Der Pianist Leif Ove Andsnes etwa lädt ein in den norwegischen Küstenort Risør, die Cellistin Sol Gabetta ins Schweizer Kloster Olsberg, Lars Vogt ins Jugendstilkraftwerk in die Eifel und Jan Vogler ins Wasserschloss nach Moritzburg.
Argentiniens Wunderpianistin Martha Argerich hat schon drei eigene Festivals bespielt: im japanischen Beppu, in ihrer Geburtsstadt Buenos Aires und seit 2002 das "Progetto Martha Argerich" im Rahmen des Lugano Festivals. Wohlbekannte und noch gänzlich unbekannte Musiker bringt sie dort zusammen für gemeinsame Kammerkonzerte. Das Beste vom Besten erscheint im Folgejahr beim Label EMI Classics auf CD - so wie jetzt "Martha Argerich and Friends beim Lugano Festival 2007".
Argentiniens Wunderpianistin Martha Argerich hat schon drei eigene Festivals bespielt: im japanischen Beppu, in ihrer Geburtsstadt Buenos Aires und seit 2002 das "Progetto Martha Argerich" im Rahmen des Lugano Festivals. Wohlbekannte und noch gänzlich unbekannte Musiker bringt sie dort zusammen für gemeinsame Kammerkonzerte. Das Beste vom Besten erscheint im Folgejahr beim Label EMI Classics auf CD - so wie jetzt "Martha Argerich and Friends beim Lugano Festival 2007".
Martha Argerich in ihrem Element: Nicht solistisch auf der Bühne, nicht allein im Fokus des Publikums, sondern an der Seite eines ihr wohl vertrauten Musikerfreundes. Beim Lugano Festival 2007 spielte sie Ravels "Ma Mère l'Oye"-Suite gemeinsam mit dem jungen ukrainischen Pianisten Alexander Mogilevsky.
Er ist einer von Argerichs Wahlverwandten, einer ihrer Zöglinge, ein Mitglied der großen, bunten Argerich-Familie, die alljährlich die Kammermusik nach Lugano bringt. Martha Argerich hat sich der Nachwuchsförderung verschrieben. Und wer ihren Segen hat, kann sich ihrer Unterstützung sicher sein. Sogar ihren Namen gibt Martha Argerich her für diejenigen, an die sie glaubt: ein eigener Pianistenwettbewerb, eine eigene CD-Reihe, in der sie vielversprechende Nachwuchskünstler vorstellt. Doch nicht nur ihre "Klavierkinder" bringt sie mit nach Lugano, auch anderen jungen Talenten gibt sie eine Chance. Und gekonnt mischt Martha Argerich im Festivalprogramm dann Neulinge und Alte Hasen. Auf die CD schafft es aber natürlich nicht jeder: 17 zum Teil überlange Konzerte wurden im letzten Juni unter Argerichs Ägide gegeben; auf den drei CDs ist aber nur Platz für dreieinhalb Stunden Musik. Aus dem übervollen Mitschnittangebot eine kluge Auswahl zu treffen, ist eine Kunst für sich. Und womit beginnen? Die Wahl fiel auf eine echte Sternstunde - in mehrfacher Hinsicht: großes Repertoire, große Namen. Beethovens berühmtes Geister-Trio mit Martha Argerich am Flügel, dem Geiger Renaud Capuçon und Argerichs Lieblingskammermusikpartner, dem Cellisten Mischa Maisky.
Wie gesagt - eine Sternstunde ...
Fast hätte man es vergessen - das Publikum! Erst mit dem Applaus tritt es in Erscheinung. Vorher kein Huster, kein Rascheln, kein Gar nichts. Ist das Publikum beim "Progetto Martha Argerich" in Lugano so vorbildlich, dass es sich jede noch so menschliche Lautäußerung verkneift? Oder sind die Mikrofone so nah bei den Instrumenten platziert, dass kein Blatt und erst recht kein unerwünschtes Geräusch dazwischen passt? Es mutet fast unheimlich an, wie störungsfrei ein Festivalmitschnitt hier klingen soll. Aber zum Glück wurde nicht jede minimale Intonationsschwäche behoben, nicht jede rhythmische Ungenauigkeit geradegebogen. Bei den Lugano-Mitschnitten darf die Musik leben und soll nicht keimfrei daherkommen. Dieser Eindruck des spontanen Musizierens vermittelt sich ganz besonders bei Michael Glinkas Divertimento brillante über Themen aus Bellinis Oper "La Sonnambula". Mit außerordentlichem Feingefühl vereinen die sechs Musiker ihre Stimmen zu einem sowohl differenzierten als auch organischen Zusammenspiel. Die großen Gefühle in der Musik kommen zu ihrem Recht, werden aber nicht überstrapaziert. Alexander Mogilevsky, Lucia Hall, Alissa Margulis, Nora Romanoff-Schwarzberg, Mark Drobinsky und Enrico Fagone wissen sich vor romantischer Gefühlsduselei zu hüten und mit ihren Instrumentalstimmen nicht all das imitieren zu wollen, was eine menschliche Stimme und ein Opernlibretto auszudrücken vermögen. Leider steht im CD-Heft der falsche Titel - dort wird nicht Glinkas Divertimento, sondern sein Grand Sextett angekündigt. Ein ärgerlicher Lapsus, über den die Musik aber schnell hinwegtröstet.
Glinkas Divertimento brillante ist im Konzertbetrieb und auf dem Plattenmarkt ähnlich unterrepräsentiert wie Ernst von Dohnányis spätromantisches Klavierquintett Nr. 1. Doch Martha Argerich and Friends beleuchten beim Festival in Lugano nicht nur die Repertoirenischen, sondern warten auch mit publikumswirksamen Evergreens auf: Martha Argerich spielt zum Beispiel Schumanns Kinderszenen. Natürlich, gibt es schon auf CD! Mehr als eine Momentaufnahme möchte dieser Live-Mitschnitt aus Lugano aber auch nicht sein, lediglich das Dokument eines einzelnen Abends. Und genau diese Flüchtigkeit macht ihn kostbar. Die Großzügigkeit der Künstler, diese Aufnahmen zur Veröffentlichung freizugeben, steigert nur noch den Wert. Es besteht schließlich kein Mangel an Studioproduktionen, die aus zahllosen Einzelschnipseln zusammengesetzt sind, durchaus perfekt klingen und dennoch nie ein ganz authentisches Abbild des Künstlers und seiner Kunst sind - ganz im Gegenteil zu den Mitschnitten einmaliger Konzertabende wie denen in Lugano. Mit den CDs wird nicht nur ein profiliertes Kammermusikfestival abgebildet, sondern auch ein Porträt seiner Protagonistin gezeichnet, die - wie alle - von Jahr zu Jahr älter wird, aber sich nicht scheut, auf jeder neuen Lugano-CD mit einem aktuellen Foto abgebildet zu werden: dieses Mal mit grauer Lockenmähne und einem skeptisch, aber doch wohlwollenden Lächeln.
Martha Argerich scheint kein einfacher Mensch zu sein, sie beherrscht nicht die Rolle von "Everbody's Darling". Journalisten geht sie am liebsten aus dem Weg, Konzertveranstalter fürchten ihre kurzfristigen Programmänderungen, ihr einstiger Lehrer Friedrich Gulda nannte sie bei aller Bewunderung für ihr Talent "eine Wilde, eine Verrückte". Kurzum: Martha Argerich lebt in ihrer ganz eigenen Welt, sie ist eine Einzelgängerin, jedoch nicht auf der Bühne. Nur noch selten ist sie im Konzertsaal solo zu erleben, sie bevorzugt das Klavierspiel zu zweit. Auch diese Seite von ihr dokumentieren die Lugano-2007-CDs. Gemeinsam mit ihrer langjährigen Duopartnerin Lilya Zilberstein spielt Martha Argerich Mozarts Fantasie für eine Orgelwalze, mit Mauricio Vallina Lutoslawskis Paganini-Variationen.
Doch ganz besonders berührend ist das Zusammenspiel mit der von ihr entdeckten und geförderten Gabriela Montero, die mittlerweile eine eigene Weltkarriere gestartet hat. Bei Schumanns Opus 46, Andante und Variationen für zwei Klaviere, verschmelzen die beiden. Warm und flexibel ist ihr Spiel, zutiefst romantisch und einfühlsam.
Martha Argerich als Nachwuchsförderin, als Festivalleiterin, als Kammermusikerin und - wie gerade mit Gabriela Montero gehört - als Klavierpartnerin. In all' diesen Rollen ist sie auf der Dreifach-CD zu erleben, die vorgestern bei EMI Classics erschienen ist unter dem Titel "Martha Argerich and Friends - Live from the Lugano Festival 2007".
Zeitgleich ist übrigens noch eine Doppel-CD auf den Markt gekommen mit Aufnahmen aus den Lugano-Jahrgängen 2003-2006 "Music for Two Pianos" heißt sie und stellt die argentinische Pianistin als Klavierpartnerin in den Mittelpunkt.
Martha Argerich und ihre Freunde haben mit den Live-CDs aus Lugano schon viel Applaus geerntet, drei Grammy-Nominierungen inklusive. Mit dem jüngsten Jahrgang und der neuen Klavier-CD schreibt die Kammermusikfamilie vom Lago Maggiore diese Erfolgsgeschichte weiter.
Titel: Martha Argerich and Friends -
Live from the Lugano Festival 2007
Label: LC 06646 EMI Classics 5 18333 2 3 CDs