Im Jahr 2008 gab Angel Heredia dem "Spiegel" ein großes Interview. Kurz vor der Leichtathletik-WM in Berlin berichtete der Mexikaner in der ARD erstmals im Fernsehen umfangreich über gängige Dopingpraktiken: zum Beispiel, wie man Substanzen entwickelt, die bei Dopingkontrollen nicht auffindbar sind oder wie man Athleten mit Dopingmitteln so einstellt, dass die Analytiker zum Zeitpunkt der Tests Nichts aufspüren können.
Alles Informationen, die für Dopingbekämpfer im Sport eigentlich von großer Relevanz sein sollten.
Nach dem "Spiegel"-Interview im Jahr 2008 teilte die Welt-Anti-Doping-Agentur aber auf Nachfrage der ARD mit, das sie nie mit dem einflussreichen mexikanischen Dopingdealer versucht hatte Kontakt aufzunehmen. Auch jetzt, nach dem Heredia noch ausführlicher über Doping in der internationalen Leichtathletik berichtete scheint es bei der WADA zu keinem Umdenken gekommen zu sein. David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur mit Sitz in Montreal, erklärte in dieser Woche dem Deutschlandfunk:
"Wir müssen uns jeden Informanten genau ansehen und prüfen, ob die Informationen verwertbar sind. Wir geben das dann weiter an Leute, die etwas unternehmen können, weil wir selbst weder sanktionieren, noch Untersuchungen vornehmen können. Was Herrn Heredia betrifft, haben wir bereits sehr eng mit der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA zusammengearbeitet, weil er ihnen eine Menge Informationen gegeben hat. Und wir schauen, ob wir etwas damit anfangen können."
Tatsächlich hat Heredia nach ARD-Informationen mit der USADA im Juli 2009 in Kontakt gestanden. Dabei dürfte er auch über andere mögliche Hintermänner des Dopings in der internationalen Leichtathletik berichtet haben. So auch über den bekannten österreichischen Athletenmanager Robert Wagner, mit dem er, so Heredia, vor Jahren Dopinggeschäfte abgewickelt haben will. Warum ist die WADA als internationale Dachorganisation nicht selber an solchen Informationen interessiert?
Die defensive Herangehensweise der Welt-Anti-Doping-Agentur angesichts der Insiderberichte des Mexikaners verblüfft. Noch mehr, wenn David Howman die Aussagen von Heredia offenbar nicht als zwingend bedeutsam betrachtet.
"Einige der Dinge, die er jetzt sagt, sind sechs, sieben Jahre alt und es ist ähnlich wie mit Victor Conte. Er gibt auch viele Informationen raus, aber einiges davon ist nicht mehr ganz aktuell. Also müssen wir sicher gehen, dass es jetzt noch relevant ist. Wir klären es mit denen ab, die es vor Ort betrifft."
Doch schon die Aussagen von Victor Conte wurden von der WADA nur halbherzig aufgearbeitet. Der ehemalige Balco-Chef hatte der WADA unter anderem Informationen über angebliche Dopingdrahtzieher in der Karibik - auch in Jamaika gegeben. Doch gegenüber der ARD musste der damalige Präsident der WADA Richard Pound eingestehen, dass seine Nachfolger die Informationen nie weiterverfolgt hatten.
Beobachter kritisieren in jüngerer Zeit immer mehr, dass die WADA es an wirklichem Aufklärungswillen vermissen lässt. Die WADA schiebt stattdessen den Schwarzen Peter dem Weltleichtathletikverband IAAF zu.
"Ich habe sie nicht gefragt, welche Informationen sie haben. Aber ich weiß, dass die USADA, was diese Informationen betrifft, sehr eng mit der IAAF zusammen gearbeitet hat und sie müssen jetzt sehen, wie sie diese verwenden können."
Und wie verhält es sich mit dem Weltleichtathletikverband IAAF, der sich damit rühmt, energisch das Doping im Sport bekämpfen zu wollen? In dieser Woche hat der Deutschlandfunk auch bei der IAAF angefragt, wie sie mit den Informationen zum Doping in der Leichtathletik umgeht. Gabriel Dollé, der Anti-Doping-Direktor der IAAF, war zu keinem Telefoninterview bereit, mit der Begründung ihm sei es nicht erlaubt, über diesen Sachverhalt zu reden. Pressesprecher Nick Davies teilte schriftlich mit, dass auch der Weltleichtathletikverband - entgegen der Annahme der Welt-Anti-Doping-Agentur - nicht die zuständige Einrichtung für Doping Insider Informationen dieser Art sei:
"Die IAAF ist von ihren Statuten her eine Nicht-Gewinn-orientierte Organisation nach monegassischem Recht, mit sehr wenig Untersuchungsbefugnissen im Gegensatz zu den staatlichen Behörden oder Anti-Doping-Agenturen in bestimmten Ländern. Daher können wir selbst die Informationen, die wir haben, nur sehr eingeschränkt nutzen, indem wir zum Beispiel Doping-Kontrollen bei benannten Individuen durchführen."
Kaum einer der Akteure im Weltsport scheint sich für die Informationen von Angel Heredia zu interessieren dabei wäre der Mexikaner bereit gegenüber der IAAF auszupacken. Doch offenkundig ist auch dort das Interesse an direkten Informationen nur gering ausgeprägt. IAAF-Pressesprecher Davies sagt, dass man so lange keinen Kontakt mit Heredia aufnehmen wolle bis die Untersuchungen der US-Behörden abgeschlossen seien. Verwunderlich ist in diesem Zusammenhang die Aussage des IAAF-Pressesprechers über die allgemeine Bedeutung von Insiderinformation zum Doping in der Leichtathletik.
"Es sind normalerweise Athleten oder Manager, die zu uns kommen und uns Informationen über Dritte geben. Diese Informationen betrachten wir nicht immer als glaubwürdig. Es wäre unverantwortlich für die IAAF-Fälle zu verfolgen, in denen es keine sicheren Beweise dafür gibt, dass ein Athlet oder Manager eine Anti-Doping-Regel verletzt hat."
Doch es geht wohl auch anders. Was der Umgang mit den Aussagen des österreichischen ehemaligen Sportmanagers Stefan Matschiner zeigt. Dieser wurde bereits nach seinen Aussagen in der ARD von der Sonderkommission Doping des Bundeskriminalamtes in Wien einvernommen. Besonders interessant für die Ermittler dürften dabei die Ausführungen von Matschiner über die konspirative Zusammenarbeit mit Mitarbeitern von WADA akkreditieren Kontrolllaboren gewesen sein. Matschiner will Labormitarbeiter und deren Umfeld bestochen haben, um Dopinganalysen von gedopten Athleten vor den offiziellen Kontrollen zu erhalten. Im Mittelpunkt der Ermittlungen der österreichischen Polizei steht dabei das Kontrolllabor in Seibersdorf bei Wien.
Diesen brisanten Sachverhalt nimmt die WADA wohl ernster und will den Aussagen Matschiners zusätzlich mit einer eigenen Untersuchung nachgehen, wie WADA Generaldirektor David Howman sagt.
"Die Behörden haben eine recht große Ermittlung durchgeführt, denn die Sache wäre sehr ernst. Und wir führen eine eigene Untersuchung durch, um sicher zu gehen, dass die Informationen, die wir bekommen vollständig sind."
Hier passiert also offenbar tatsächlich etwas: In der Aufarbeitung von Fällen möglicherweise korrupter Labormitarbeiter scheint die WADA entschlossener zu sein als bei der Jagd nach Informationen von Hintermännern des Dopings.
Alles Informationen, die für Dopingbekämpfer im Sport eigentlich von großer Relevanz sein sollten.
Nach dem "Spiegel"-Interview im Jahr 2008 teilte die Welt-Anti-Doping-Agentur aber auf Nachfrage der ARD mit, das sie nie mit dem einflussreichen mexikanischen Dopingdealer versucht hatte Kontakt aufzunehmen. Auch jetzt, nach dem Heredia noch ausführlicher über Doping in der internationalen Leichtathletik berichtete scheint es bei der WADA zu keinem Umdenken gekommen zu sein. David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur mit Sitz in Montreal, erklärte in dieser Woche dem Deutschlandfunk:
"Wir müssen uns jeden Informanten genau ansehen und prüfen, ob die Informationen verwertbar sind. Wir geben das dann weiter an Leute, die etwas unternehmen können, weil wir selbst weder sanktionieren, noch Untersuchungen vornehmen können. Was Herrn Heredia betrifft, haben wir bereits sehr eng mit der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA zusammengearbeitet, weil er ihnen eine Menge Informationen gegeben hat. Und wir schauen, ob wir etwas damit anfangen können."
Tatsächlich hat Heredia nach ARD-Informationen mit der USADA im Juli 2009 in Kontakt gestanden. Dabei dürfte er auch über andere mögliche Hintermänner des Dopings in der internationalen Leichtathletik berichtet haben. So auch über den bekannten österreichischen Athletenmanager Robert Wagner, mit dem er, so Heredia, vor Jahren Dopinggeschäfte abgewickelt haben will. Warum ist die WADA als internationale Dachorganisation nicht selber an solchen Informationen interessiert?
Die defensive Herangehensweise der Welt-Anti-Doping-Agentur angesichts der Insiderberichte des Mexikaners verblüfft. Noch mehr, wenn David Howman die Aussagen von Heredia offenbar nicht als zwingend bedeutsam betrachtet.
"Einige der Dinge, die er jetzt sagt, sind sechs, sieben Jahre alt und es ist ähnlich wie mit Victor Conte. Er gibt auch viele Informationen raus, aber einiges davon ist nicht mehr ganz aktuell. Also müssen wir sicher gehen, dass es jetzt noch relevant ist. Wir klären es mit denen ab, die es vor Ort betrifft."
Doch schon die Aussagen von Victor Conte wurden von der WADA nur halbherzig aufgearbeitet. Der ehemalige Balco-Chef hatte der WADA unter anderem Informationen über angebliche Dopingdrahtzieher in der Karibik - auch in Jamaika gegeben. Doch gegenüber der ARD musste der damalige Präsident der WADA Richard Pound eingestehen, dass seine Nachfolger die Informationen nie weiterverfolgt hatten.
Beobachter kritisieren in jüngerer Zeit immer mehr, dass die WADA es an wirklichem Aufklärungswillen vermissen lässt. Die WADA schiebt stattdessen den Schwarzen Peter dem Weltleichtathletikverband IAAF zu.
"Ich habe sie nicht gefragt, welche Informationen sie haben. Aber ich weiß, dass die USADA, was diese Informationen betrifft, sehr eng mit der IAAF zusammen gearbeitet hat und sie müssen jetzt sehen, wie sie diese verwenden können."
Und wie verhält es sich mit dem Weltleichtathletikverband IAAF, der sich damit rühmt, energisch das Doping im Sport bekämpfen zu wollen? In dieser Woche hat der Deutschlandfunk auch bei der IAAF angefragt, wie sie mit den Informationen zum Doping in der Leichtathletik umgeht. Gabriel Dollé, der Anti-Doping-Direktor der IAAF, war zu keinem Telefoninterview bereit, mit der Begründung ihm sei es nicht erlaubt, über diesen Sachverhalt zu reden. Pressesprecher Nick Davies teilte schriftlich mit, dass auch der Weltleichtathletikverband - entgegen der Annahme der Welt-Anti-Doping-Agentur - nicht die zuständige Einrichtung für Doping Insider Informationen dieser Art sei:
"Die IAAF ist von ihren Statuten her eine Nicht-Gewinn-orientierte Organisation nach monegassischem Recht, mit sehr wenig Untersuchungsbefugnissen im Gegensatz zu den staatlichen Behörden oder Anti-Doping-Agenturen in bestimmten Ländern. Daher können wir selbst die Informationen, die wir haben, nur sehr eingeschränkt nutzen, indem wir zum Beispiel Doping-Kontrollen bei benannten Individuen durchführen."
Kaum einer der Akteure im Weltsport scheint sich für die Informationen von Angel Heredia zu interessieren dabei wäre der Mexikaner bereit gegenüber der IAAF auszupacken. Doch offenkundig ist auch dort das Interesse an direkten Informationen nur gering ausgeprägt. IAAF-Pressesprecher Davies sagt, dass man so lange keinen Kontakt mit Heredia aufnehmen wolle bis die Untersuchungen der US-Behörden abgeschlossen seien. Verwunderlich ist in diesem Zusammenhang die Aussage des IAAF-Pressesprechers über die allgemeine Bedeutung von Insiderinformation zum Doping in der Leichtathletik.
"Es sind normalerweise Athleten oder Manager, die zu uns kommen und uns Informationen über Dritte geben. Diese Informationen betrachten wir nicht immer als glaubwürdig. Es wäre unverantwortlich für die IAAF-Fälle zu verfolgen, in denen es keine sicheren Beweise dafür gibt, dass ein Athlet oder Manager eine Anti-Doping-Regel verletzt hat."
Doch es geht wohl auch anders. Was der Umgang mit den Aussagen des österreichischen ehemaligen Sportmanagers Stefan Matschiner zeigt. Dieser wurde bereits nach seinen Aussagen in der ARD von der Sonderkommission Doping des Bundeskriminalamtes in Wien einvernommen. Besonders interessant für die Ermittler dürften dabei die Ausführungen von Matschiner über die konspirative Zusammenarbeit mit Mitarbeitern von WADA akkreditieren Kontrolllaboren gewesen sein. Matschiner will Labormitarbeiter und deren Umfeld bestochen haben, um Dopinganalysen von gedopten Athleten vor den offiziellen Kontrollen zu erhalten. Im Mittelpunkt der Ermittlungen der österreichischen Polizei steht dabei das Kontrolllabor in Seibersdorf bei Wien.
Diesen brisanten Sachverhalt nimmt die WADA wohl ernster und will den Aussagen Matschiners zusätzlich mit einer eigenen Untersuchung nachgehen, wie WADA Generaldirektor David Howman sagt.
"Die Behörden haben eine recht große Ermittlung durchgeführt, denn die Sache wäre sehr ernst. Und wir führen eine eigene Untersuchung durch, um sicher zu gehen, dass die Informationen, die wir bekommen vollständig sind."
Hier passiert also offenbar tatsächlich etwas: In der Aufarbeitung von Fällen möglicherweise korrupter Labormitarbeiter scheint die WADA entschlossener zu sein als bei der Jagd nach Informationen von Hintermännern des Dopings.