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Kinokritik "American Hustle"
Drama mit komischer Note

Die Besetzung der unterhaltsamen Krimikomödie "American Hustle" rechtfertigt die Oscar-Nominierung in allen vier Darstellerkategorien: Amy Adams, Bradley Cooper und Christian Bale und die bereits mit einem Oscar ausgestattete Jennifer Lawrence liefern unter der Regie von David O'Russell sowohl genügend Witz als auch Dramatik. Das Beispiel cleveren Unterhaltungskinos, das auf einer Korruptionsaffäre der 1970er-Jahren basiert, kommt jetzt in die deutschen Kinos.

Von Jörg Albrecht | 12.02.2014
    Regisseur David O. Russell verfolgt am 07.02.2014 in Berlin die Pressekonferenz für seinen Film "American Hustle".
    Regisseur David O'Russell auf der Pressekonferenz für seinen Film "American Hustle" in Berlin. (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    "Ich wurde ein Betrüger. Ein Richtiger. Das volle Programm. ..."
    Die Stimme des Erzählers gehört Christian Bale alias Irving Rosenfeld. Ein Geschäftsmann aus New York, der in den 1970er-Jahren sein Geld mit der vom Vater geerbten Glaserei verdient und mit ein paar chemischen Reinigungen, die ihm gehören.
    "... Und nebenbei handelte ich noch ein bisschen mit Kunst. Gestohlener oder gefälschter Kunst."
    Nur einer von diversen lukrativen Geschäftsbereichen, die für Nebeneinkünfte sorgen. Rosenfeld ist ein Trickbetrüger, dem der englische Begriff des con artist für Männer seiner Zunft gerechter wird. Denn Rosenfeld ist ein wahrer Künstler auf seinem Gebiet. Ein kreativer Kopf. Aber er ist auch ein Lebens-, ja sogar Überlebenskünstler. Kein Glücksritter, dem alles in den Schoß fällt. Dieser Irving Rosenfeld tut alles dafür, im täglichen Existenzkampf nicht auf der Strecke zu bleiben. Er würde es schaffen, sich seinen ganz persönlichen amerikanischen Traum zu erfüllen – vor allem dank seiner Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Und das mit einer attraktiven Frau an seiner Seite. An dieser Stelle kommt Amy Adams als Sydney ins Spiel. Ihr gefällt Rosenfelds Erfolgsgeheimnis.
    "Ich helfe Leuten Kredite zu kriegen, die keine Kredite kriegen können. Ich bin ihre letzte Chance." – "Du bist ihre letzte Chance? Weil Zinssätze bei über 12 Prozent liegen und bis 18 steigen könnten." – "Richtig. Schlaues Mädchen."
    Ehrgeiz des Polizisten zum Wohle der Betrüger
    Eine geschäftliche wie private Verbindung nimmt ihren Lauf. Bis zu dem Tag im Frühjahr 1978, an dem der von Bradley Cooper gespielte FBI-Agent DiMaso Rosenfelds Betrügereien auffliegen lässt. Doch statt ihm Handschellen anzulegen, verfolgt DiMaso einen anderen Plan. Denn auch er ist gerade dabei sich neu zu erfinden und will die Karriereleiter hinaufsteigen. Gelingen will dem Polizisten das mit Rosenfelds Hilfe.
    "Ich will die Wirtschaftskriminalität bekämpfen. Irving, Sie sind sehr geschickt. Ich will, dass Sie mir das beibringen. Wir schaffen das. Ich will vier Leute, die das tun, was Sie tun. Investitionsbetrug, gefälschte Einlagenzertifikate, gestohlene Kunst. Liefern Sie mir vier Leute und Sie sind vom Haken. – Vier Festnahmen und Sie lassen uns in Ruhe? Wir müssen auch nicht aussagen? – Nichts. Sie sind raus. Alles erledigt."
    Ins Visier genommen hat der Ermittler unter anderem einen allseits beliebten Politiker, der mithilfe von Investoren die marode Glücksspiel-Metropole Atlantic City wiederbeleben möchte. Ihn will DiMaso der Bestechlichkeit überführen. Rosenfeld, der den Deal einfädeln und den Lockvogel mit dem Geldkoffer spielen soll, lässt DiMaso aber auch wissen, was er von ihm und seiner ehrgeizigen Undercover-Aktion hält.
    "Die Menschen haben gerade erst Watergate und Vietnam überlebt. Und jetzt willst du die Politiker wieder mit Scheiße bewerfen? ... Du wirst das niemals vernünftig machen, weil du zu regierungshörig bist. Du bist klein und glatt. Ich bin wie der scheiß Vietkong. Ich bin drin und wieder draußen. Ich bin die ganze Zeit präsent und du merkst es nicht. Das ist die große Kunst. Nur so wird man jemand, dem die Leute vertrauen, der sie überzeugt, ihre Träume verwirklicht. Du kannst das nicht."
    Korruption in den 1970er-Jahren zum Vorbild
    Allzu erfinderisch mussten Regisseur David O'Russell und sein Drehbuchautor Eric Warren Singer bei "American Hustle" gar nicht sein. Die Geschichte bedient sich bei der sogenannten Abscam-Operation. Eine Aktion, mit der das FBI Ende der 1970er-Jahre die öffentliche Korruption bekämpft hat. Die Schlüsselfigur war damals der verurteilte Trickbetrüger Melvin Weinberg, aus dem jetzt im Film Irving Rosenfeld geworden ist.
    Dass die Operation teilweise dilettantisch ausgeführt worden ist, sorgt in "American Hustle" für die komische Note. Überhaupt gibt es viel zu schmunzeln in einem Film, der den Eindruck vermittelt, dass es ausschließlich Gauner und Betrüger sind, die eine Nation groß gemacht haben. Bei der Verwirklichung des amerikanischen Traums darf man es eben nicht so genau nehmen mit der Moral im Allgemeinen und dem Strafrecht im Besonderen. Jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben. Selbst die eigene Ehefrau. Denn Rosenfeld ist zwar mit Sydney zusammen, aber er ist immer noch ein verheirateter Mann. Und Jennifer Lawrence als seine Noch-Gattin Rosalyn verfolgt ebenfalls ganz eigene Interessen.
    "Ich werde mich nicht scheiden lassen. Du weißt, dass deine Arbeit illegal ist. Und du weißt auch, wenn du dich von mir scheiden lassen willst. Ich habe nicht gesagt, dass ich es tun würde. Ich habe gesagt, ich könnte."
    Wo Gier und Neid, Eitelkeit und Ehrgeiz das Handeln sämtlicher Figuren bestimmen, könnte das Drama leicht Oberhand gewinnen. Doch David O'Russell versteht es geschickt, dem Verhalten seiner Charaktere die witzigen Seiten abzugewinnen. Die Schauspieler sind ohnehin ein Ereignis für sich und die Nominierungen für Bale, Adams, Cooper und Lawrence absolut gerechtfertigt. "American Hustle" ist cleveres, energiegeladenes Unterhaltungskino, bei dem sich bis zum Schluss die hochspannende und mindestens genauso amüsante Frage stellt: Wer hintergeht und übervorteilt hier eigentlich wen?
    "Wir müssen all diesen Typen eins auswischen. Über nichts anderes müssen wir uns jetzt Gedanken machen. – Was immer wir anstellen – es muss unsere allerbeste Nummer werden."