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Kleine Verletzungen richtig behandeln

Schürfwunden sind oberflächliche Verletzungen und gehören deshalb eher im Ausnahmefall in die Hand des Arztes. Doch Vorsicht: Eine falsche Behandlung mit Bordmitteln daheim kann schlimme Folgen haben bis hin zur Blutvergiftung und natürlich gehört auch der Schutz gegen Tetanus dazu.

Von Michael Engel | 19.07.2011
    Ein Pferdestall in der Wedemark bei Hannover. "Lilli" und "Diego" werden gerade aus der Box geholt. Für einen Ausritt. Der Umgang mit so großen und 500 Kilo schweren Tieren ist nicht immer ungefährlich, sagt Laura:

    "Gerade jetzt beim Putzen, wenn das Pferd sich rumdreht oder auf den Fuß tritt, also so etwas passiert schon häufig. Auch wenn man das Pferd aus der Box führt und sich das Pferd zuerst durchdrängelt, dann wird man schon mal gegen die Wand gequetscht und hat dann auch mal eine Verletzung."

    Zum Glück sind die meisten Verletzungen harmlos. Eine Schürfwunde an der Hand. Ein Kratzer am Ellenbogen. An das aufgeschlagene Knie vor zwei Jahren kann sich Vivian aber bis heute gut erinnern:

    "Ja also das war, als ich ein Pferd geführt habe und das ist dann durchgestartet und hat mich durch die Gegend gezogen. Und dann bin ich hingefallen und hatte am Knie eine fette Schürfwunde."
    Nicht nur der Pferdesport birgt Gefahren. Immer wieder hat Susanne Rüggeberg aus Lehrte mit Schürfwunden zu tun. Ihre Apotheke liegt in einem Wohngebiet mit Kindergarten, Schule und Altenheim in der Nähe.

    "Natürlich stürzt man zunächst auf die Knie. Man hat häufig aber auch Schürfwunden bei älteren Menschen, im Gesichtsbereich und bei den Kindern an den Ellenbogen, Knien, also vorstehende Knochen."

    In den meisten Fällen können Schürfwunden ohne Arzt oder Apotheker behandelt werden, sagt die Apothekerin. Zum Beispiel immer dann, wenn nur die Oberhaut betroffen ist, was man schnell daran erkennen kann, wenn es nur wenig blutet. Erster Handgriff: Gründlich reinigen, Leitungswasser genügt:

    "Das A und O ist, dass keine Schmutzpartikel mehr in der Wunde sind. Sind die Patienten bei uns in der Apotheke, empfehlen wir natürlich mit isotonischer Kochsalzlösung oder mit Povidon-haltigen Desinfektionsmitteln oder mit Oktinitin-haltigen Desinfektionsmitteln zu spülen und zu reinigen."

    Nur bitte nicht mit der Bürste drauf rum reiben: Die Wunde könnte aufreißen. In jedem Fall darf kein Schmutz mehr zu sehen sein. Denn: Partikel könnten sich entzünden oder in das Gewebe eingeschlossen werden. Das sieht dann aus wie eine schlecht gemachte Tätowierung. Moderne Desinfektionsmittel brennen übrigens nicht mehr. Auch Jodpräparate. Doch wie geht's weiter?

    "Dann hängt es davon ab: Wenn die Wunde sehr stark blutend ist, muss die Blutung erst mal zur Stillung kommen. Sollte es gestillt sein und sich auch die erste Haut gebildet haben, kann man schon mit Povidon-haltigen Salben auch auf der Wunde arbeiten. Oder Hamamelis-Salben – Ringelblumen-Salben, um die Wundheilungsförderung voranzutreiben."

    Schlussendlich: Pflaster drauf. Mittlerweile gibt es spezielle Schürfwundenpflaster, die das Wundmilieu darunter feucht halten und mit einem Gelkissen nach außen hin abfedern. Solche Pflaster können mehrere Tage drauf bleiben, ohne Gefahr zu laufen, dass die Wunde beim Pflasterwechsel erneut aufreißt. Denn unterm Pflaster trocknet die Wunde nicht fest.

    Mit dem Pferd über's freie Feld. Was kann schöner sein. Den Mädchen ist natürlich klar, dass draußen einiges passieren kann. Mit dabei in der Satteltasche: Das "Erste-Hilfe-Kissen" für den Fall der Fälle:

    "Viel ist da eigentlich nicht drin. Ein paar Pflaster, Wundsalbe, Verbandpäckchen. Ich habe immer auch Schmerztabletten dabei. Das Ganze wiegt höchstens 200 Gramm und passt eigentlich überall rein."

    "Erste Hilfe-Kits" für draußen gibt es in jedem Outdoorladen und natürlich auch in der Apotheke. Für Wanderer, dann auch mit Zeckenzange oder im wasserdichten Kissen für Paddler und Segler, sagt Kersten Enke, Leiter der Johanniterakademie in Hannover:

    "Wenn ich keine Versorgungsmöglichkeit habe, dann kann ich tatsächlich auch die Wunde säubern, zum Beispiel mit Mineralwasser, das ich dabei habe. Das ist gar kein Problem. Und wenn ein mildes Wunddesinfektionsmittel zur Hand ist, darf man das auch desinfizieren. Es sollte natürlich speziell für die Zwecke geeignet sein."

    Also bitte kein Alkohol. Und bitte keine T-Shirts oder Taschentücher auf die offene Wunde legen. Dann hätte man sich das Desinfektionsmittel nämlich auch sparen können. Bleibt die Frage, wie lange so eine Schürfwunde unversorgt bleiben darf?

    "Also wir empfehlen, bei größeren Verletzungen innerhalb von sechs Stunden eine ärztliche Versorgung aufzusuchen. Das ist ein Zeitfenster, das in den meisten Fällen auch realisierbar ist. Es sei denn, man ist wirklich jetzt im Outdoorbereich und ist tagelang unterwegs. Dann sollte man allerdings auch eine etwas umfangreichere Erste-Hilfe-Ausstattung mithaben."

    Schürfwunden, die stark bluten und sehr weh tun, gehören in die Hände eines Arztes. In diesem Fall ist nämlich die tiefer gelegenen Lederhaut in Mitleidenschaft gezogen. Für Helmut Beermann, Allgemeinmediziner aus Hannover, die tägliche Praxis.

    "Wenn eine Schürfwunde sehr stark blutet, dann würde man natürlich immer versuchen, die Schwerkraft zu Hilfe zu nehmen und würde diese stark blutende Stelle hochlagern. Also ein Kind, das ein ganz stark blutendes Knie hat, würde man auf den Rücken legen. Knie etwas angezogen und dann könnte man anfangen die Schürfwunde zu reinigen."

    Nach dem Reinigen kommt das Trocknen. Nach dem Trocknen wird desinfiziert. Wundsalbe, Pflaster fertig. Es ist immer dieselbe Abfolge, sagt der Arzt.

    "Wenn natürlich der Wundrand geschwollen ist, die Wunde weh tut, und wenn es offensichtlich nach Eiter aussieht, in der Tat, dann sollte man zum Arzt gehen. Und man sollte nicht allzu lange warten. Ich habe leider solche Fälle durchaus erlebt, wo eben solche Wunden völlig ignoriert wurden, über drei oder vier Wochen, und wo dann eine Hauttransplantation erforderlich war."

    Eiter und auch dunkel gefärbte Blutbahnen sind untrügliche Zeichen für eine sich anbahnende Infektion. Hier muss der Arzt sofort mit Antibiotika gegensteuern. Und noch etwas - ganz wichtig: der Blick in den Impfpass.

    "Das sollte unbedingt sein. Weil Schürfwunden meistens auf der Straße passieren. Und dort haben wir eben überall diese Tetanus-Bakterien. Und Tetanus-Bakterien sind einfach sehr, sehr gefährlich für uns. Gerade wenn sie sich in irgendwelche kleine Wundtaschen einnisten, dann sind sie besonders gefährlich."

    Abgelaufene Tetanus-Impfungen – und das ist die gute Nachricht – lassen sich selbst nach einer Verletzung problemlos auffrischen. Zum Beispiel mit einer passiven Sofort-Immunisierung, um das Zeitintervall bis zum Eintritt der Antikörperbildung zu überbrücken.

    Sie hatten Schürfwunden, sie waren auch schon beim Arzt deswegen, und das "Erste-Hilfe-Kit" musste auch schon mal aufgefüllt werden. Und trotzdem: Die Liebe zum Pferd schmälert das alles nicht, meinen Vivien und Laura.

    Vivien: "Ich weiß nicht. Es ist so. Partner Pferd. Man macht was gemeinsam. Und das Pferd gibt einem soviel zurück, was man da halt reinsteckt. Finde ich."

    Alina: "Ich weiß nicht, es ist einfach das Gefühl mit dem Pferd einfach eins zu sein. Ich finde, das ist halt auch das ganz Besondere am Pferdesport."