Hans-Olaf Henkel sitzt nicht, er steht auf der Bühne. Seine Fingerspitzen berühren einander, die Augen sind wie immer leicht zugekniffen. Beginn einer gut 70-minütigen One-Man-Show. Der Konzertsaal der Berliner Universität der Künste ist mit etwa 250 Personen halb gefüllt. 22 Euro Eintritt haben sie bezahlt. Sie sind neugierig, erwarten etwas für ihr Geld. Und Henkel liefert. Seine Wahrheiten zur Rettung des Euros sind unbequem, ernüchternd, hier und da knapp, aber für jeden nachvollziehbar.
"Ich sage Ihnen jetzt schon: Alles, was da verabredet wurde, hat Zeit gekauft und nichts anderes bewirkt."
Das EU-Hilfspaket für Griechenland? Ein Irrweg. Weder Schuldenschnitt noch Staatspleite würden dem Land und seinen Gläubigern helfen, sagt er mit ruhiger Stimme.
"Bleiben wir mal bei der Umschuldung: Jetzt liest man‚Griechenland wurde die Hälfte der Schulden erlassen, und jetzt hat es eine tolle Chance, nach oben zu gehen’. Ja, meine Damen und Herren, Sie wissen ja, dass diese Umschuldung einen angelsächsischen Begriff hat. Das wird ja ‚Haircut’ genannt. ‚Haircut’, Haarschnitt. Ich war vor vier Wochen beim Friseur. Ich muss in drei Wochen wieder hin, meine Damen und Herren, Griechenland muss in drei Wochen auch wieder hin."
Einige Zuhörer lachen, viele nicken zustimmend mit dem Kopf. Endlich sagt mal einer die Wahrheit über die Schnorrermentalität der Griechen, raunt ein Mann seinem Nachbarn zu. "Der Spiegel" bezeichnete Hans-Olaf Henkel als "Helden einer großbürgerlich-liberalen Apo". Einer außerparlamentarischen Opposition der gehobenen Klasse. Im Publikum sitzen vor allem seriös gekleidete Herren mit ihren Ehefrauen. Dazwischen ein paar junge Männer im Anzug und mit offenem Hemdkragen. Die Frauen sind eindeutig in der Minderzahl.
Henkels Zuhörer klatschen häufig, immer gesittet, nie überschwänglich. Die vier Personenschützer, die der Veranstalter zum Schutz Henkels in den Saalecken verteilt hat, müssen nicht eingreifen.
"Meine Damen und Herren, was ist das denn für ein Exportförderungsprogramm? Wo die deutsche Industrie durch einen künstlich niedrigen Euro mehr exportiert, aber die deutschen Steuerzahler und deren Kinder die Folgen dieser Politik im Süden übernehmen müssen. Das halte ich für ziemlich unverantwortlich und absurd."
Wieder Applaus. Vielen im Publikum spricht Hans-Olaf Henkel aus der Seele. Sein Kampf für die Einführung des Euro sei die "größte Fehleinschätzung" seiner beruflichen Laufbahn gewesen, gesteht der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie heute ein. Und mit der gleichen Leidenschaft, mit der er sich einst für die gemeinsame europäische Währung stark machte, plädiert er nun für deren Abschaffung. Henkel will die Aufteilung der Eurozone.
"Wie wäre das? Deutschland, Österreich, Holland und Finnland verlassen die Währungsunion und lassen den Euro da, wo er ist. Wir organisieren einen neuen Euro, ich nenne ihn mal Nordeuro."
Die übrigen, wirtschaftlich schwächeren Länder bekämen den Südeuro. Henkel schlägt vor: Deutschland müsste dann ein entsprechendes Austrittsgeld aus der Eurozone zahlen. Andächtiges Schweigen im Publikum. Na und, ruft Henkel, besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
"Ja, wenn wir das vor einem Jahr gemacht hätten, wäre es billiger gewesen. Und wenn wir es in einem Jahr machen, wird es noch mal doppelt so teuer. Wir müssen irgendwann auch eine Entscheidung treffen, und die Politik muss das tun, was ich gemacht habe: einen Fehler zugeben und dann aufgrund des Fehlers eine andere Politik einplanen."
Hans-Olaf Henkel ist vom Saulus zum Paulus geworden. Ihn treibt ein Ziel um: Er will, sagt er, unser Geld retten. Seine Kritiker halten ihm entgegen, er verkaufe komplexe Sachverhalte als simple Wahrheiten. Im Saal aber setzt sich niemand mit seinen Thesen kritisch auseinander. Den meisten klingen seine Ausführungen überzeugend und schlüssig. Doch eine eigene Anti-Euro-Partei gründen, wie es gerüchteweise heißt, will Henkel nicht. Noch nicht. Stattdessen hat er für seine Anhänger einen anderen Vorschlag parat.
"Das ist die Mitgliederbefragung der FDP, die zum Ziel hat, die FDP-Spitze dazu zu bekommen, dem permanenten Rettungsschirm, der Anfang des nächsten Jahres durch den Bundestag soll, nicht zuzustimmen. Also, ich schlage vor, in die FDP einzutreten, das zu unterschreiben, Moment, das zu unterschreiben, und wenn es nicht klappt, wieder auszutreten."
Eine Stunde 15 redet der 71-Jährige. Frei, ohne Manuskript. Am Ende dürfen auch die Zuhörer Fragen stellen. Ein junger Mann vermiest fast die harmonische Grundstimmung, als er anmerkt, dass am Einlass die neueste Ausgabe der rechtspopulistischen Zeitung ‚Junge Freiheit’ ausgelegt ist. Darin hat er an prominenter Stelle einen Artikel über Henkels Euro-Thesen entdeckt.
"Was können Sie den Leuten sagen, die Sie bisher noch ganz gut leiden konnten, ob das nicht doch so ein bisschen in die falsche Richtung geht, so ein bisschen aus der bürgerlichen Mitte raus an den rechten Rand, also da habe ich Sorge? - Sie kennen mich nicht, sonst würden Sie die Frage gar nicht stellen. Ich sage meine Meinung zu jedem."
Wohl deshalb nennen ihn seine politischen Gegner auch einen Neo-Populisten oder Euro-Sarrazin. Seine Berliner Zuhörer dagegen sind zufrieden.
"Ja, es hat sich gelohnt, einfach mal zu sehen, welche Leute hier auch zuhören und was so die Stimmung ist, das ist schon sehr interessant."
"Es gibt wenig Leute, die diese Ideen, die er vertritt, so gut erklären können wie er."
"Allerdings. Ich habe es nicht vorher so gesehen wie Herr Henkel, so dramatisch, aber er hat Recht. Jeder von uns hat doch Angst. Machen wir uns doch nichts vor."
"Ich sage Ihnen jetzt schon: Alles, was da verabredet wurde, hat Zeit gekauft und nichts anderes bewirkt."
Das EU-Hilfspaket für Griechenland? Ein Irrweg. Weder Schuldenschnitt noch Staatspleite würden dem Land und seinen Gläubigern helfen, sagt er mit ruhiger Stimme.
"Bleiben wir mal bei der Umschuldung: Jetzt liest man‚Griechenland wurde die Hälfte der Schulden erlassen, und jetzt hat es eine tolle Chance, nach oben zu gehen’. Ja, meine Damen und Herren, Sie wissen ja, dass diese Umschuldung einen angelsächsischen Begriff hat. Das wird ja ‚Haircut’ genannt. ‚Haircut’, Haarschnitt. Ich war vor vier Wochen beim Friseur. Ich muss in drei Wochen wieder hin, meine Damen und Herren, Griechenland muss in drei Wochen auch wieder hin."
Einige Zuhörer lachen, viele nicken zustimmend mit dem Kopf. Endlich sagt mal einer die Wahrheit über die Schnorrermentalität der Griechen, raunt ein Mann seinem Nachbarn zu. "Der Spiegel" bezeichnete Hans-Olaf Henkel als "Helden einer großbürgerlich-liberalen Apo". Einer außerparlamentarischen Opposition der gehobenen Klasse. Im Publikum sitzen vor allem seriös gekleidete Herren mit ihren Ehefrauen. Dazwischen ein paar junge Männer im Anzug und mit offenem Hemdkragen. Die Frauen sind eindeutig in der Minderzahl.
Henkels Zuhörer klatschen häufig, immer gesittet, nie überschwänglich. Die vier Personenschützer, die der Veranstalter zum Schutz Henkels in den Saalecken verteilt hat, müssen nicht eingreifen.
"Meine Damen und Herren, was ist das denn für ein Exportförderungsprogramm? Wo die deutsche Industrie durch einen künstlich niedrigen Euro mehr exportiert, aber die deutschen Steuerzahler und deren Kinder die Folgen dieser Politik im Süden übernehmen müssen. Das halte ich für ziemlich unverantwortlich und absurd."
Wieder Applaus. Vielen im Publikum spricht Hans-Olaf Henkel aus der Seele. Sein Kampf für die Einführung des Euro sei die "größte Fehleinschätzung" seiner beruflichen Laufbahn gewesen, gesteht der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie heute ein. Und mit der gleichen Leidenschaft, mit der er sich einst für die gemeinsame europäische Währung stark machte, plädiert er nun für deren Abschaffung. Henkel will die Aufteilung der Eurozone.
"Wie wäre das? Deutschland, Österreich, Holland und Finnland verlassen die Währungsunion und lassen den Euro da, wo er ist. Wir organisieren einen neuen Euro, ich nenne ihn mal Nordeuro."
Die übrigen, wirtschaftlich schwächeren Länder bekämen den Südeuro. Henkel schlägt vor: Deutschland müsste dann ein entsprechendes Austrittsgeld aus der Eurozone zahlen. Andächtiges Schweigen im Publikum. Na und, ruft Henkel, besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
"Ja, wenn wir das vor einem Jahr gemacht hätten, wäre es billiger gewesen. Und wenn wir es in einem Jahr machen, wird es noch mal doppelt so teuer. Wir müssen irgendwann auch eine Entscheidung treffen, und die Politik muss das tun, was ich gemacht habe: einen Fehler zugeben und dann aufgrund des Fehlers eine andere Politik einplanen."
Hans-Olaf Henkel ist vom Saulus zum Paulus geworden. Ihn treibt ein Ziel um: Er will, sagt er, unser Geld retten. Seine Kritiker halten ihm entgegen, er verkaufe komplexe Sachverhalte als simple Wahrheiten. Im Saal aber setzt sich niemand mit seinen Thesen kritisch auseinander. Den meisten klingen seine Ausführungen überzeugend und schlüssig. Doch eine eigene Anti-Euro-Partei gründen, wie es gerüchteweise heißt, will Henkel nicht. Noch nicht. Stattdessen hat er für seine Anhänger einen anderen Vorschlag parat.
"Das ist die Mitgliederbefragung der FDP, die zum Ziel hat, die FDP-Spitze dazu zu bekommen, dem permanenten Rettungsschirm, der Anfang des nächsten Jahres durch den Bundestag soll, nicht zuzustimmen. Also, ich schlage vor, in die FDP einzutreten, das zu unterschreiben, Moment, das zu unterschreiben, und wenn es nicht klappt, wieder auszutreten."
Eine Stunde 15 redet der 71-Jährige. Frei, ohne Manuskript. Am Ende dürfen auch die Zuhörer Fragen stellen. Ein junger Mann vermiest fast die harmonische Grundstimmung, als er anmerkt, dass am Einlass die neueste Ausgabe der rechtspopulistischen Zeitung ‚Junge Freiheit’ ausgelegt ist. Darin hat er an prominenter Stelle einen Artikel über Henkels Euro-Thesen entdeckt.
"Was können Sie den Leuten sagen, die Sie bisher noch ganz gut leiden konnten, ob das nicht doch so ein bisschen in die falsche Richtung geht, so ein bisschen aus der bürgerlichen Mitte raus an den rechten Rand, also da habe ich Sorge? - Sie kennen mich nicht, sonst würden Sie die Frage gar nicht stellen. Ich sage meine Meinung zu jedem."
Wohl deshalb nennen ihn seine politischen Gegner auch einen Neo-Populisten oder Euro-Sarrazin. Seine Berliner Zuhörer dagegen sind zufrieden.
"Ja, es hat sich gelohnt, einfach mal zu sehen, welche Leute hier auch zuhören und was so die Stimmung ist, das ist schon sehr interessant."
"Es gibt wenig Leute, die diese Ideen, die er vertritt, so gut erklären können wie er."
"Allerdings. Ich habe es nicht vorher so gesehen wie Herr Henkel, so dramatisch, aber er hat Recht. Jeder von uns hat doch Angst. Machen wir uns doch nichts vor."