Archiv


Kleinstadt kämpft gegen Kakerlaken

Kakerlaken sind unangenehme Mitbewohner - sie sind nachtaktiv und fallen deshalb zunächst nicht auf, bis sie sich dann so stark vermehrt haben, dass man sie nicht mehr übersehen kann. In der Kleinstadt Damme in Niedersachsen sorgen Kakerlaken seit einiger Zeit nicht nur für Ärger, sondern auch für Schlagzeilen. Schädlingsbekämpfer wollen der Plage jetzt ein Ende bereiten.

Von Michael Hollenbach |
    Die Stadt Damme will kein Risiko mehr eingehen. Im vergangenen Jahr, als die dunkelbraunen Insekten – man spricht hier übrigens lieber von Schaben als von Kakerlaken – als die Tiere hier also auftauchten, da hat man noch auf die Einsicht der betroffenen Landwirte gesetzt, freiwillig den Schädlingsbekämpfer zu holen und die Schaben zu vernichten. Doch als in diesem Jahr noch viel mehr Kakerlaken unterwegs waren, da war Bürgermeister Hans-Georg Knappick klar, dass Vertrauen wohl gut, Kontrolle in dem Fall aber besser ist:

    "Wir haben für bestimmte Bereiche eine solche Bekämpfung angeordnet, weil wir wissen, dass es nur durch eine ganz konsequente Bekämpfung in jedem Betrieb und in jedem Wohnhaus möglich ist, der Plage Herr zu werden. "

    Nun müssen die Schädlinge in fast 1500 Gebäuden der Region bekämpft werden – in Ställen, Scheunen und auch Wohnhäusern, denn die Kakerlaken krabbeln aus den Ställen gern mal hinüber in die Wohnungen.
    Noch steht der Stall von Landwirt Franz Schwager-Wehming voller Schweine. Doch wenn demnächst die Tiere zum Schlachthof gebracht werden, rücken hier die Kammerjäger an auf den Hof in Ehlendorf bei Damme:

    "Wir haben letzte Woche Lacksperren gelegt und sobald die Ställe leer sind, werden die vergast. "

    Der giftige Lack auf dem Boden verhindert, dass die Kakerlaken lebend das Stallgebäude verlassen. Wenn der Stall demnächst leer steht, dann wird das ganze Gebäude eingenebelt mit einer Substanz, die die Kakerlaken zur Strecke bringen soll. Dann werden noch einmal alle Fugen mit einer toxischen Flüssigkeit ausgespritzt, danach muss alles gründlich mit einem Hochdruckreiniger gesäubert werden.

    Der Einsatz der Dammer ist eine späte Genugtuung für Jona Freise vom niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz. Er hatte bereits im vergangenen Jahr auf eine konsequente Bekämpfung der Kakerlaken gedrängt, denn die Insekten lösen bei den Menschen nicht nur Ekelgefühle aus, sie können auch gefährlich sein:

    "Schaben können Keime und Viren übertragen. Wir haben den Nachweis geführt, dass Keime in einer sehr hohen Konzentration auf den Schaben von Damme vorkommen, dazu gehören Durchfallserkrankungen, die durch die Keime ausgelöst werden können, Eitererkrankungen und auch Lungenentzündungen. Wir haben da wirklich eine Gesundheitsgefährdung vorliegen. "

    So etwas hört Dammes Bürgermeister Hans-Georg Knappick gar nicht gern. Deshalb betont er:

    "Das muss man ganz ausdrücklich sagen: Besonders auftretende Krankheiten sind nicht aufgefallen. Wir müssen klar davon ausgehen, dass solche Krankheiten nicht übertragen worden sind."

    Bei der in Damme und Umgebung verbreiteten Kakerlakenart handelt es sich um die orientalische Schabe, die bereits seit Jahrhunderten durch Europa krabbelt. Aber dass sich das Tier ausgerechnet in der Dammer Gegend mit ihrer hohen Schweinedichte so wohl fühlt, hat folgende Gründe, sagt Jona Freise:

    "Wenn wir uns nun mit Schweineställen und deren Situation näher befassen, ist es so, dass so ein Schweinestall ganzjährig eine Temperatur von 22 bis 28 Grand aufweist; der kühlt nicht aus. Hinzu kommt, dass durch die Belegung auch sehr viel Feuchtigkeit vorhanden ist und da sie alles fressen können, was organisch ist, finden sie auch genug Futter. "

    Innerhalb eines Jahres kann ein Kakerlakenpärchen samt Kindern und Kindeskindern 60.000 Nachkommen in die Welt setzen. In dem Biotop der modernen Schweineställe können sich die orientalischen Schaben prächtig entwickeln:
    "Die Schaben sind nach Lehrbuchmeinung 24 mm lang, aber die Schaben, die wir in Damme finden, sind schon eher fünf Zentimeter lang; wir haben also riesige Exemplare. Deutet nicht darauf hin, dass es eine neue Art ist, sondern darauf hin, dass hier Nahrungsoptimum besteht, die können sich ungehindert optimal entwickeln, haben immer das Optimum an Temperatur, Feuchtigkeit und Nahrung. "

    Doch mit den Kakerlaken soll nun Schluss sein, denn die ruinieren den Ruf von Damme, erklären Hendrik Meyer-Möhlenhoff vom örtlichen Landvolk-Verband und Bauer Franz Schwager-Wehming:

    "Damme wird durch die Schaben bekannt, jeder weiß jetzt, wo Damme liegt, weil da ja Schaben sein sollen, aber ich glaube, in anderen Regionen ist das Problem genau so. "

    In der Tat: Sowohl in Damme als auch beim Landesamt für Verbraucherschutz melden sich Bürger aus ganz Deutschland und klagen verzweifelt über die Kakerlaken in ihrer Region. Doch während in Niedersachsen für solche Fälle das Landesamt für Verbraucherschutz verantwortlich ist, schieben sich in anderen Bundesländern die kommunalen Gesundheitsämter und Veterinärbehörden den Schwarzen Peter zu.

    Keiner fühlt sich zuständig, denn jeder weiß: sobald in der Öffentlichkeit von Kakerlaken die Rede ist, ist der Imageschaden da – und dafür will keiner verantwortlich sein.