Michael Köhler: Die Oper Frankfurt - damit zum ersten Thema - hat gestern eine selten gespielte vieraktige Oper auf die Bretter gebracht, die wie der Kommentar zu unserer Zeit zu klingen scheint: "Der Spieler" nach dem Roman von Fjodor Dostojewski. Ein bankrotter General will einer jungen Schönen gefallen und bringt sich um den letzten Heller. Frage an Jörn Florian Fuchs: Ist das eine Oper über Gier und Spielsucht, eine Oper über verantwortungsloses Draufgängertum? Roulett, das kann man also durchaus wörtlich nehmen?
Jörn Florian Fuchs: Absolut! Es geht um Glücksspiel, es ist auch auf der Bühne so hier zu sehen in der Inszenierung von Harry Kupfer, dass wir eine große Drehbühne haben, und zwar einen Roulett-Tisch, der ständig neu beleuchtet wird. Auf dem wird dann agiert, es wird aber auch daneben agiert. Es sind eigentlich zwei Drehbühnen, die manchmal auch gegeneinander verschoben sind, also es bewegt sich sehr viel an diesem Abend. Die zeitliche Verordnung, wo das Ganze nun spielen soll, ist nicht so ganz klar. Ich würde vielleicht sagen, 1920er-, 30er-Jahre in etwa. Und das Problem, um gleich vorweg zu nehmen, was ich habe ist, dass Kupfer versucht, durch ein Overacting der Figuren, durch eine aufgekratzte Atmosphäre irgendwie ein bisschen Schwung in das ganze zu bringen. Das gelingt aber eigentlich nicht, weil es doch über weite Strecken an der Oberfläche sich bewegt, seine Inszenierung. Es sind nicht wirkliche Charaktere gezeichnet und es ist auch durch dieses hektische Überagieren ein gewisser Bruch zu der Musik von Prokofjew, die ja sehr im Konversationsstil gehalten ist, sehr zurückhaltend, sehr staubig manchmal vielleicht sogar auf unsere Ohren heute wirkt, wenn man von einer ziemlich großartigen Szene dann absieht, wo das ganze Ensemble auch mal singen und agieren darf, und das hören wir uns jetzt gleich mal an, wie das klingt, und da wird gerade Roulett gespielt.
O-Ton Musik:
Fuchs: Da ist also relativ viel Tempo. Das ganze Ambiente erinnert an ein Spielkasino, was ja naheliegend ist, aber vielleicht auch an ein etwas merkwürdiges Hotel. Es gibt große Projektionen der jeweiligen Spielorte, die oberhalb der Bühne dann zu sehen sind. Und etwas ganz merkwürdiges: Es kommt immer wieder ein Bild der Erde aus dem Weltall und daneben ist ein Asteroid, und am Ende geht die Erde in Flammen auf, weil dieser Asteroid hinabstürzt. Das erinnert ein bisschen an "Melancholia", den Film von Lars von Trier, das bleibt aber eigentlich irgendwo im luftleeren Raum, sozusagen diese Science-Fiction-Welt da fast mit reinzubringen.
Köhler: ... , was buchstäblich auf dem Spiel zu stehen scheint, menschlich und mondial. - Das sind eigentlich keine Arien, Sie haben eben gesagt "Konversationsstücke". Das klingt auch manchmal so ein bisschen wie direkte Rede, gar nicht so sehr wie Arien. Wie neu war das damals, 1929, bei der Uraufführung und wie neu hat das auf Ihre Ohren geklungen?
Fuchs: Das war damals bei der Uraufführung das Problem, dass die Kritik ja sagte - und Kritik heißt erst mal die Sänger, die das singen sollten -, das machen wir nicht, das ist so neu und andersartig, das kriegen wir gar nicht hin, das wollen wir nicht. Es wird hier in Frankfurt die zweite Fassung gespielt, übrigens auf Deutsch, die ja wesentlich später dann entstanden ist, wo Prokofjew doch einige Schärfen, einiges hinsichtlich der Komplexität etwas eingedampft hat. Es klingt jetzt eigentlich sehr, sehr angenehm, wie gesagt wirklich als ein Konversationsstück über weite Strecken. Man hört dem eigentlich recht gerne zu, ist vielleicht ein bisschen über die Kargheit und das Trockene überrascht an der einen oder anderen Stelle, weil es eben so wenig Süffiges gibt. Das Ensemble in Frankfurt hat es, finde ich, insgesamt sehr, sehr gut bewältigt. Clive Bayley als der alte General ist da vor allen Dingen zu nennen, oder Barbara Zechmeister als Polina - das ist die Frau, um die es sich dann dreht, genauer gesagt auf die Alexej, der eigentlich ein Hauslehrer hier ist, der ein Auge geworfen hat. Frank van Aken hat diese Partie auch schön gesungen, aber das zentrale war die alte Babuschka. Das ist eine reiche Frau und alle wollen an ihr Geld, wobei sie selber alles verspielt und also nichts abgibt, weil sie auch der Spielsucht anheim gefallen ist. Und das ist ein Comeback von Anja Silja, inzwischen 72 Jahre alt, immer noch eine wunderbare Sängerin, eine wunderbare, eigentlich junge, raumfüllende, raumgreifende Stimme.
Köhler: Eine große Mimin auch?
Fuchs: Absolut! Sie fand ich am überzeugendsten szenisch auch. Sie ist in einem Rollstuhl hier, was auch so in der Vorlage vorgeschrieben ist, dass sie schon alt und gehbehindert ist, und spielt das ganz, ganz wunderbar überdreht, aber authentisch überdreht, nicht im Gegensatz zu diesen eher Abziehfiguren, die Kupfer sonst so auf die Bühne stellt.
Köhler: Insgesamt dennoch ein kurzweiliger Abend und Sie sind musikalisch und sängerisch auf Ihre Kosten gekommen?
Fuchs: Der erste Teil, die ersten zwei Akte haben sich wahnsinnig wirklich gezogen, auch durch das Dirigat von Sebastian Weigle, der das Trockene noch mal betont hat. Es wurde erst im zweiten Teil dann besser, da ist die Partitur aber auch einfach dichter. Alles in allem würde ich sagen, es ist, wenn man es auf diese Weise inszeniert, kein Stück für unsere Zeit, und auch wenn man eine andere Deutung finden würde, bin ich nicht ganz sicher, ob das jetzt landauf landab unbedingt gespielt werden muss.
Köhler: ... , sagt Jörn Florian Fuchs über Prokofjews "Spieler" an der Oper Frankfurt in der Regie von Harry Kupfer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jörn Florian Fuchs: Absolut! Es geht um Glücksspiel, es ist auch auf der Bühne so hier zu sehen in der Inszenierung von Harry Kupfer, dass wir eine große Drehbühne haben, und zwar einen Roulett-Tisch, der ständig neu beleuchtet wird. Auf dem wird dann agiert, es wird aber auch daneben agiert. Es sind eigentlich zwei Drehbühnen, die manchmal auch gegeneinander verschoben sind, also es bewegt sich sehr viel an diesem Abend. Die zeitliche Verordnung, wo das Ganze nun spielen soll, ist nicht so ganz klar. Ich würde vielleicht sagen, 1920er-, 30er-Jahre in etwa. Und das Problem, um gleich vorweg zu nehmen, was ich habe ist, dass Kupfer versucht, durch ein Overacting der Figuren, durch eine aufgekratzte Atmosphäre irgendwie ein bisschen Schwung in das ganze zu bringen. Das gelingt aber eigentlich nicht, weil es doch über weite Strecken an der Oberfläche sich bewegt, seine Inszenierung. Es sind nicht wirkliche Charaktere gezeichnet und es ist auch durch dieses hektische Überagieren ein gewisser Bruch zu der Musik von Prokofjew, die ja sehr im Konversationsstil gehalten ist, sehr zurückhaltend, sehr staubig manchmal vielleicht sogar auf unsere Ohren heute wirkt, wenn man von einer ziemlich großartigen Szene dann absieht, wo das ganze Ensemble auch mal singen und agieren darf, und das hören wir uns jetzt gleich mal an, wie das klingt, und da wird gerade Roulett gespielt.
O-Ton Musik:
Fuchs: Da ist also relativ viel Tempo. Das ganze Ambiente erinnert an ein Spielkasino, was ja naheliegend ist, aber vielleicht auch an ein etwas merkwürdiges Hotel. Es gibt große Projektionen der jeweiligen Spielorte, die oberhalb der Bühne dann zu sehen sind. Und etwas ganz merkwürdiges: Es kommt immer wieder ein Bild der Erde aus dem Weltall und daneben ist ein Asteroid, und am Ende geht die Erde in Flammen auf, weil dieser Asteroid hinabstürzt. Das erinnert ein bisschen an "Melancholia", den Film von Lars von Trier, das bleibt aber eigentlich irgendwo im luftleeren Raum, sozusagen diese Science-Fiction-Welt da fast mit reinzubringen.
Köhler: ... , was buchstäblich auf dem Spiel zu stehen scheint, menschlich und mondial. - Das sind eigentlich keine Arien, Sie haben eben gesagt "Konversationsstücke". Das klingt auch manchmal so ein bisschen wie direkte Rede, gar nicht so sehr wie Arien. Wie neu war das damals, 1929, bei der Uraufführung und wie neu hat das auf Ihre Ohren geklungen?
Fuchs: Das war damals bei der Uraufführung das Problem, dass die Kritik ja sagte - und Kritik heißt erst mal die Sänger, die das singen sollten -, das machen wir nicht, das ist so neu und andersartig, das kriegen wir gar nicht hin, das wollen wir nicht. Es wird hier in Frankfurt die zweite Fassung gespielt, übrigens auf Deutsch, die ja wesentlich später dann entstanden ist, wo Prokofjew doch einige Schärfen, einiges hinsichtlich der Komplexität etwas eingedampft hat. Es klingt jetzt eigentlich sehr, sehr angenehm, wie gesagt wirklich als ein Konversationsstück über weite Strecken. Man hört dem eigentlich recht gerne zu, ist vielleicht ein bisschen über die Kargheit und das Trockene überrascht an der einen oder anderen Stelle, weil es eben so wenig Süffiges gibt. Das Ensemble in Frankfurt hat es, finde ich, insgesamt sehr, sehr gut bewältigt. Clive Bayley als der alte General ist da vor allen Dingen zu nennen, oder Barbara Zechmeister als Polina - das ist die Frau, um die es sich dann dreht, genauer gesagt auf die Alexej, der eigentlich ein Hauslehrer hier ist, der ein Auge geworfen hat. Frank van Aken hat diese Partie auch schön gesungen, aber das zentrale war die alte Babuschka. Das ist eine reiche Frau und alle wollen an ihr Geld, wobei sie selber alles verspielt und also nichts abgibt, weil sie auch der Spielsucht anheim gefallen ist. Und das ist ein Comeback von Anja Silja, inzwischen 72 Jahre alt, immer noch eine wunderbare Sängerin, eine wunderbare, eigentlich junge, raumfüllende, raumgreifende Stimme.
Köhler: Eine große Mimin auch?
Fuchs: Absolut! Sie fand ich am überzeugendsten szenisch auch. Sie ist in einem Rollstuhl hier, was auch so in der Vorlage vorgeschrieben ist, dass sie schon alt und gehbehindert ist, und spielt das ganz, ganz wunderbar überdreht, aber authentisch überdreht, nicht im Gegensatz zu diesen eher Abziehfiguren, die Kupfer sonst so auf die Bühne stellt.
Köhler: Insgesamt dennoch ein kurzweiliger Abend und Sie sind musikalisch und sängerisch auf Ihre Kosten gekommen?
Fuchs: Der erste Teil, die ersten zwei Akte haben sich wahnsinnig wirklich gezogen, auch durch das Dirigat von Sebastian Weigle, der das Trockene noch mal betont hat. Es wurde erst im zweiten Teil dann besser, da ist die Partitur aber auch einfach dichter. Alles in allem würde ich sagen, es ist, wenn man es auf diese Weise inszeniert, kein Stück für unsere Zeit, und auch wenn man eine andere Deutung finden würde, bin ich nicht ganz sicher, ob das jetzt landauf landab unbedingt gespielt werden muss.
Köhler: ... , sagt Jörn Florian Fuchs über Prokofjews "Spieler" an der Oper Frankfurt in der Regie von Harry Kupfer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.