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Klamotte bleibt Klamotte

Händels Oper heißt "Admeto, König von Thessalien", aber die tapfere Heldin darin ist eine Frau: Alkestis will anstelle ihres todgeweihten Gatten sterben. Die Leipziger Oper hat nun Händels "Admeto" als frühe Soap gelesen.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Särge, aus denen die Toten auferstehen, Ahnenporträts, aus denen die Porträtierten wieder hervortreten, Ambientes, die wie geschaffen sind für aktive Schlossgespenster, scheinen neuerdings sehr beliebt bei jüngeren Regisseuren und Ausstattern des Musiktheaters.

    Das "Team ATEF" mit dem Regisseur Tobias Kratzer und dem Ausstatter Rainer Sellmaier erkannte pfeilgenau in solcher Kulisse den passenden Raum für die
    Händel-Oper "Admeto" als frühe Soap Opera.
    Die Geschichte ist so einfach wie kompliziert, adaptiert in Grundzügen aus Euripides: Ein Herrscher, Admeto, erkrankt auf den Tod. Ins Leben zurück kann er nur, wenn ein anderer für ihn stirbt. Seine Gattin Alceste opfert sich.

    Doch der wieder gesundete Admet beauftragt Freund Herakles, auch die Gattin der Unterwelt zu entreißen. Aber da taucht auch schon die Rivalin Antigona auf, die Admet ursprünglich heiraten wollte, und um die ihn sein Bruder Trasimede betrogen hatte. Nun hat Admeto die Qual der Wahl.
    In der Leipziger Bühnenversion sorgen durch den Kamin schlüpfende Schlossgespenster dafür, dass rechtzeitig die passenden Figuren in Ohnmacht fallen. Die freiwillig in den Tod scheidende Gattin Alceste wird mit Blumengebinden betrauert wie Princess Diana.

    Die Rivalin Antigona taucht als Passantin bei einer zufälligen Schlossbesichtigung auf und macht sich – nein nicht als Reitlehrerin, sondern als Gärtnerin heran an den unbeweibten König. Alceste, aus dem Hades zurück gekehrt, verpuppt sich in die herumstehende Ritterrüstung, um ihren Entscheidungskampf zu führen.

    Am Ende wird noch mal das Schlossgespenst aktiv und schickt das wieder vereinte Königspaar Admeto-Alceste mit vergiftetem Wein zurück ins Jenseits. Das zweite Paar, Antigona-Trasimede, triumphiert als Bewahrer der Linie.
    Als Running Gag haben noch fünf junge Herren mit Melodica wie wandelnde Comedian Harmonists eine tragende Rolle.

    Sie geleiten sowohl Admeto wie Alceste in und aus dem Tod, figurieren als Ahnen in den Familienporträts, treten auf als Köche in einer Kochshow, pusten auf ihren quäksigen Melodicas immer mal wieder mal barsch dazwischen oder begleiten damit Rezitative und Arien – auch nicht ganz neu. Ganz putzig ist es, wenn Figuren auf der Bühne sterben und mit ihnen die Musik im Orchester.

    Ansonsten sehen doch viele Gags recht abgeklappert aus. Vor allem, es rauscht an einem als Zuschauer berührungslos vorbei. Und dass die Händelsche Musik etwas mit der Szene zu tun haben könnte – auf die Idee kommt man auch selten.

    Händel als Komponist und Opern-Unternehmer war Pragmatiker. Er hatte damals in der Schlussphase seiner ersten Royal Academy zwei Primadonnen. Und die musste er beschäftigen. So kam er zu dem Stoff. Was da bei ihm herauskam, ist denn doch etwas mehr als das Spukschloss im Spessart.
    Immerhin hat man in Leipzig mit dem Counter Hagen Matzeit als Titelfigur einen herausragenden Sänger, während die beiden Primadonnendarstellerinnen Soula Parassidis und Elena Tokar mit unsauberer Intonation weniger überzeugen. Federico Maria Sardelli im verkleinerten Graben schlägt mit den Gewandhaussolisten einen forschen, wenn auch wenig biegsamen Ton an.

    Das Publikum begann, sich mit fortschreitendem Abend für die Gags auf der Bühne hörbar zu erwärmen. Gesungen wird wie in mittelalten Zeiten deutsch, und Operette tut not. Aber Klamotte bleibt Klamotte, auch wenn sie durchaus intelligent und virtuos gemacht ist.