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Khalid Duran; Michael Pohly: Osama bin Laden und der internationale Terrorismus.

Politische Krisenzeiten wie die jetzigen spiegeln sich auf dem Buchmarkt zumeist in Form von eilig in die Verlagsprogramme gehievten Neuerscheinungen wieder. Häufig sind sie mit heißer Nadel gestrickt und aufgrund des Zeitdrucks schlampig recherchiert. Der Münchner Ullstein Verlag brachte am 2. Oktober, also gerade einmal 3 Wochen nach den traumatischen Ereignissen des 11. September, das erste deutschsprachige Buch über den z.Zt. meistgesuchten Mann der Welt in den Handel: Osama Bin Laden. Verfasst ist es immerhin von zwei renommierten Islam- und Afghanistan-Experten. Haben wir es hier mit einem publizistischen Schnellschuss oder seriöser Information zu tun?

Rainer Burchardt |
    Eine schnelle Handreichung, mehr kann und will das drei Wochen nach dem Anschlag von New York und Washington und wenige Tage vor der militärischen Reaktion der Amerikaner und Briten vorgelegte Taschenbüchlein offenbar nicht sein. Die beiden Autoren Michael Pohly und Khalid Duran haben auf knapp einhundert Seiten die wichtigsten Aspekte des Lebens Osama Bin Ladens sowie seiner Hauptmentoren und vor allem die religiösen Hintergründe nahezu lexikalisch zusammengefügt. Mit einem Vorwort des deutschen Terrorismusexperten, Rolf Tophoven, ist dies im Wortsinne ein Taschenbuch für Jedermann, der sich bemühen will, ein wenig mehr jenseits aller Schwarz-Weiß-Gemälde zur augenblicklichen Auseinandersetzung zu erfahren.

    Dabei lassen die Autoren keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie Bin Laden für einen kühl kalkulierenden politreligiösen Fanatiker halten. Einen Extremisten zumal, der auf seine ganz persönliche Art eine Umdeutung des altreligiösen Begriffs des islamischen "Djihad" von der Selbstläuterung zum heiligen Krieg eines jeden einzeln gegen den verhassten globalen Kapitalismus, gegen Juden- und Christentum liefert. So gesehen gilt denn auch aus Bin Ladens Sicht von jeder terroristischen Selbstmordaktion als einer speziellen Art von Himmelsfahrtskommando, denn danach stehe für den Märtyrer das Paradies zur Rechten Allahs und die Belohnung durch 72 Jungfrauen.

    Verdienstvoll ist in diesem Buch vor allem das Aufzeigen des religiös-ideologischen Hintergrundes Bin Ladens, der vor allem durch den Scheich Dr. Abdullah Azzam stark beeinflusst worden sei. Azzan ist einer der Begründer der islamischen Hamas Bewegung. Nach dem Einmarsch der Sowjets Ende 1979 machte er es sich zur Aufgabe, einen Kern junger und engagierter Islamisten um sich zu sammeln, die den weltweiten Djihad von Afghanistan aus starten konnten.

    Sein fleißigster Jünger war Osama Bin Laden, der mit seiner reichen Familie gebrochen hatte und mit einem Grundvermögen von fast 300 Millionen Mark die wichtigste Basis für den bewaffneten Kampf der islamistischen Fundamentalisten schuf.

    Die erste größere Aktion war die Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar al Sadat anno 1981. Der erste Doppelschlag wurde anno 1995 versucht, schlug aber fehl. Zwar gelang es in Islamabad die ägyptische Botschaft zu sprengen, ein gleichzeitiger Anschlag auf ein Touristenviertel in Kairo scheiterte indessen.

    Die Autoren weisen sehr schlüssig nach, dass die meisten spektakulären Aktionen den islamistischen Fundamentalisten zuzuordnen sind, etwa 1998 die gleichzeitigen Anschläge auf die US Botschaften in Daressalem und Nairobi. Die USA sind für die Terroristen die Hauptfeinde, weil mit Geld, Sittenverluderung und globale Unterdrückung von Washington aus gewissermaßen globales Teufelswerk betriebe werde.

    Die Autoren entwerfen in aller notwendigen Kürze und Grobheit das überzeugende Szenario des islamistischen Fundamentalismus als logische Konsequenz für den verblendeten Widerstand gegen das Übel dieser Welt. Wenn Osama Bin Laden gestern Abend in einem vorproduzierten Video davon sprach, dass nunmehr der heilige Krieg ausgebrochen sei, so ist dies folgerichtig eine wichtige Zäsur seiner genau auf diesen Punkt hingelebten Vita. Der saudische Multimillionär, so heißt es in dem Buch, habe schon seit Ende des Afghanistankriegs 1989 den USA einen "Heiligen Krieg" angedroht, und sich mit seiner Terrortruppe Al Quaeda in den Bergen Afghanistans im Schutze der heute regierenden radikalislamistischen Taliban-Miliz verschanzt. Das gilt bis auf den heutigen Tag.

    Von dort organisierte er auch den Aufbau seines weltweiten Netzwerkes mit undurchschaubaren Finanzierungsströmungen, Waffenlogistik und Pilotentraining. Zu alledem brauchte er natürlich zum Selbstmord bereite Fanatiker und Gefolgsleute, die jahrelang auch als so genannte "Schläfer" im Ausland ihre Attacken vorbereiten konnten.

    Das ist die Umsetzung der Märtyrerlehrer seines Mentors Azzam, der übrigens bei einem Anschlag vor zwölf Jahren in Peshawar ums Leben gekommen ist.

    In einem kurzen Ausblick zum Ende des Buches erläutern die Autoren recht überzeugend, dass selbst mit der Festnahme oder dem Tod Bin Ladens das Problem des weltweit agierenden islamistischen Fundamentalismus keineswegs gelöste sei. Vielmehr gelten die Djihadisten zwar als kämpferische Avantgarde und Bin Laden als einer der wichtigsten Führer, doch mittlerweile gebe es zum einen millionenschwere muslimische Ölscheichs, die den Terror weltweit finanzieren könnten und zweitens - und das scheine noch gefährlicher - sei vor allem in den reichen Ländern Europas und Amerikas eine muslimische Intelligentia herangezogen worden, die sich die Freiheiten der System zu eigen mache, um sie zu bekämpfen. Ein gleichermaßen verblüffendes wie erschreckendes Beispiel: Das Washingtoner Islamische Institut des Hamas-Aktivisten Khald Saffuri befinde sich in einem Büro der republikanischen Präsidentenpartei. Lobby à la Islam.

    Khalid Duran und Michael Pohly: Osama bin Laden und der internationale Terrorismus. Das Taschenbuch ist veröffentlicht im Ullstein Taschenbuch Verlag München, es umfasst 112 Seiten und kostet DM 13,59. Das Buch ist in der Erstauflage bereits vergriffen und laut Verlag ab Freitag wieder lieferbar.