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"Kind vorm Zusammenklappen entfernen“

Seit US-Gerichte gerne millionenschwere Schadensersatzklagen durchwinken, versehen Firmen immer mehr Produkte mit Warnhinweisen. Die Zeitschrift DOCMA prämiert dazu jährlich die skurrilsten Bildmontagen. Das Museum für Kommunikation Frankfuert stellt nun die Gewinnerarbeiten aus.

Von Anke Petermann | 15.08.2012
    Das Heißluftgebläse nicht als Fön verwenden, Kleider nicht am Körper bügeln, die Elektrosäge nicht mit den Händen anhalten - glücklicherweise prangen diese wertvollen Warnhinweise bislang nur in Schriftform auf Produkten. Sie in Schockfotos von brennenden Haaren, versengten Hüften und einem Kettensägenmassaker umzusetzen, bleibt den Wettbewerbsteilnehmern des Bildbearbeitungsmagazins DOCMA vorbehalten. Eine der preisgekrönten Foto-Montagen in der Frankfurter Ausstellung zeigt einen Fabrikschlot, der sich bedrohlich krümmt, darunter ein schwarz umrandeter Tabak-Warnhinweis.

    "Dass Rauchen zu Durchblutungsstörungen führen kann und Impotenz verursacht, ist auch echt, die bildliche Umsetzung mit dem Schornstein, der abgeknickt ist, ist eben kreativ."

    Schmunzelt Christoph Künne mit Blick auf das erschlaffte Phallus-Symbol in traditioneller Backsteinarchitektur. Zwei blasse Rauchwölkchen entweichen ihm. Warnhinweise auf Zigarettenschachteln – absurd-selbstverständlich oder lebensrettend-eindringlich? "Wissenschaftlich bestätigt, aber irgendwie überflüssig", meint der DOCMA-Chefredakteur und schaut ein wenig gequält. Da liegt die Frage nahe:

    "- Rauchen Sie?
    - Ja."

    Und wenn Künne liest, dass "Rauchen die Haut altern lässt und qualvoll tötet"?

    "Dann weiß ich, dass das richtig ist und reduziere mein Rauchen auf homöopathische Dosen."

    Weil sich diese kleinen, gemeinen Todesanzeigen wohl doch ins Unterbewusste graben. Also hat sie doch was gebracht, die EU-Richtlinie von 2001. Die lieben Kleinen wachsen weitgehend rauchfrei auf, ein willkommener Nebeneffekt. Dank des Warnhinweises "Kind vorm Zusammenklappen entfernen", übersteht der Nachwuchs ja auch die kritische Phase des Buggy-Fahrens immer besser. Doch braut sich neue Gefahr zusammen. In Form quietschbunten Sirups mit Stärkekügelchen – Bubble-Tea. Heftig mit dem Strohhalm angesaugt, könnten die Kugeln kindliche Luftröhren blockieren, warnen Experten, schlimmstenfalls die Lunge schädigen. Ginge es nach Bundesverbraucherministerin Aigner, prangte auf den Pappbechern längst ein Warnhinweis. Aber: "Geben Sie ihrem Kind nicht die Kugel" – das klänge doch zu brutal, besser vielleicht: "Vorsicht, verschluckbare Kleinteile!" Am besten einfach: "Bubble Tea macht fett – Sie und Ihr Kind!" Wo eigentlich verläuft die Grenze zwischen hilfreichem und absurdem Warnhinweis? Christoph Künne entzieht sich einer Antwort, indem er anregt, den Verbraucher doch einfach vollständig zu entmündigen.

    "Und wenn man es tut, sollte man konsequent sein und wirklich alles mit Warnhinweisen pflastern."

    Da nehmen wir den DOCMA-Chefredakteur beim Wort und seine Kollektion digitaler Fotomontagen ins Visier:

    "Zum Beispiel diese Ausstellung – sollte man dann drüber schreiben: "Vorsicht Werbung für den Monopolisten Photoshop"?
    Könnte man tun, ich hätte damit kein Problem. Die Jungs bezahlen mich nicht. Ich lebe ja davon, dass die Menschen mit diesen Produkten nicht umgehen können oder Hilfe dabei brauchen."

    Achtung Satire! Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte den Deutschlandfunk.


    Die Ausstellung "Vorsicht: Warnhinweise! DOCMA Award 2012" ist noch bis zum 21. Oktober im Museum für Kommunikation Frankfurt zu sehen.