Montag, 13. Mai 2024

Archiv


Keine ethnische oder geografische Kohärenz

Früher, sagt eine alte Afrikanerin, früher war das Leben in Afrika viel leichter; wir hatten zu essen, und es gab soviel, dass wir sogar den Göttern opfern konnten. Die Entwicklung der Zentralafrikanischen Republik ist in vielen Beziehungen symptomatisch für die Geschichte und das Schicksal der aus der Dekolonisierung hervorgegangenen Staaten Afrikas.

Von Antonia Kriks | 21.09.2004
    Das Land wurde aus der kolonialen Einheit Französisch - Äquatorialafrika herausgeschnitten, die Grenzen willkürlich gezogen. Wie auch in anderen Ländern Afrikas gibt es weder eine ethnische, noch eine geografische oder klimatische Kohärenz - darüber hinaus hat die Grenzziehung Zentralafrika vom Meer und seinen Häfen abgeschnitten. Das erschwert Transporte und wirtschaftliche Entwicklung.

    Der geographische Mittelpunkt Afrikas ist ein "landlocked country", etwas größer als Frankreich: Die Hauptstadt Bangui befindet sich etwa 1800 Kilometer von der kongolesischen und 1500 Kilometer von der kamerunischen Atlantikküste entfernt, ausgebaute Straßen gibt es wenige. Ein internationaler Flughafen bietet drei bis viermal wöchentlich Flüge nach Paris an. Mit den innerafrikanischen Verbindungen sieht es, wie fast überall in Afrika, schlechter aus. Die jeweiligen Länder bleiben nach wie vor ihren ehemaligen Kolonien verbunden - wirtschaftlich, verkehrstechnisch wie in den Kommunikationsstrukturen. Es ist einfacher, nach Frankreich zu telefonieren als nach Ostafrika. Afrika lässt seine koloniale Vergangenheit nicht los, und es wird nicht von ihr losgelassen. Nicht wenige Europäer meinen deshalb:

    Re-kolonisieren - Re-kolonisieren

    In Zentralafrika entmachtete ein ehemaliger französischer Unteroffizier 1966 mit Hilfe französischer Truppen den amtierenden Staatschef David Dacko. Der hatte den Fehler begangen, seinen Vetter Jean Bèdel Bokassa mit der Neuorganisation der Streitkräfte zu betrauen. Der sei ohnehin, meinte Dacko, "für einen Staatsstreich einfach zu dämlich".

    Bokassa, Napoleon-Verehrer und Bewunderer de Gaulles, ernannte sich zunächst zum Präsidenten auf Lebenszeit. Amnesty International charakterisierte Bokassa so:

    Eine lächerliche Figur und zugleich ein Massenmörder. Seine Brutalität war sprichwörtlich, die Foltermethoden seiner Soldateska waren unbeschreiblich. Er hatte sich im Dezember 1976 zum "Kaiser von Zentralafrika" ernannt und genoss lange Zeit die Protektion der früheren Kolonialmacht Frankreich. 1979 soll er eigenhändig mehrere Schüler umgebracht haben, die gegen die Einführung von Schuluniformen demonstriert hatten. Damit war Bokassa selbst für die Franzosen untragbar und wurde mit ihrer Hilfe gestürzt.

    David Dacko rief am 21. September 1979 wieder die Zentralafrikanische Republik aus, in der nun auch Parteien zugelassen waren - allerdings bald nur noch eine, nämlich seine:

    Der neue alte Präsident kann sich nur zwei Jahre halten, dann brechen wieder Unruhen aus. Die Ministerpräsidenten lösen sich nun rasch ab, im Mai 1996 und November 1997 meutern Angehörige der Streitkräfte. Das französische Militär, weil zum ersten mal unmittelbar angegriffen, gibt bekannt, sich nicht mehr einmischen zu wollen und zieht offiziell ab.

    Von 1998 bis 2000 sollen UN-Truppen für Sicherheit und Stabilität sorgen und die anstehenden Wahlen vorbereiten und überwachen. Ein neuer Präsident folgt, wird weggeputscht, ein anderer proklamiert sich zum neuen Staatschef. Nun stehen neue Wahlen an, Anfang 2005 wird es wohl wieder eine neue Regierung geben.

    Die Zentralafrikanische Republik ist auch heute noch, 25 Jahre nach der Proklamierung der Republik und trotz seines Reichtums an Bodenschätzen eines der ärmsten Länder der Welt. Innenpolitische Turbulenzen, Aufstände und Bürgerkriege haben jeden noch so kleinen wirtschaftlichen Aufschwung im Keim erstickt.

    Das einzige Kontinuum bei der Entwicklung Zentralafrikas ist die starke französische Präsenz. Alle französischen Regierungen haben sie bisher gehalten, sei es auf wirtschaftlichem, militärischem oder politischem Gebiet. Neuerdings zeigt Frankreich wieder besonders starkes Interesse an seinen ehemaligen Kolonien: Neue Erdölquellen braucht das Land.