Sonntag, 05. Mai 2024

Archiv


Klärwerk für den Ballasttank

Umwelt. – Im Ballastwasser der Schiffe sind schon so manche blinden Passagiere in paradiesische Neue Welten gelangt. Zebramuscheln, Rippenquallen, Wollhandkrabben haben sich so weit jenseits ihres natürlichen Verbreitungsgebiets zu Plagen entwickelt. Auf der SMM 2008 in Hamburg, einer der bedeutendsten maritimen Messen der Welt, wurden jetzt erste Reinigungsanlagen für das Ballastwasser vorgestellt.

Von Frank Grotelüschen | 25.09.2008
    "Die sind aus China Anfang des letzten Jahrhunderts eingewandert."

    Der Messestand der Firma RWO GmbH aus Bremen. Entwicklungschefin Anja Kornmüller zeigt auf ein Aquarium, in denen faustgroße Schalentiere herumkrabbeln, auf ihren Scheren ein dichter Haarpelz. Es sind chinesische Wollhandkrabben.

    "Die sind mittlerweile in allen Flüssen zu finden – Elbe, Weser, Rhein, Ems. Das Problem: Die Wollhandkrabbe macht das Uferbett kaputt, frisst kleinere Fische und hat in Deutschland bis jetzt ungefähr 85 Millionen Euro Schaden verursacht."

    Schuld an der Plage ist die Schifffahrt. Genauer: das Ballastwasser, das leere Frachter in einem Hafen aufnehmen, um auf hoher See stabil zu schwimmen und nicht zu kentern. Das Problem, so Kornmüller:

    "Mit dem Ballastwasser werden Sedimente und Organismen aufgenommen. Im Ankunftshafen, wenn das Ballastwasser wieder abgepumpt wird, gelangen die Organismen in fremde Regionen. Und wenn sie dort geeignete Lebensbedingungen haben und keine natürlichen Feinde, können sie sich durchsetzen, und zwar relativ massiv."

    Auf diese Weise kam nicht nur die Wollhandkrabbe nach Europa. Seit kurzem macht sich die nordatlantische Rippenqualle in der Ostsee breit und frisst den heimischen Fischen das Plankton weg. Auch Krankheitskeime reisen per Ballastwasser – zum Beispiel Cholerabakterien von Indien nach Südamerika, oder so genannte Dinoflagellaten. Das sind Giftalgen, deren Gift über die Nahrungskette auf unserem Speiseteller landen kann. Um diesen blinden Passagieren den Garaus zu bereiten, hat Kornmüllers Firma RWO eine Ballastwasser-Reinigungsanlage konstruiert. Sie hat die Ausmaße eines Kleinbusses. Ihr Preis liegt, je nach Ausfertigung, zwischen 100.000 und einigen Millionen Euro. An Bord des Schiffes soll sie das hineingepumpte Ballastwasser gründlich säubern, und zwar in zwei Stufen. Anja Kornmüller:

    "In der ersten Stufe filtrieren wir mit so genannten Scheibenfiltern die größeren Organismen und die Sedimente heraus. Lebewesen, die die Filter passieren können, sind kleinere pflanzliche Algen und Bakterien. Die werden in der zweiten Stufe in der Desinfektion eliminiert. Wobei wir Wert darauf legen, keine Chemikalien zu verwenden. Sondern wir geben Strom auf das Wasser und produzieren aus dem Wasser die Desinfektionsmittel direkt in der Hauptrohrleitung."

    Der Strom spaltet Wassermoleküle in chemisch aggressive Teilchen, so genannte Radikale, die sich dann über die Mikroben hermachen. Doch es gibt auch konkurrierende Techniken, etwa von der Firma Hamann AG aus Hollenstedt bei Hamburg. Statt Scheibenfiltern befreien so genannte Hydrozyklone das Wasser von blinden Passagieren. Ein Hydrozyklon ist eine Art Zentrifuge für Wasser, sagt Hamann-Mitarbeiter Mathias Schmidt.

    "Was wir nicht separieren können, sind Mikroben, Bakterien, Viren. Die sind einfach zu klein. Die müssen wir mit einem weiteren Behandlungsschritt abtöten. Dafür nehmen wir ein Biozid, nennt sich Peraclean Ocean. Die Wirkungsweise: Wir tropfen es in kleinen Mengen ins Ballastwasser, töten jegliche Lebewesen sofort ab. Und danach zersetzt sich diese Chemikalie in Essig, Wasser und Sauerstoff."

    Pro Tonne Ballastwasser sollen 150 Milliliter der Chemikalie genügen, und die entstehende Essigsäure ist biologisch abbaubar. Der Vorteil des Konzepts: Es braucht wenig Energie und konnte sich in der Praxis bereits bewähren. Schmidt:

    "Es sind zwei Anlagen an Bord in Betrieb. Zweieinhalb Jahre gelaufen, komplett ohne jeglichen Serviceaufwand."

    Im Jahre 2016 soll nach Möglichkeit jedes Schiff so eine Kläranlage für Ballastwasser an Bord haben – vorausgesetzt die entsprechende Konvention der Internationalen Seefahrtsorganisation IMO wird in den nächsten Jahren von ausreichend vielen Staaten ratifiziert. Welche Technik sich dann durchsetzt – ob die mit oder die ohne Chemikalien – das dürfte nicht zuletzt von den Praxiserfahrungen abhängen, die die Reeder in der kommenden Zeit sammeln werden.