Mittwoch, 15. Mai 2024

Archiv


Kein Notfallplan, kaum Auflagen

Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko stellt sich heraus: Es scheint für die Ölplattform Deepwater Horizon keinen Notfallplan gegeben zu haben. Dies liegt vermutlich auch an der mangelnden Kontrolle durch die US-Aufsichtsbehörde MMS, die zunehmend ins Zwielicht gerät.

Von Albrecht Ziegler | 07.05.2010
    Bis vor zwei Jahren war es in den USA üblich, dass für alle Ölbohrungen im Golf von Mexiko einen Notfallplan erstellt werden musste. Die Konzerne mussten ein Konzept haben, wie sie einen unkontrollierten Ölaustritt, wie nach der Deepwater-Horizon-Katastrophe, bekämpfen wollten.

    Im April 2008 änderte die staatliche Aufsichtsbehörde Minerals Management Service (MMS) die gesetzlichen Auflagen und ließ Ausnahmen zu. Das Argument: Allgemeingültige Vorschriften sind nicht für alle Probebohrungen und Ölförderanlagen brauchbar. Der Notfallplan fiel in bestimmten Fällen einfach weg - nach Informationen der Zeitung "Washington Post" auch bei der Deepwater Horizon. Der Politikexperte Douglas Brinkley zu den Folgen:

    "Das bedeutet, dass sie auf der Deepwater-Horizon-Ölplattform nicht einmal die Umweltschutzmaßnahmen überprüft haben."

    Umweltschützer und Politiker sind empört. Der Kongressabgeordnete Darrell Issa:

    "Es ist ganz klar, dass es hier eine Behörde gibt, die nicht funktioniert. Man kann MMS nicht trauen. Sie haben gezeigt, dass sie zu eng an der Industrie dran sind."

    Der Politiker meint damit auch einen Skandal, der die Behörde vor zwei Jahren erschütterte. Damals wurde bekannt, dass sich ein Dutzend MMS-Mitarbeiter von Energiekonzernen bestechen ließen. Laut eines parlamentarischen Untersuchungsberichts feierten sie mit Angestellten der Öl- und Gaskonzerne ausgelassene Partys, hatten mit ihnen Sex und nahmen Drogen. Darrell Issa hat dafür nur noch Spott übrig.

    "Sie dachten, dass Feiern, trinken, die Entgegennahme teurer Eintrittskarten es für sie irgendwie einfacher machte, das Geschäft zu verstehen."

    Die spezielle Fürsorge hatte im Fall MMS einen guten Grund: Die Behörde überwacht nicht nur die Ausbeutung von Bodenschätzen, sondern vergibt auch Genehmigungen für Probebohrungen und Ölförderung. Jenseits der nachgewiesenen Bestechung wirft Douglas Brinkley MMS vor, dass sich die Behörde in den vergangenen Jahren immer stärker an die Bedürfnisse der Energiekonzerne angepasst hat. Das galt insbesondere für die letzten Jahre der Bush-Regierung und der Rechtsanwalt Stuart Smith, ein Experte für Umweltfragen, der mehrere ölpestgeschädigte Fischer von der Golfküste vertritt, beklagt den Sonderstatus, den diese Unternehmen seiner Meinung nach ganz grundsätzlich haben.

    "Sie werden mit Samthandschuhen angefasst. Vom Umweltstandpunkt her gesehen sind sie der Industriezweig, für den es die wenigsten Vorschriften gibt."

    Daran hat sich auch seit Barack Obamas Amtsantritt nichts geändert, meint Douglas Brinkley.

    "Wir waren zu Beginn der Obama-Regierung in einer Wirtschaftskrise. Kurzzeitig dachten die Menschen, die Obama-Administration ginge bei den Tiefsee-Ölbohrungen etwas schärfer vor. Das haben sie aber nicht getan. Sie haben die Bush-Politik fortgesetzt. Seit einigen Monaten hat MMS eine neue Chefin, Lisa Birnbaum, und es gab die Hoffnung, dass mit der Korruption aufgeräumt würde. Damit hat man angefangen und dann kam diese Ölpest."

    Für Brinkley gibt es deshalb nur eine Lösung:

    "Man muss diese Behörde auflösen und komplett neu aufbauen."