaufprämie für Elektroautos. Bei dem Autogipfel gestern saß man bis in die Nacht zusammen. Ergebnisse wurden nicht offiziell bekanntgegeben.
    Am Telefon begrüße ich den Europaabgeordneten und Baden-Württembergischen FDP-Vorsitzenden Michael Theurer. Guten Morgen!
    Michael Theurer: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: FDP-Chef Christian Lindner hat die Pläne ja schon vor der Einigung als Verschwendung von Steuergeldern kritisiert. Warum ist es besser, das Hotelgewerbe zu päppeln wie einst mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz, als jetzt eine der wichtigsten Industrien in Deutschland, die Automobilindustrie?
    Theurer: Aus der Abwrackprämie hat man gelernt, dass das Strohfeuer-Effekte sind. Nach den Beihilfevorschriften der EU wäre die Gewährung staatlicher Mittel zwar zulässig, aber wir stellen uns als Freie Demokraten die Frage, ob das das richtige Instrument ist. Es ist ein Einstieg in eine Subvention in Milliardenhöhe. Es ist zu befürchten, dass es Mitnahmeeffekte gibt, die sehr teuer sind für den Steuerzahler. Und als ich vor zwei Jahren mit einem Elektroauto 400 Kilometer durch Baden-Württemberg gefahren bin, da habe ich selber gemerkt, woran es eigentlich liegt. Ich erinnere mich noch, wie der Bürgermeister von Althengstedt dann in die Rathausgarage einbrach, um ein Verlängerungskabel zu holen, denn das ist ja das Entscheidende, dass zum Beispiel die Lade-Infrastruktur nicht vorhanden ist. Wir von der FDP plädieren gegen Kaufprämien und dafür, dass die Infrastruktur so ausgebaut wird, dass es für die Kunden attraktiv wird, ein Elektrofahrzeug zu kaufen.
    Viele Hemmnisse für Elektromobilität
    Schulz: Das sind ja ganz brisante Informationen, die Sie uns hier über Einbrüche melden. - Aber um bei der E-Mobil-Prämie zu bleiben: Sie kritisieren das. Aber was ist denn gewonnen, wenn die deutsche Automobilindustrie international abgehängt wird?
    Theurer: Na ja, die entscheidende Frage ist, ob es das richtige Instrument ist. Die deutsche Automobilindustrie hat ja in den vergangenen zehn Jahren 217 Milliarden Euro Gewinn verbucht. Da stellt sich die Frage, ob so eine Industrie nicht selber solche Kaufanreize oder Rabatte für Elektromobilität geben kann. Und die zweite Frage ist: Warum kaufen denn die Kunden das nicht? Es ist aus ordnungspolitischer Sicht nicht sinnvoll, praktisch solche Kaufprämien zu gewähren, sondern eher dafür zu sorgen, dass die Elektromobilität für den Kunden so attraktiv wird, dass es funktioniert. Und wenn Sie es mal selber ausprobiert haben und nicht wie mancher Regierungschef für Fernsehzwecke kurz um den Block fährt, dann stellt man fest, dass gerade die Lade-Infrastruktur ein Haupthemmnis ist für die Benutzung von Elektromobilität, aber auch die Reichweite. Die deutschen Hersteller haben ja bisher am Markt nur Fahrzeuge, die 200 Kilometer Reichweite haben, und da muss man sagen, da gibt es einen amerikanischen Wettbewerber, der jetzt selber massiv reingeht. Der hat eine höhere Reichweite und er baut die Lade-Infrastruktur selbst. Vielleicht hängt damit der Erfolg zusammen und da stellt sich die Frage, ob die deutsche und europäische Automobilindustrie selbst rechtzeitig die Zeichen erkannt hat. Dass das jetzt der Steuerzahler ausgleichen soll, leuchtet uns nicht ein, denn diese Kaufprämie muss ja von den Steuern der kleinen und mittleren Unternehmen bezahlt werden und von den Steuern der Normalbürger.
    Schulz: Haben Sie das in Baden-Württemberg den Automanagern auch schon gesagt, dass das für Sie jetzt keine Leistungsträger mehr sind?
    Das Symbol eines Autos mit Kabel auf dem Asphalt - ein Parkplatz für Elektroautos.
    Das Symbol eines Autos mit Kabel auf dem Asphalt - ein Parkplatz für Elektroautos. (picture-alliance / dpa / Jan Woitas)
    Theurer: Ich habe vor Jahren bereits darauf hingewirkt, dass die Lade-Infrastruktur das Entscheidende ist. Das kann die Automobilindustrie im Übrigen ja auch nicht alleine regeln. Da hätte ich mir gewünscht, dass der Staat und vor allen Dingen natürlich auch der Verkehrsminister, die Bundesregierung früher reingegangen wäre, um zum Beispiel mit den Tankstellenbetreibern entlang der Autobahnen etwa, die ja in Bundeseigentum sind, verpachtet werden, dafür zu sorgen, dass da die Lade-Infrastruktur aufgebaut wird. Leider ist da noch Fehlanzeige. Hier könnte man Steuergelder im Übrigen aus unserer Sicht sinnvoll einsetzen. Die FDP ist ja dafür, dass wir zum Beispiel technologieoffene Forschungsförderung betreiben. Wir könnten uns auch vorstellen, den Verkehrssektor schrittweise in den europaweiten CO2-Emissionshandel einzubeziehen, und Infrastruktur-Investitionen sind aus Sicht der Freien Demokraten mit einer Marktwirtschaft immer zu vereinbaren.
    "Aus Gründen der Ordnungspolitik gegen direkte Kaufprämie"
    Schulz: Diese Infrastruktur-Investitionen sollen ja jetzt auch mit kommen. Aber bei dieser Automobilprämie, da ist jetzt ja das Neue, auch sozusagen der Unterschied zur Abwrackprämie, dass jetzt die Automobilindustrie selbst auch dafür zur Kasse gebeten werden soll mit Hunderten Millionen Euro. Ist das nicht das richtige Signal?
    Theurer: Die Infrastruktur-Investition ist nicht zu kritisieren. Da sind wir als Freie Demokraten dafür. Bei direkten Kaufprämien, die praktisch direkt in den Markt eingreifen, in das Marktgeschehen, sind wir aus Gründen der Ordnungspolitik, der sozialen Marktwirtschaft dagegen und befürchten, dass es sehr teure Mitnahmeeffekte gibt, die dann verpuffen.
    Schulz: Das soll also aus Sicht der FDP am besten alles so bleiben wie es ist. Deutschland ist berühmt und bekannt für große, teure, Sprit schluckende, emittierende Autos und das bleibt am besten auch so.
    Theurer: Nein, das haben wir nicht gesagt, sondern die Fahrzeuge werden dann gekauft, wenn die Kunden es sich wünschen und wenn die Automobilhersteller natürlich günstige Angebote machen. Es ist ja die Frage, ob die deutschen und europäischen Automobilhersteller tatsächlich schon sehr attraktive Angebote gemacht haben. Dass der Markt und der Wettbewerb funktioniert, das zeigt man ja jetzt, weil offensichtlich kommt der Verkauf von Elektrofahrzeugen erst richtig in Gang, seit ein Wettbewerber nämlich aus den USA hier angefangen hat, mit attraktiveren Modellen auf den Markt zu kommen. Da stellt sich die Frage, warum die europäischen und deutschen Automobilhersteller das nicht früher selbst in die Hand genommen haben.
    Schulz: Sie reduzieren es jetzt ja auf dieses Reichweitenproblem. Das ist allerdings ja im Stadtverkehr sicherlich nicht das zentrale Problem der Autofahrer, und da würde ich jetzt gerne noch mal auf Ihre Rolle als FDP-Chef in Baden-Württemberg kommen. Gerade Stuttgart hat ja dieses Feinstaubproblem, ständig Feinstaubalarm. Muss da jetzt nicht wirklich in Sachen Elektromobilität mehr passieren?
    "Infrastruktur funktioniert noch nicht"
    Theurer: Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich bin einer der Pioniere der Elektromobilität, 92 bereits mit einem Elektroauto unterwegs gewesen, damals mit 40 Kilometer Reichweite. Ich habe es dann vor zwei Jahren auch noch mal im Feldversuch selber getestet, und der entscheidende Faktor ist die Lade-Infrastruktur. Gerade in einer Stadt wie Stuttgart, wenn Sie da in einer Mietwohnung wohnen, wo wollen Sie eigentlich das Gerät einstecken? Ich fuhr dann in die Landtagsgarage, da war dann ein Energieversorger, der mir sagte, dafür brauchen Sie eine extra Karte. Die hatte ich aber nicht und innerhalb von drei Tagen wollte man mir die Karte zur Verfügung stellen. So lange wollte ich aber da nicht parken. Der entscheidende Hemmschuh, damit es für den Bürger attraktiv ist, ist, dass die , und das ist bei weitem in der Fläche noch nicht gewährleistet und darauf sollten sich die Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europapolitiker konzentrieren.
    Ein "Chademo" Aufladestecker für Elektrofahrzeuge steckt am 26.04.2016 bei der Hannover Messe in Hannover in einem Nissan Leaf. 
    Die Infrastruktur muss funktionieren, betont Theurer. (picture alliance / dpa / Ole Spata)
    Schulz: Könnte es denn sein, dass die Verbraucher einfach keine Lust haben auf Elektroautos?
    Theurer: Mit einem Elektroauto zu fahren ist wunderbar, total attraktiv.
    Schulz: Für bisher 27.000.
    Theurer: Man fährt auch ganz ruhig. Wenn Sie da durch einen verkehrsberuhigten Bereich fahren, dann können Sie jeden Schritt hören. Es macht einfach Spaß, mit einem Elektroauto zu fahren. Ich glaube, dass der Elektromobilität die Zukunft gehört, nicht ausschließlich, aber doch wesentlich stärker als jetzt. Wir sind allerdings als Freie Demokraten der Meinung, dass die Kunden das entscheiden sollten, und da kommt es auf die Automobilindustrie an, dass sie sehr attraktive Fahrzeuge dann zur Verfügung stellt. Und ich bin auch zuversichtlich, dass auch deutsche Hersteller das machen, denn ich bin auch schon mit einem E-Smart gefahren oder auch mit einem Elektroauto von Audi und BMW. Das sind tolle Fahrzeuge und ich glaube, wenn das richtig angeboten wird und die Lade-Infrastruktur stimmt, dann werden die Kunden auch zugreifen.
    Schulz: Jetzt sage ich der Vollständigkeit halber noch, dass es auch noch andere tolle E-Mobile gibt. - Der Europaabgeordnete Michael Theurer von der FDP hier heute Morgen in den "Informationen am Morgen". Danke Ihnen.
    Theurer: Ja, ich danke Ihnen, Frau Schulz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.