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Kleine Menschenaffen ganz groß

Zoologie. - Der Gibbon, auch Kleiner Menschenaffe genannt, gehört zwar wie Schimpanse oder Gorilla zu den Menschenaffen. Im Vergleich zu ihren großen Verwandten führen die Gibbons in der Forschung eher ein Randdasein. Doch das Reich des Gibbons ist viel differenzierter, als bislang angenommen, wie eine neue Untersuchung über die Verwandtschaftsverhältnisse der Gibbonarten belegt.

    Gibbons sind etwa einen halben bis einen Meter groß und schwingen sich mit Hilfe ihrer langen Greifarme geschickt durch die tropischen Regenwälder Südostasiens. Die Mehrheit der Forscher nimmt an, dass die Gibbons eine sehr homogene Gattung sind, auch wenn sich über ihren typischen Gesangsstil vier Gruppen unterscheiden lassen: der Schopfgibbon, der Hulock-Gibbon, die so genannte Lar-Gruppe und der Siamang. Thomas Geissmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Christian Roos vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen haben diesem Bild vom homogenen Gibbon jetzt jedoch den Kampf angesagt. "Man ging bisher davon aus, dass die Gibbons aus einer einzigen Gattung - Hylobates - bestehen und sich aus mehreren Artengruppen zusammensetzen, die man bisher als Untergattungen behandelt hat", erklärt Geissmann. "Unsere neuesten molekularen Daten zeigen allerdings ein völlig anderes Bild." Die Unterschiede zwischen den Untergruppen der Gibbons seien mindestens so groß, wenn nicht größer als die Unterschiede zwischen Schimpansen und Mensch.

    Geissmann und Roos studierten die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Siamang, Lar-Gruppe, Schopf- und Hulock-Gibbon auf eine neue Art. Bisherige genetische Untersuchungen von Gibbons verglichen Bestandteile im Erbgut, die sich in evolutionären Zeiträumen nur sehr langsam verändern. Die Forscher aus Hannover wählten eine andere molekulare Region, die sich auch in kürzeren Zeiträumen verändern kann: die so genannte mitochondriale Kontrollgruppe. Hier zeigte sich, dass sich der Schopfgibbon im Durchschnitt in den Basenpaaren dieser Gen-Region um mehr als zwölf Prozent von den drei anderen Gibbongruppen unterscheidet. Zum Vergleich: Die Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse liegt dort nur bei 9,6 Prozent. "Das bedeutet also: Wenn wir Schimpansen und Mensch in zwei verschiedene Gattungen klassifizieren, gibt es zwangsläufig auch mehrere Gattungen innerhalb der Gibbons", sagt Geissmann. Er geht davon aus, dass es mindestens vier Gibbon-Gattungen gibt. Diese Forschungsergebnisse sind allerdings umstritten. Ihre genetischen Entdeckungen sind noch nicht reproduziert worden, außerdem müssen sie noch mit den Ergebnissen anderslautender Studien abgeglichen werden.

    [Quelle: Martin Hubert]