Kate Maleike: Zeitnot, Leistungsdruck und der Wunsch, seinen Kindern die beste Ausbildung möglich zu machen, das bereitet vielen Eltern in Deutschland regelrechten Stress. Eine aktuelle Forsa-Umfrage belegt das. 63 Prozent der Befragten fühlen sich demnach im Familienalltag unter Druck gesetzt, vor allem der schulische Erfolgsdruck belastet dort die Familien. Marc-André Kruppa hat mal Eltern in Köln befragt, was sie denn am Thema Schule konkret in Stress versetzt.
Mitgehört hat Hans-Peter Vogeler, der Vorsitzende des Bundeselternrates. Guten Tag, Herr Vogeler!
Hans-Peter Vogeler: Frau Maleike, ich grüße Sie!
Maleike: Der Bundeselternrat, das vielleicht mal kurz vorweg zur Erklärung, vertritt ja die Arbeitsgemeinschaft der Elternvertretung in den Bundesländern und er unterstützt die Elternvertreter in den Ländern bei der Übernahme ihrer schulischen Mitwirkungsrechte, koordiniert zudem auch die schulische Elternmitwirkung auf Bundesebene. Sie sind also sozusagen die Stimme der Elternvertretungen. Die Aussagen der Studie, dass Eltern durch Schule stark belastet sind, das wird Sie vermutlich nicht überraschen?
Vogeler: Nein, überhaupt nicht. Wir erleben das auf vielen Ebenen, und die Punkte sind ja eben bei den Antworten der Eltern auch angeklungen. Systemische Sachen, Übergangsthemen und Ziel, es muss unbedingt Abitur sein, alles andere gilt nicht, und das wird den … , meinen die Eltern, das muss man schon in der ersten Klasse dann teilweise sehr hartnäckig verfolgen.
Maleike: Wie erklären Sie sich denn, dass dieser Stress überhaupt entsteht?
Vogeler: Ja, die eine Mutter hat es ja in der Antwort gesagt: Man hat den Eindruck, dass man in Deutschland nur noch etwas mit Abitur werden kann. Und daraus schließt man, aus meiner Sicht zieht man die falsche Schlussfolgerung, dass man möglichst schon ab der ersten Klasse oder in der Kita mit hohem Aufwand, mit viel Druck für die Bildung des Kindes sorgen muss. Anstelle sich an Rahmenbedingungen zu orientieren oder Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen das Kind gerne lernt.
Maleike: Was tun Sie denn vonseiten des Elternrates dazu, dass dieser Stress abgebaut wird? Auf Dauer kann der ja nicht gesund sein.
Vogeler: Sie sprachen es ja an. Wir sind eine Dachorganisation für die Landeselternverbände, und wir geben unseren Mitgliedern immer wieder die Möglichkeiten, mit Top-Referenten über dieses Thema auch ins Gespräch zu kommen. Und wie schafft man es, ein lernförderliches Umfeld zu schaffen? Und dort geben wir immer wieder Anregungen, wir geben gute Beispiele und wir diskutieren mit all unseren Mitgliedern darüber, was sie konkret auch in ihren Schulen anstoßen können.
Maleike: Was sind das denn zum Beispiel für Dinge?
Vogeler: Das eine ist ganz klar bei dem Thema Übergang. Dort, wenn Sie in die Firmen gehen, dort wird im sogenannten Übergangsmanagement sehr viel investiert, Übergänge möglichst bruchfrei zu machen. Was tun wir im Bildungssystem beim Übergang Kita/Schule und in den weiteren Bereichen? Da haben wir noch unglaublichen Nachholbedarf, diesen Übergang für das Kind glatter zu machen. Dass dieser Übergang eben nicht dafür sorgt, dass das Kind beschädigt wird oder dass das Kind in seiner Entwicklung behindert wird, sondern das Kind es als positiv erlebt, hey, ich komm jetzt von der Kita in die Grundschule, und da kann ich auch weiter entdecken lernen und ich habe die Chance, viele neue Dinge zu erleben.
Dann, und das ist ein ganz, ganz zentraler Punkt, die Leistungsrückmeldung. Wenn Sie Kindern Noten geben, sagt das über das Leistungsvermögen dieser Kinder gar nichts aus. Wenn Sie denen ein lernförderliches Rückmeldeformat geben in Berichtszeugnissen, die aber aufzeigen, hey, da warst du, dorthin hast du dich entwickelt, du hast Fortschritte gemacht. Und die nächsten Schritte, die es gilt anzugehen, sind Folgende ... Und wenn Sie das dann noch in Lernentwicklungsgesprächen mit dem Kind und den Eltern besprechen, dann haben Sie auch die Eltern im Boot, und dann können die Eltern auch verstehen, dass heute Schule etwas ganz anderes ist, als sie es selber erlebt haben. Und dann können sie mit den Lehrern vereinbaren, wie schaffen wir es, dass die Kinder positiv lernen können.
Maleike: Und wenn die Kinder besser lernen unter besseren Bedingungen, sind auch die Eltern weniger gestresst, das ist ein logischer Umkehrschluss. Sie haben ja als Bundeselternrat auch engen Kontakt sozusagen zur Politik. Das mangelnde Vertrauen an das System Schule und auch an die dafür Rahmenbedingungen setzende Politik, das ist ja in der Umfrage auch gerade noch mal mit durchgeschimmert. Was geben Sie denn der Politik mit als Hausaufgabe?
Vogeler: Na ja, sie müssen die Rahmenbedingungen auch schaffen, dass Schulen das, was ich eben mit Rückmeldeformaten beschrieben hatte, dass das auch rechtlich möglich ist. Also eine Abkehr in den ersten Schuljahren von Ziffernzeugnissen. Und wenn schon Reformen gemacht werden, dann sollten die sorgfältig vorbereitet werden. Und da braucht man ja nur G-8 als Beispiel nehmen, was es bedeutet, wenn Reformen nicht sorgfältig gemacht werden. Gerade in G-8 sehen wir es ja in den Untersuchungen auch, dass das eine immense Belastung für die Kinder bedeutet bis hin zu gesundheitlichen Folgeschäden. Das kann ja nicht unser Ziel sein. Nur, uns ist auch klar, Politiker denken in Vier-Jahres-Rhythmen und nicht in perspektivischen Dingen. Das kann man ihnen vorhalten, aber so ist Politik nun mal. Und wir erwarten eigentlich, dass Bildung in größeren Dimensionen geplant wird und dann auch durchgezogen wird und nicht alle drei, vier Jahre alles umgekrempelt wird.
Maleike: Was ist denn Ihr Rat an besonders gestresste Eltern, als Vorsitzender des Bundeselternrates?
Vogeler: Versuchen Sie, es zu entschleunigen. Druck rausnehmen von den Kindern, nicht Druck ausüben und sagen, das musst du, das musst du, sondern dafür sorgen, dass es Spaß bringt, das Lernen. Und da kann man auch mit den Lehrern sich abstimmen und, sagen Sie mal, was haben Sie für einen Tipp? Was können wir tun, damit unsere Kinder das Lernen als Spaß gerne machen? Also dort in den Austausch mit den Lehrern gehen und sagen, wie kriegen wir es gemeinsam hin, Druck aus dem Kessel zu nehmen, dabei nie aus dem Auge verlassen, dass es letztendlich auch um Leistungen geht, die erzielt werden sollen. Aber die Frage ist immer, wie ist der Weg dahin.
Maleike: Die Empfehlungen von Hans-Peter Vogeler, dem Vorsitzenden des Bundeselternrates in Campus & Karriere, vielen Dank für das Gespräch!
Vogeler: Gerne, ich danke!
Maleike: Und wir haben gesprochen über eine neue Forsa-Umfrage, wonach viele Eltern in Deutschland mächtigen Schulstress empfinden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mitgehört hat Hans-Peter Vogeler, der Vorsitzende des Bundeselternrates. Guten Tag, Herr Vogeler!
Hans-Peter Vogeler: Frau Maleike, ich grüße Sie!
Maleike: Der Bundeselternrat, das vielleicht mal kurz vorweg zur Erklärung, vertritt ja die Arbeitsgemeinschaft der Elternvertretung in den Bundesländern und er unterstützt die Elternvertreter in den Ländern bei der Übernahme ihrer schulischen Mitwirkungsrechte, koordiniert zudem auch die schulische Elternmitwirkung auf Bundesebene. Sie sind also sozusagen die Stimme der Elternvertretungen. Die Aussagen der Studie, dass Eltern durch Schule stark belastet sind, das wird Sie vermutlich nicht überraschen?
Vogeler: Nein, überhaupt nicht. Wir erleben das auf vielen Ebenen, und die Punkte sind ja eben bei den Antworten der Eltern auch angeklungen. Systemische Sachen, Übergangsthemen und Ziel, es muss unbedingt Abitur sein, alles andere gilt nicht, und das wird den … , meinen die Eltern, das muss man schon in der ersten Klasse dann teilweise sehr hartnäckig verfolgen.
Maleike: Wie erklären Sie sich denn, dass dieser Stress überhaupt entsteht?
Vogeler: Ja, die eine Mutter hat es ja in der Antwort gesagt: Man hat den Eindruck, dass man in Deutschland nur noch etwas mit Abitur werden kann. Und daraus schließt man, aus meiner Sicht zieht man die falsche Schlussfolgerung, dass man möglichst schon ab der ersten Klasse oder in der Kita mit hohem Aufwand, mit viel Druck für die Bildung des Kindes sorgen muss. Anstelle sich an Rahmenbedingungen zu orientieren oder Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen das Kind gerne lernt.
Maleike: Was tun Sie denn vonseiten des Elternrates dazu, dass dieser Stress abgebaut wird? Auf Dauer kann der ja nicht gesund sein.
Vogeler: Sie sprachen es ja an. Wir sind eine Dachorganisation für die Landeselternverbände, und wir geben unseren Mitgliedern immer wieder die Möglichkeiten, mit Top-Referenten über dieses Thema auch ins Gespräch zu kommen. Und wie schafft man es, ein lernförderliches Umfeld zu schaffen? Und dort geben wir immer wieder Anregungen, wir geben gute Beispiele und wir diskutieren mit all unseren Mitgliedern darüber, was sie konkret auch in ihren Schulen anstoßen können.
Maleike: Was sind das denn zum Beispiel für Dinge?
Vogeler: Das eine ist ganz klar bei dem Thema Übergang. Dort, wenn Sie in die Firmen gehen, dort wird im sogenannten Übergangsmanagement sehr viel investiert, Übergänge möglichst bruchfrei zu machen. Was tun wir im Bildungssystem beim Übergang Kita/Schule und in den weiteren Bereichen? Da haben wir noch unglaublichen Nachholbedarf, diesen Übergang für das Kind glatter zu machen. Dass dieser Übergang eben nicht dafür sorgt, dass das Kind beschädigt wird oder dass das Kind in seiner Entwicklung behindert wird, sondern das Kind es als positiv erlebt, hey, ich komm jetzt von der Kita in die Grundschule, und da kann ich auch weiter entdecken lernen und ich habe die Chance, viele neue Dinge zu erleben.
Dann, und das ist ein ganz, ganz zentraler Punkt, die Leistungsrückmeldung. Wenn Sie Kindern Noten geben, sagt das über das Leistungsvermögen dieser Kinder gar nichts aus. Wenn Sie denen ein lernförderliches Rückmeldeformat geben in Berichtszeugnissen, die aber aufzeigen, hey, da warst du, dorthin hast du dich entwickelt, du hast Fortschritte gemacht. Und die nächsten Schritte, die es gilt anzugehen, sind Folgende ... Und wenn Sie das dann noch in Lernentwicklungsgesprächen mit dem Kind und den Eltern besprechen, dann haben Sie auch die Eltern im Boot, und dann können die Eltern auch verstehen, dass heute Schule etwas ganz anderes ist, als sie es selber erlebt haben. Und dann können sie mit den Lehrern vereinbaren, wie schaffen wir es, dass die Kinder positiv lernen können.
Maleike: Und wenn die Kinder besser lernen unter besseren Bedingungen, sind auch die Eltern weniger gestresst, das ist ein logischer Umkehrschluss. Sie haben ja als Bundeselternrat auch engen Kontakt sozusagen zur Politik. Das mangelnde Vertrauen an das System Schule und auch an die dafür Rahmenbedingungen setzende Politik, das ist ja in der Umfrage auch gerade noch mal mit durchgeschimmert. Was geben Sie denn der Politik mit als Hausaufgabe?
Vogeler: Na ja, sie müssen die Rahmenbedingungen auch schaffen, dass Schulen das, was ich eben mit Rückmeldeformaten beschrieben hatte, dass das auch rechtlich möglich ist. Also eine Abkehr in den ersten Schuljahren von Ziffernzeugnissen. Und wenn schon Reformen gemacht werden, dann sollten die sorgfältig vorbereitet werden. Und da braucht man ja nur G-8 als Beispiel nehmen, was es bedeutet, wenn Reformen nicht sorgfältig gemacht werden. Gerade in G-8 sehen wir es ja in den Untersuchungen auch, dass das eine immense Belastung für die Kinder bedeutet bis hin zu gesundheitlichen Folgeschäden. Das kann ja nicht unser Ziel sein. Nur, uns ist auch klar, Politiker denken in Vier-Jahres-Rhythmen und nicht in perspektivischen Dingen. Das kann man ihnen vorhalten, aber so ist Politik nun mal. Und wir erwarten eigentlich, dass Bildung in größeren Dimensionen geplant wird und dann auch durchgezogen wird und nicht alle drei, vier Jahre alles umgekrempelt wird.
Maleike: Was ist denn Ihr Rat an besonders gestresste Eltern, als Vorsitzender des Bundeselternrates?
Vogeler: Versuchen Sie, es zu entschleunigen. Druck rausnehmen von den Kindern, nicht Druck ausüben und sagen, das musst du, das musst du, sondern dafür sorgen, dass es Spaß bringt, das Lernen. Und da kann man auch mit den Lehrern sich abstimmen und, sagen Sie mal, was haben Sie für einen Tipp? Was können wir tun, damit unsere Kinder das Lernen als Spaß gerne machen? Also dort in den Austausch mit den Lehrern gehen und sagen, wie kriegen wir es gemeinsam hin, Druck aus dem Kessel zu nehmen, dabei nie aus dem Auge verlassen, dass es letztendlich auch um Leistungen geht, die erzielt werden sollen. Aber die Frage ist immer, wie ist der Weg dahin.
Maleike: Die Empfehlungen von Hans-Peter Vogeler, dem Vorsitzenden des Bundeselternrates in Campus & Karriere, vielen Dank für das Gespräch!
Vogeler: Gerne, ich danke!
Maleike: Und wir haben gesprochen über eine neue Forsa-Umfrage, wonach viele Eltern in Deutschland mächtigen Schulstress empfinden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.