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Kein Geld mehr für Hund und Katze

Ob Kurzarbeit oder Jobverlust: In vielen Familien wird derzeit das Geld knapper. Wer jeden Euro zweimal umdrehen muss, kann sich Katzen oder Hunde nicht mehr leisten. So geben viele Tierbesitzer ihren Liebling ab, weil sie die Kosten für Futter oder den Tierarzt nicht mehr aufbringen können. Wie in den USA schon seit längerem, füllen sich nun auch hierzulande die Tierheime rasant.

Von Susanne Schrammar |
    Mit ihren großen braunen Augen guckt Luna erwartungsvoll durch das Drahtzaungitter auf dem Gelände des Tierheims am Rande von Lüneburg. Die drei Jahre alte Schäferhundmischlingsdame wurde vor kurzem von ihren Besitzern hier abgegeben - ein Opfer der Wirtschaftskrise.

    "Luna ist vor drei Wochen hergekommen, die Menschen wurden zwangsgeräumt aus ihrer Wohnung, weil sie das halt nicht mehr bezahlen konnten, und mussten in eine Dachgeschosswohnung ziehen und deswegen ist Luna hier."

    Luna, sagt Selina Martens, Leiterin des Lüneburger Tierheims, ist nur ein Beispiel von vielen. Seit Beginn der Wirtschaftskrise im November vergangenen Jahres landen immer mehr Tiere im Heim, weil ihre Besitzer sich Futter und Tierarztrechnungen nicht mehr leisten können. In Lüneburg, erzählt Selina Martens, ist die Zahl der neu aufgenommen Hunde, Katzen und Kaninchen in den letzten Monaten um rund 20 Prozent gestiegen.

    "Also, das hat so stark zugenommen, wir kriegen so viele Tiere. Das ist echt Wahnsinn. Die Leute stehen vor der Tür: Ich muss nächste Woche umziehen in eine Hartz-IV-Wohnung und kann meine beiden Hunde nicht mitnehmen - bitte!"

    Und so müssen die Vierbeiner in Lüneburg jetzt ein bisschen enger zusammen rücken: Mit rund 100 aufgenommenen Tieren ist der örtliche Tierschutzverein am Rande der Belastbarkeit. Lüneburg ist kein Einzelfall. Die Zahl der aus Geldnot abgegeben oder ausgesetzten Tiere steigt stetig an, sagt Vera Steder, Landesvorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes in Niedersachsen.

    "Bei den Kontakten, die ich zu diesen Vereinen habe, höre ich immer wieder, dass ganz viele Tiere abgegeben werden aus wirtschaftlichen Nöten heraus und es ist anzunehmen, dass tatsächlich die Menschen einfach nicht mehr in der Lage sind, die Tierarztkosten zu tragen oder die Steuern oder wenn Versicherungen fällig sind, das ist ein großes Problem."

    Um dem traurigen Trend entgegen zu wirken, gründen sich in Deutschland immer mehr Tiertafeln. Hier werden mittellose Tierhalter gratis mit Futter- und Sachspenden versorgt. Bundesweit gibt es derzeit 22 Ausgabestellen, Tendenz steigend - auch was die Nutzer angeht. In den vergangenen zwei Monaten hat sich nach Angaben der Organisation Tiertafel Deutschland die Zahl der von ihnen versorgten Tiere auf 14.500 mehr als verdoppelt. Auch in Lüneburg gibt es seit Anfang des Jahres ein solches Angebot. Jeden Donnerstagvormittag geben André Pluskwa und sein Team von der Tiertafel kostenlos gespendetes Futter, Spielzeug und Tierarztgutscheine aus.

    "Zum einen ist es das klassische Klientel, Obdachlose oder Menschen kurz vor der Obdachlosigkeit, aber wir bekommen auch zunehmend Rentner, die ein, zwei Katzen haben, ganz gutbürgerliche Leute, die einfach auch zusehen müssen, wie sie über die Runden kommen, also zum Monatsende kommen einfach mehr Leute als zum Monatsanfang."

    Die Mitarbeiter der Tiertafel in Lüneburg bieten auch Beratungen an, doch besonders gefragt sind die Behandlungsgutscheine für den Tierarzt. Im Juli vergangenen Jahres wurden die beim Tierarzt fälligen Gebühren um 12 Prozent erhöht. 100 Euro teure Untersuchungen oder Operationskosten in dreistelliger Höhe - das ist für immer mehr Tierbesitzer einfach nicht drin, sagt Andre Pluskwa.

    "Da scheitert es, glaube ich, gerade am meisten dran, das merke ich, dass der höchste Bedarf da ist, was tierärztliche Versorgung anbelangt. Das kann sich natürlich niemand leisten, das können sich ja eigentlich kaum noch die Normalsterblichen leisten."

    Mit den Gutscheinen wollen die Tiertafeln erreichen, dass die Vierbeiner da bleiben können, wo sie groß geworden sind und wo sie geliebt werden. Tierheime werden dadurch entlastet. Dennoch ist bei der gestiegenen Zahl der Abgabetiere auch eine Zunahme älterer und kranker Hunde und Katzen zu verzeichnen, erzählt Selina Martens vom Lüneburger Tierheim. Wenn operationsbedürftige Tiere abgegeben werden, stehen die Einrichtungen oft vor der schwierigen Entscheidung, sie einschläfern zu lassen oder die Kosten für eine teure OP aufzubringen. Diese Entscheidung wird in Zukunft nicht einfacher, denn die Spendenbereitschaft, haben die Tierheime festgestellt, geht aufgrund der Wirtschaftskrise ebenfalls spürbar zurück.