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Kinostart für Dokumentarfilm "Violinissimo"

In Hannover kommt alle drei Jahre 35 Geiger und Geigerinnen zusammen. Dort nehmen sie am renommierten "Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerb" teil. Die Dokumentarfilmer Anspichler und Wegrzyn haben drei der Virtuosen während des Wettbewerbs 2009 begleitet. Nun läuft ihr Film in den deutschen Kinos an.

Von Mascha Drost |
    Er fällt irgendwann in der Mitte des Films, dieser Satz - aber es ist keiner der Wettbewerbsteilnehmer der ihn sagt, es ist der Juryvorsitzende und Wettbewerbsgründer Krzysztof Wegrzyn. Die drei jungen Geiger, die der Film durch den Wettbewerb begleitet müssen ihn auch gar nicht aussprechen - er steht ihnen auf der Stirn geschrieben. Es reicht nicht auf ihn zu hoffen - man muss den Willen zum Sieg haben. Nur so lässt sich die jahrelange Arbeit und die Anspannung während des Wettbewerbs ertragen. Und die Unmöglichkeit, es allen recht machen zu müssen, und dennoch man selbst zu bleiben.

    Da sitzen sie, Geiger und Geigerinnen aus der ganzen Welt, und blicken bang nach vorn auf die Bühne, wo die Namen der Halbfinalisten verkündet werden. Manche halten die Augen geschlossen, andere beugen sich nach vorn oder verkriechen sich in ihrem Sessel. Allen steht die ungeheure Anspannung ins Gesicht geschrieben - und von einigen fällt sie ab, vor Erleichterung, der eigene Name ist gefallen. Entspannung, die aber nur kurz anhält.


    Clara-Jumi Kang ist Koreanerin, eine von drei Teilnehmern, die der Film durch den Wettbewerb begleitet. Ihr bleiben noch fünfzehn Stunden bis zur zweiten Runde, die kurze Erleichterung über ihr Weiterkommen ist schon wieder der Anspannung gewichen. Fünfzehn Stunden - in ihnen kann manchmal ebenso viel Bedeutung liegen wie in den Abertausenden Stunden davor, Zeit, die Clara mit ihrer Geige verbracht hat, seit ihrem 3. Lebensjahr.

    Es sind solche Momente, die den Film zu etwas Besonderem machen - nicht das Geständnis allein, dass der eigene Vater enttäuscht war, als sie sich begann wie ein normales Kind zu benehmen - aber der Blick dazu: abgeklärt, fast leer und in solchen Momenten auch voll Mitleid mit dem 11-jährigen Kind, dass wie die anderen einfach nur Rollschuh laufen wollte.

    Damit allerdings keine Missverständnisse entstehen - was für Entbehrungen alle Teilnehmer auch auf sich nehmen mussten, wie viel Arbeit: Dass das Geigespielen, das Konzertieren, der Moment des Auftritts alles wettmacht, ein Leben ohne das nicht möglich wäre macht der Film ebenso deutlich. Bei allen Dreien kam der Wunsch nach der Geige von allein, als kleines Kind.

    Videoaufnahmen der 6-jährigen Solenne, die Französin stellt im Film quasi den Gegenpol zur kontrollierten Clara dar - Solenne, die auf der Bühne strahlt, sich ihres Spiels sichtbar freut. Aber auch sie, erzählt sie, war vor gar nicht langer Zeit ganz unten, aber das auszuhalten, auch über eine ganze Zeit - das muss als Künstler können.

    Dass sich Musiker, und besonders derart junge, und in einer solch angespannten Situation wie in einem Wettbewerb derart öffnen, so intime Gedanken und Gefühle preisgeben, ihre eigene Verletzlichkeit zeigen, ist die große Stärke dieses Films. Die beiden Regisseure stellen die Figuren aber nicht bloß, sie gehen empathisch, empfindsam und sehr liebevoll mit ihren Hauptdarstellern um, und die honorieren diese Sensibilität mit größtmöglicher Ehrlichkeit. So gelingt nicht nur ein Blick hinter die Kulissen eines großen Wettbewerbs, eines erbarmungslosen musikalischen Schaulaufens, sondern auch hinter die Fassade junger Künstler; Künstlern, die auf der Bühne, durch ihr Spiel die Gefühle offen legen aber sonst oft mithilfe eine Maske aus Selbstbewusstsein, Kontrolle und Höflichkeit gegenüber der Umwelt, dem Publikum abgrenzen, abgrenzen müssen. Denn was sie in den Dienst der Musik gestellt haben, ist nicht weniger als ihr Leben.